Philippe Jaroussky
Greatest Moments in Concert (DVD) / The Voice (CD)
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Info |
Musikrichtung:
Recital
VÖ: 2.11.2012
Virgin Classics / EMI / DVD bzw. 2 CD / 2004-2012 / Best. Nr. 5099960266590 (DVD) und 5099960266026 (CD)
Internet:
Philippe Jaroussky
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ZWISCHENBILANZ
Auf seiner Homepage bezeichnet der französische Countertenor Philippe Jaroussky sich selbst dezent als “ a little over 30 years old“. Tatsächlich ist der Star dieses Stimmfachs inzwischen 34, verfügt aber über eine derart eindrucksvolle Diskographie, dass die Auswahl für die jetzt erschienene „Best of“-CD und die DVD nicht eben leicht gefallen sein dürfte. Sie wurde jedoch geschickt getroffen und bildet jeweils nicht nur relativ große Zeiträume ab, sondern zeigt auch die erstaunliche Wandlungsfähigkeit und künstlerische Offenheit des Sängers. Zunächst fest im barocken Repertoire verankert, wagte er mittlerweile auch Ausflüge in das französische Liedrepertoire der Jahrhundertwende, in die Oper zur Zeit der Wiener Klassik und in lateinamerikanische Rhythmen. All das findet sich hier wieder, daneben aber vor allem Jarousskys Hausgötter Vivaldi, Händel, Monteverdi und Caldara. Bewundert werden kann dabei seine schon sehr früh perfektionierte Stimmführung und das bis heute knabenhafte Timbre, das gepaart mit einem Staunen machenden Atemvolumen eine Ahnung davon vermittelt, welche Faszination einst von den Kastraten ausgegangen sein muss. Doch nicht allein diese Technik ist es, die Jaroussky aus der Masse der Countertenöre heraushebt, sondern sein musikalisches Gespür. Dieses sowie sein unbedingter Gestaltunsgwille, sein Mut zum Risiko haben ihn bei allen Produktionen vom Ausführenden zum Mitbestimmenden gemacht, dessen Einfluss stets wahrnehmbar ist. Um diesem vollständig Geltung zu verschaffen, gründete der Sänger im Jahre 2004 sogar ein eigenes Ensemble (Ensemble Artaserse), welches ihn bis heute auf vielen Tourneen begleitet und ihm zusätzliche künstlerische Freiräume eröffnet.
Nun, all dies heißt bei den vielen Preisen, mit denen der Franzose überhäuft wurde, angesichts seiner Präsenz in sämtlichen Medien und seiner zahlreichen Fans Eulen nach Athen tragen. Für die Fans, die viele der hier aus früheren Aufnahmen zusammengestellten Stücke bereits auf CD haben werden, stellt sich die Frage: Lohnt sich die Anschaffung der CD dennoch? Die Antwortet lautet: Ja. Der Grund hierfür sind vor allem die sechs erstmals veröffentlichten Stücke. Jaroussky in der unendlichen Atem verlangenden Porpora-Arie „Alto Giove“ zu hören und seinen höchst sensiblen Vortrag darf man sich ebensowenig entgehen lassen, wie seine zwar manirierte, aber unbestreitbar effektvolle Deutung des unvermeidlichen „Ombra mai fu“. Hinzu kommen Arien von Rossi, Purcell und Monteverdi sowie Händels kämpferisches „Venti turbini“. Allesamt Stücke, die Jaroussky nach eigenem Bekunden am Herzen liegen, die bisher aber nie Platz auf einem Album gefunden haben.
Für die (nicht deckungsgleiche) DVD wiederum sprechen andere Argumente: Auf ihr kann man den Star bei konzertanten Live-Auftritten zwischen 2006 und 2012 erleben und erfahren, dass unter Live-Atmosphäre eben auch so manches Experiment mutiger gestaltet, so mancher Affekt noch stärker präsentiert werden kann. Da ist auch mal Raum für Komik und manches, was wie das Lied „Los pájaros perditos“ auf CD überzuckert wirkt, erscheint in der Live-Atmosphäre des Konzerts authentisch und sympathisch. Zudem ist Jaroussky auf der DVD in grandiosen Duetten u.a. mit Marie-Nicole Lemieux (herrlich überdreht und mit viel Spielspaß beide in Vivaldis „Nel profondo cieco mondo“) und Nuria Rial erleben, deren Stimmfarbe wundersam mit jener Jarousskys harmoniert und so die Stimmen ein ums andere Mal ineinander fließen lässt: das Liebesduett „Pur ti miro“ gerät so wahrhaft ergreifend. Die DVD zeigt übrigens, dass selbst die Musiker seines „Ensemble Artaserse“ bisweilen von den Fähigkeiten des Sängers überrascht, beeindruckt, ja gerührt sind. Da brauchen wir uns unserer eigenen Rührung also nicht zu schämen und können nur hoffen, dass uns das Phänomen Jaroussky noch lange erhalten bleibt.
Einziges Manko der DVD: Diese enthält weder Interviews, noch zeigt sie Jaroussky bei der Probenarbeit. Insoweit konnte man jüngst bei einer Arte-Sendung mehr erfahren. Aber vielleicht gibt´s dazu ja gelegentlich mal noch eine eigene DVD, Jaroussky mal nicht „In Concert“, sondern „At Work“.
Sven Kerkhoff
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Besetzung |
Philippe Jaroussky: Countertenor
div. Orchester
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