Musik an sich


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SARAH KAISER in St. Nikolai – Ein Reformationstag im Zeichen PAUL GERHARDTS



Info
Künstler: Sarah Kaiser

Zeit: 31.10.2007

Ort: St. Nikolai-Kirche Spandau

Besucher: 500/ 250

Veranstalter: St. Nikolai Gemeinde Spandau

Fotograf: Norbert von Fransecky

Internet:
http://www.sarahkaiser.de
http://www.nikolai-spandau.de

Natürlich war eine ganz Reihe der etwa 250 Besucher, die am Abend des Reformationstages in die Spandauer St. Nikolai Kirche strömten, extra wegen Sarah Kaiser in die Zitadellenstadt gekommen. Aber man sah auch viele Gesichter aus dem Stammpublikum der Gemeinde. Vom Pfarrer i.R. über Gemeindekirchenräte bis hin zu „normalen“ Gottesdienst- und Konzertbesuchern hatte sich eine überwiegend im reiferen Alter befindliche Zuhörerschaft eingefunden, die Paul Gerhardt und/oder Sarah Kaiser genießen wollten.
Ob Stammbesucher, oder erstmals in der Kirche auflaufender Gast, allen bot sich eine neue Kulisse. Die Techniker von Church & Sound hatten die weißen Putzfelder zwischen den Diensten a den Säulen der gotischen Hallenkirche geschickt ausgenutzt und den Altarraum in ein unwirkliches rot-blaues Licht getaucht. Auch im Verlauf des Konzertes lohnte es sich immer wieder einmal den Blick von der Band zu lösen und in den Licht und Schatteneffekten, mit denen der Lichtmixer spielte, Details in den plastischen Bildern des Altars zu entdecken, die bei normaler Beleuchtung nicht zu entdecken sind.
Ein großes Lob an Church & Sound auch für den Mix der Musik. Die schwierige Aufgabe eine elektrisch verstärkte Band in der akustisch sozusagen selbst tragenden mittelalterlichen Kirche sauber zum Klingen zu bringen wurde souverän gelöst.



Schon kurz nach Beginn des Konzertes wurde deutlich, dass der eine oder andere Besucher seine Erwartungen korrigieren musste. Zwei oder drei ältere Damen, die bei Paul Gerhardt offenbar nicht mit einem kräftig zu Werke gehenden Schlagzeug gerechnet hatten und sich der Sicht wegen in die vorderen Reihen gesetzt hatten, brachten sich weiter hinten in Sicherheit, als die Sarah Kaiser Band mit „Die güldene Sonne“, das in ihrem Arrangement in lebhafte karibische Rhythmen gekleidet ist, etwas kräftiger aufdrehte. Einen Run auf die Ausgangstür hat es aber nicht gegeben. Die zwei, drei Gäste, die nach einer knappen Stunde in den Spandauer Abend entwichen, hatten wohl einfach eine etwas kürzere Konzertdauer erwartet.
David Jakobi - Heftiger Punch im Schatten der Kanzel

Auch die Sarah Kaiser-Novizen, mit denen ich nach dem Konzert sprach, waren von der Art und Weise, mit der die Berliner Jazz-Sängerin die jahrhunderte alten Klassiker neu zu Glänzen bringt sehr beeindruckt. Dabei stand das Konzert eine Zeit lang auf der Kippe. Eine Erkrankung war Sarah Kaiser auf die Stimme geschlagen und hatte bereits einige Tage zuvor das CD-Release-Konzert der Berlin Voices, mit denen sie Billy Joel Songs covert, in Frage gestellt. Aber Sarah hat beide Konzerte mit Bravour bewältigt.
Intensiv und mit Charisma wurden die gefühlvollen und lebendigen Seiten, die nachdenklichen, tröstlichen und lebensfrohen Seiten der teilweise noch im 30-jährigen Krieg entstandenen Texte vorgetragen.
Zur Verlebendigung der Texte trugen auch die einfühlsamen Ansagen Sarah Kaisers. Mit sehr persönlichen Bekenntnissen erklärte sie, warum eine junge Frau sich im 21. Jahrhundert mit den frommen Liedern Gerhardts beschäftigt. Ohne frömmelnd oder gar missionarisch zu wirken gerieten einzelne Ansagen zu Kurzpredigten von einer Tiefe, wie man sie sich auch am Sonntagmorgen öfter einmal wünschen würde.
Was eine richtige Band ist, durften auch Solo-Einlagen nicht fehlen, Hier wusste vor allem Drummer Daniel Jakobi zu überzeugen. Auch wenn sein kraftvoller Punch direkt unter der reich verzierten Kanzel dann dich für das ein oder andere Kopfschütteln sorgte.

Besetzung
Sarah Kaiser (Gesang)
Sammy Jersak (Piano)
Martin Simon (Bass)
Daniel Jakobi (Schlagzeug)
Bereits am Vormittag hatte sich die Band warm spielen können. Vor rund 500 Jugendlichen hatte sie den musikalischen Teil des Schülergottesdienstes zum Reformationstag übernommen, der von Schülern einer 10. Klasse der Wolfgang-Borchert-Oberschule gestaltet worden war. Sie hatten sich im Religionsunterricht mehrere Wochen lang mit dem Kirchenliederdichter beschäftigt und Aspekte seines Lebens in zwei Anspielen dargestellt. Darin eingebunden waren Kurzpredigt und die von der Sarah Kaiser Band vorgetragenen Gerhardt-Lieder.

„Das ist wohl nicht ganz die Musik für die Schüler gewesen,“ meinte ein Konzertgast am Abend angesichts des Alterdurchschnitts des Publikums. Ich habe da meine Zweifel. Zumindest war am Morgen wesentlich mehr vom Live-Feeling eines Rock/Pop/Jazz-Konzertes zu spüren, als am Abend. Im Gegensatz zum dem Konzertpublikum, das eher betrachtend genoss, gingen die Schüler streckenweise toll mit. Obwohl im Gottesdienst insgesamt nur fünf Stücke gespielt wurden, schaukelten sich Gemeinde und Band gegenseitig richtig hoch, so dass Sarah Kaiser stellenweise mit einer Energie ins Mikro schrie, wie ich es bei ihr noch nicht erlebt habe. Hier passte es; am Abend hätte es aufgesetzt gewirkt. In beiden Fällen agierte Sarah absolut stimmig. Ein tolles Beispiel dafür, dass ein Konzert mehr ist, als der Vortrag eins Künstlers, sondern immer aus der Interaktion zwischen Musikern und Publikum besteht.

Gottesdienst und Konzert im Namen von Paul Gerhardt und mit der Musik von Sarah Kaiser - ein passender ahmen für den Reformationstag im Jahre des 400. Geburtstags des Dichters.


Norbert von Fransecky



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