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Bernhard von Clairvaux u. a. (Rombach)
Bernhard de Clairvaux. Mittelalterliche Musik der Zisterzienser
KONTEMPLATIVER RAUSCHZUSTAND
„Zurück zu den Wurzeln!“ Das bedeutete für den im 12. Jahrhundert aufblühenden Reformorden der Zisterzienser: „Zurück zur Einfachheit.“ Bernhard von Clairvaux, der große Zisterzienserabt, predigte unermüdlich das neue alte Ideal: Einfachheit im konsequent armen, arbeitsamen und frommen Leben. Einfachheit in der Sakralarchitektur, die ohne die ‚Exzesse‘ der Gotik auskommen sollte. Einfachheit im maßvollen, nicht ausufernden Stundengebet. Einfachheit schließlich auch in der liturgischen Musik.
Der Gregorianische Choral galt als verderbt. Zu virtuos, zu sehr auf die Eitelkeiten der Sänger abgestellt tönte er in den Ohren der Mönche. Der Urchoral, nach dem sie deshalb in Rom forschen ließen, entpuppte sich zwar als Fiktion. Das hielt sie aber nicht davon ab, ihn auf der Grundlage eines neu geschaffenen Regelwerkes aus den gregorianischen Melodien herauszudestillieren. Es versteht sich, dass das Verdikt gegen allzu üppige Choralmelodien auch ihre mehrstimmige Ausgestaltung betraf. Einfachheit sollte sich eben auch in vollkommener Einstimmigkeit verwirklichen.
Die Ergebnisse dieser Bemühungen lassen sich auf der neuesten Platte des Ensembles Officium nachhören. Unter der Leitung von Winfried Rombach ist den elf Sänger/innen dabei erneut ein höchst eindrucksvolles, musikalisch und spirituell gleichermaßen bereicherndes Portrait einer Epoche gelungen.
Die programmatische Kunstlosigkeit der Zisterziensermusik ist nämlich nur eine scheinbare. Unter der schlichten Oberfläche der Gesänge gibt es eine himmlisch schöne Musik zu entdecken, die den Hörer in einen kontemplativen Rauschzustand versetzten kann. Achse des Projekts ist der Bernhard von Clairvaux persönlich zugeschriebene schwärmerische Jubilus rhythmicus ‚Jesus dulcis memoria‘, dessen tänzerisch-beschwingter Duktus auch die kältesten Seelen erwecken dürfte. Aus den zahllosen Strophen bietet das Ensemble eine Auswahl in unterschiedlichen Varianten, zu denen auch mehrstimmige Improvisationen gehören. Denn obwohl offiziell verpönt, erfreute sich der polyphone Gesang auch bei den Zisterziensern der Wertschätzung. Und ausgewählte Beispiele aus dem Codex Las Huelgas zeigen, dass die damals noch ganz neue mehrstimmige und –textige Motette auch in Zisterzienserabteien gepflegt wurde. So wird das ganze Spektrum zisterziensischer Kirchenmusik in der entsprechenden Gewichtung vorgestellt.
Man wünscht sich mehr von solchen fundierten, bei aller Schönheit uneitlen, geradlinigen Interpretationen von Musik aus dieser Zeit. Vielleicht macht uns das Ensemble Officium ja die Freude, nach seinen zahlreichen exemplarischen Renaissance-Erkundungen noch ein wenig im Hohen Mittelalter zu verweilen.
Georg Henkel
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