Musik an sich


Artikel
ENDSTILLE - Spezielle Musik für eine bestimmte Gruppe



Info
Gesprächspartner: Mayhemic Destructor (Endstille)

Zeit: 14.10.2007

Interview: Telefon

Stil: Black Metal

Internet:
http://www.endstille.com

Nach einem regen e-Mail-Austausch mit dem Mayhemic Destructor, seines Zeichens Drummer bei der deutschen Black Metal-Band Endstille, über das neue Album Endstilles Reich, hatten wir uns für eine telefonische Fortsetzung entschieden – und dies ist das Ergebnis des Gesprächs mit einem erkälteten, aber gut aufgelegten Mayhemic Destructor als (autorisiertes) Gedächtnisprotokoll!

MAS:
Was bedeutet Black Metal in Deinen Augen, was ist die Definition von Black Metal?

Mayhemic Destructor:
Ich würde eine musikalische Definition geben: Ich bin musikalisch geprägt von den 80ern, und Metal war bereits die Musik meines Bruders. Ich habe angefangen Heavy- und Thrash-Metal zu hören, und bin von dort zum Death gekommen. Dann habe ich überlegt, was nach dem Death-Metal kommen könnte, und dann war das auch die Zeit, in der der Black-Metal aus Skandinavien zu uns herüber schwappte. Und auch wenn die Grenzen zum Death manchmal fließend sind (etwa Morbid Angel und Deicide): Das für dem BM charakteristische sind meines Erachtens die Screams anstelle der Grunts beim Death und eben die Atmosphäre.

MAS:
Wie beurteilst Du die Situation der Szene heute, auch angesichts steigender Popularität und Popularisierung dank Dimmu Borgir und anderen?

Mayhemic Destructor:
Es gibt eine ganze Menge Schrott, der sich Black Metal schimpft: Jeder, der drei Akkorde spielen und ins Mikro schreien kann denkt, es sei Black Metal. Es gehört schon ein gewisses Mindestmaß an Professionalität mit dazu. Trotzdem denke ich, dass auch in Deutschland eine ganze Menge guter Bands sind, und auch die europäische Szene insgesamt sollte man im Auge behalten. Ich denke zum Beispiel, dass die französische Szene eine ganz spannende ist.
Und was die Popularität betrifft: Klar gibt es das, es gibt halt die Spitze des Eisberges, das sind dann solche Bands wie Gorgoroth, Marduk und auch Dimmu Borgir – mit denen ich persönlich noch nie etwas anfangen konnte: Ich habe angefangen, Black Metal zu hören, weil dort keine Keyboards vorkamen!

MAS:
Würdest Du Black Metal als etwas Elitäres bezeichnen?

Mayhemic Destructor:
Elitär? Nein, den Ausdruck würde ich nicht verwenden! Elitär hieße für mich, dass sich jemand als "etwas besseres" sieht. Ich würde eher sagen, Black Metal ist etwas spezielles, eine spezielle Musik von einer bestimmten Gruppe für eine bestimmte Gruppe.

MAS:
Was bedeutet es, wenn ihr sagt, dass Black Metal "unpolitisch" sein soll? Geht das überhaupt, und was ist mit Instrumentalisierungen (die ja im wesentlichen aus der rechten Szene zu beobachten sind)?

Mayhemic Destructor:
Ich habe in früheren Interviews häufig gesagt, dass Black Metal unpolitisch sei. Was ich damit meinte, war, dass mich die Politisierung der Musik extrem aufregt, und in unserem Fall wehre ich mich auch extrem dagegen. Wir hatten den Fall, dass uns ein türkischer Fan auf unserer myspace-Seite besuchte und mit seiner Glatze und Nazi-Emblemen posierte. Der bekam dann von mir ein deutliches "F***ck off", also wird der sich unsere CDs wohl sicher nicht mehr kaufen – aber das ist dann eben auch ok so!

MAS:
Inwieweit produziert ihr diese Missverständnisse, also dass euch eine rechte Gesinnung vorgeworfen wird, aber auch mit? Was für ein Konzept steht dann hinter Endstille und vor allem auch hinter dem Konzept der Cover Eurer Alben?

Mayhemic Destructor:
Wir können nichts dafür, wo wir geboren sind und auch nicht für die Geschichte dieses Landes zwischen 1933 und 1945. Was wir mit unseren Covern zeigen wollen ist eigentlich zweierlei. Zum einen steht dahinter wirklich ein Konzept, und zwar in dem Sinne, dass wir damit unser Verhältnis zur Black-Metal-Szene verdeutlichen; z. B. steckt hinter dem Albumtitel Operation Wintersturm der etwas jugendliche Übermut, die gesamte Szene quasi im Sturmlauf zu überrennen. Zum anderen sind die Cover aber auch ein subtiler Diskurs über Gewalt und die Folgen. Dominanz zeigt ja das Schlachtschiff Bismarck, und dieses Schiff und seine Geschichte lädt doch zum Nachdenken darüber ein, dass es wohl das modernste Schlachtschiff seiner Zeit war, ein Propagandamittel unter anderem – und was hat es ihm genutzt: Es ist zerstört worden! Wir wollen also auch etwas vom Wahnsinn des Krieges zeigen!
Natürlich provozieren wir auch bewusst mit diesen Bilder! Wir suchen ganz deutlich auch die Auseinandersetzung, Black Metal ist schließlich keine Blümchen- und Bäumchenmusik! Aber wir achten sehr auf Grenzen: Man wird auf unseren Covern etwa kein einziges Nazi-Abzeichen finden, darauf achte ich dann sehr genau. Klar, provokant bleibt's trotzdem, aber wenn in Interviews dann genau danach gefragt wird und ich unseren Standpunkt verdeutlichen kann, dann ist das in Ordnung.

MAS:
Wenn Einflussnahme also nicht die primäre Motivation für euer musikalisches Schaffen ist, was ist es dann?

Mayhemic Destructor:
Die Motivation ist das Musikmachen! Wir vier kommen zwei Mal die Woche im Proberaum zusammen und machen Musik... und bei uns kommt da eben Black Metal raus! Ich will das in erster Linie für mich selbst haben. Ich will mit meiner Musik die richtige Atmosphäre kreieren und anschließend mein eigenes Album im Schrank stehen haben. Und wenn ich ein Sturmfeuerzeug mit unserem Schriftzug haben will, und unser Label spielt dabei mit – umso besser! Und selbst wenn's keiner kauft und die Produktion nachher eingestampft würde: Ich habe dann, was ich wollte! Mir ist's egal!

MAS:
Zum Album „Endstilles Reich": Wie zufrieden seid ihr insgesamt damit, von der Produktion bis zum Marketing?

Mayhemic Destructor:
Fast 100%, ich würde sagen: 95%! Klar gibt es immer einige Feinheiten, die man besser machen könnte, ich denke z. B., dass die Gitarren noch etwas dominanter sein könnten. Das sehe ich aber erst seit ein paar Tagen so, denn ich konnte mich jetzt schon monatelang mit der Aufnahme auseinander setzen. Ich bin aber der Meinung, dass Endstilles Reich in jeder Hinsicht unser bisher bestes Album ist

Diskografie
Demon (2001)
Operation Wintersturm (2002)
Frühlingserwachen (2003)
Dominanz (2004)
Navigator (2005)
Lauschangriff (2006)
Endstilles Reich (2007)
MAS:
Gibt es schon irgendeine nennenswerte Resonanz seitens befreundeter Bands?

Mayhemic Destructor:
Wir werden dieses Jahr noch mit Dark Funeral vier Shows in England spielen, und auf deren Urteil bin ich sehr gespannt. Als wir das erste Mal mit denen spielten kannten die uns so gut wie gar nicht. Wir schenkten ihnen ein Album und dann lief das bei denen die ganze Zeit ständig rauf und runter.

MAS:
Das ist dann ja zugleich schon eine Antwort auf eure Pläne für dieses und nächstes Jahr...

Mayhemic Destructor:
Ja, erstmal diese Shows mit Dark Funeral, außerdem werden wir im Sommer in Deutschland auf zwei Festivals spielen (sind noch nicht endgültig bestätigt, deswegen auch noch keine genaueren Angaben) und wollen im Januar/Februar evtl. eine (Co-) Headliner-Tour spielen... Und da wir Workaholics sind, haben wir auch schon vier neue Songs für das nächste Album geschrieben!

MAS:
Wie reagiert ihr auf Vergleiche mit anderen Bands z.B. den alten Immortal oder Marduk, die häufiger genannt werden?

Mayhemic Destructor:
Zu Immortal sehe ich den Vergleich nun überhaupt nicht. Ich mag die nicht mal wirklich, und habe auch nur Pure Holocaust von denen im Plattenschrank. Ich fühlte mich beim Song "Vorwärts", den alle als von Immortal beeinflusst bezeichnen, eigentlich eher an Bathory erinnert... Und Marduk? Ich weiß nicht, die spielen viel schneller als wir und haben auch nicht den Sinn für Melodie. Wir dagegen legen sehr viel Wert auf subtile Melodien, von daher kann ich auch nicht den gelegentlich Vorwurf verstehen, dass es so etwas bei uns nicht gäbe! Im Gegenteil: Wenn ich aus dem Proberaum komme, dann habe ich den Kopf voll mit den allergeilsten Melodien!

MAS:
Zum Schluss noch zwei persönliche Fragen: Nach welchen Kriterien besorgst Du Dir neue Musik?

Mayhemic Destructor:
Ich denke, dass mache ich nicht anders als jeder andere: Ich treffe Vorentscheidungen nach Cover, Artikeln oder Werbung in Magazinen, Bandfoto... und wenn ein Sampler dabei liegt, höre ich da mal rein oder teste im Internet an. So bin ich beispielsweise auf die englische Band Amplifier gestoßen und inzwischen habe ich alle Alben von denen im Schrank!

MAS:
Und was sagt Deine Familie zu Deiner Tätigkeit bei „Endstille"?

Mayhemic Destructor:
Meine Mutter war in gewisser Weise durch meinen Bruder schon darauf vorbereitet. Sie kennt ja meinen Musikgeschmack und sie selbst ist auch ziemlich cool drauf. Ich war letztes Jahr mit ihr zusammen beim Deep Purple / Alice Cooper Konzert in Kiel... Sie findet die Musik von Endstille natürlich ziemlich speziell. Das Image der Band kann sie akzeptieren, aber findet dieses natürlich nicht gut. Es gab auch da natürlich Diskussionen. Aber sie ist stolz darauf, dass ich mit der Band eine Menge erreicht habe und es immer weiter geht und auch etwas dadurch rumkommt.


Diejenigen, die sich in diesem Jahr noch von den Live-Qualitäten der Band überzeugen wollen, haben noch in Dresden und Oberhausen Gelegenheit dazu; im nächsten Jahr spielen Endstille dann u. a. auf dem PartySan-Open-Air – nicht verpassen!


Andreas Matena



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