Vivaldi, A. (Kallweit)
Doppelkonzerte
DAS HARMONISCHE FEUER
25 Jahre ist die Akademie für Alte Musik gerade alt geworden - man hört es ihr nicht an. Unverändert staunenswert sind die virtuose Präzision und der jugendlich-frische Zugriff des Ensembles. Und so steht einem zunächst auch der Mund offen, wenn man hört, wie das Orchester mit dem einleitenden Allegro aus dem Concerto grosso RV 156 die CD beginnt und diesen Furor durchweg beibehält. Die erste Reaktion ist Erstaunen darüber, wie unverhohlen kraftvoll Vivaldi hier tönt, wie perkussiv und teils geräuschhaft. Die Musik scheint eher bäuerlich-ländlichen Ursprungs zu sein, als den vornehmen Salons der Lagunenstadt Venedig zu entstammen. Dies allerdings ist auch schon das Problem der - bereits jetzt international vielgerühmten - Aufnahme: Denn wenn man ein wenig zurückdenkt, ist diese Idee von Vivaldi als Rocker wohl doch nicht ganz so neu. Erinnert sei an Nigel Kennedys Auftritte oder die Einspielungen mit Il giardino armonico. Auch sie haben sich Vivaldis Konzerten auf diese Art genähert. Der damit erzielte Effekt ist auf den ersten Blick grandios und ein oder zwei Stücke lässt man sich so gerne gefallen. Erst recht steht dieser Stil Vivaldis Bühnenwerken gut an. Aber in den Orchesterstücken ermüden das ständig forcierte Phrasieren, die grellen Kontraste, das dauernde Staccato sehr bald und lassen die schnellen Ecksätze auch dort einander ähnlich werden, wo sie es eigentlich gar nicht sind. Der Titel der Werksammlung, die Vivaldi berühmt gemacht hat, "L´estro armonico", also "Das harmonische Feuer" hat eben zwei Aspekte und nicht NUR das Feuer.
Wer mehr vom anderen Aspekt erfahren möchte, höre zum Vergleich einmal das schon zitierte Concerto grosso RV 156 in der Einspielung mit dem Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon (DGG, 2006): Dieser Vivaldi hat nicht nur ein Mehr an Geschmeidigkeit zu bieten, sondern ist mal geheimnisvoll, mal schmeichlerisch, mal aufbrausend und mal seufzend, kurzum: man möchte sagen, er ist einfach italienischer und in seinem Facettenreichtum anspruchsvoller.
Diejenigen, die es so richtig krachen lassen wollen und die ein bißchen Übermut vertragen können, werden ungeachtet dessen die neue, tontechnisch brillante und nach der Art der Konzerte abwechlsungsreiche Einspielung der Akademie für Alte Musik lieben.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Concerto grosso g-moll RV 156 1 Allegro 2'47 2 Adagio 1'52 3 Allegro 1'37 Doppelkonzert d-moll RV 535 4 Largo - Allegro 3'16 5 Largo 2'36 6 Allegro molto 2'29 Violinkonzert E-Dur RV 265 ("L'Estro armonico" op.3 n°12) 7 Allegro 3'10 8 Largo 4'02 9 Allegro 2'18 Doppelkonzert g-moll RV 531 10 Allegro 3'30 11 Largo 4'11 12 Allegro 3'08 Doppelkonzert a-moll RV 522 13 Allegro 3'09 14 Larghetto e spiritoso 3'39 15 Allegro 2'48 Concerto grosso F-Dur RV 574 16 Allegro 4'20 17 Grave 3'41 18 Allegro 3'39 |
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Besetzung |
Akademie für Alte Musik Berlin Konzertmeister: Georg Kallweit / Midori Seiler
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