Mahler, G. (Eschenbach)
Symphonie Nr. 6
NICHT AUSGEREIZT
Was an dieser Produktion sogleich beeindruckt, ist der trotz des rieisgen Orchesterapparts transparente, dennoch satte Klang, der einem aus den Boxen entgegenschlägt. Es ist wahrlich nicht einfach, den echten Mahler-Sound vom Konzertsall ins Wohnzimmer zu transportieren, aber was die Techniker des finnischens Lables Ondine hier geleistet haben, ist verblüffend.
Nicht ganz so neuartig ist dann aber die Interpretation, die Christoph Eschenbach liefert. Mahlers Sechste, die alle Abgründe der menschlichen Existenz durchschreitet und in ihrer Unerbittlichkeit den Beinamen "Die Tragische" redlich verdient hat, ist eine seiner orchestral und thematisch vielgestaltigsten Symphonien.
Diese Vielschichtigkeit entgeht Eschenbach zu häufig. So denkt er den Eingangssatz nahezu ausschließlich vom einleitenden, stets wiederkehrenden Marschthema her. Das lyrische zweite Thema, das sog. Alma-Motiv, in Dur entfaltet er daher nicht in der dahinströmenden Schönheit, die erst den notwendigen Kontrasteffekt hervorruft. Auch über die ironischen Wendungen und motivischen Brechungen, die geisterhaften und unheimlichen Passagen geht Eschenbach zu glatt hinweg und arbeitet sie nicht präzise heraus. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass er das einmal (und im Ansatz klug) gewählte Grundtempo zu starr beibehält.
Im Scherzo kommt Eschenbach, der diesen Satz entsprechend Mahlers ursprünglichem Konzept an zweiter Stelle bringt, der Spielanweisung "wuchtig" umfassend nach, wenngleich er die Aggressivität im Vergleich zum ersten Satz nicht deutlich steigert. Das Andante gestaltet er demgegenüber berückend sanglich.
Im Finalsatz streicht Eschenbach zwar wiederum einzelne Passagen pointiert heraus. Den ins Rauschhafte übersteigerten Charakter und den Tumult der Ideen des Finales reizt er aber nicht aus. Die Frucht seiner kontrollierten, nüchternen Interpretation ist eine erstaunliche Durchhörbarkeit des Orchestersatzes, die aber mit dem Verlust zahlreicher Effekte erkauft wird und auf Kosten der Expressivität geht.
Das Philadelphia Orchestra, bis zu Eschenbachs Einstieg als Musikdirektor dort nicht eben als ein in Sachen Mahler spezialisierter Klangkörper hervorgetreten, bietet eine gute, nur im Kopfsatz durch ein paar verunklarte Einsätze getrübte Gesamtleistung und einen bemerkenswerten Klangfarbenreichtum. Insofern wird man dort gewiss bedauern, dass Eschenbach nach neuesten Pressemeldungen das Orchester bereits zum Ende der Saison 2007/2008 wieder verlassen will.
Da aufgrund der von Eschenbach eher ruhig gewählten Grundtempi mit einer CD nicht auszukommen war, hat man sich genötigt gesehen, die ansonsten nur 30minütige zweite CD durch eine Zugabe aufzuwerten. Hier tritt Eschenbach als Pianist in Erscheinung und präsentiert den Klavierquartettsatz in a-moll, den Mahler im Alter von nur 16 Jahren komponierte. Das Stück hat mit der sechsten Symphonie nicht nur die Tonart gemein, sondern auch die Konsequenz, mit der das Hauptmotiv - wenngleich in sehr viel träumerischer Weise - den ganzen Satz über fortgeführt wird.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
Symphonie Nr. 6 in a-moll CD I 1 Allegro energico, ma non troppo 23:34 2 Scherzo 13:11 3 Andante moderto 17:23
CD II 1 Finale (Allegro moderato) 30:38 2 Klavierquartettsatz a-moll 13:23 |
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Besetzung |
The Philadelphia Orchestra
David Kim, Violine Choong-Jin Chang, Bratsche Efe Baltacigil, Cello Christoh Eschenbach, Klavier
Ltg. Christoph Eschenbach
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