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"Hätte ich lieber was studieren sollen?" - CHIMA




Info
Gesprächspartner: Chima Onyele

Zeit: 03.11.2005

Ort: Bamberg, Konzerthalle

Interview: Face 2 Face

Stil: HipHop

Internet:
http://www.chima-online.de

Nach seinem Auftritt nahm sich Chima für die MAS Zeit und beantwortete trotz Schulterklopfen und Fanrufen, die seinen Auftritt würdigten, geduldig die Fragen. Mit seiner Single und neuem Album im Gepäck gab es Einiges zu bereden...

MAS:
Erste Frage nach diesem Konzert muss ja sein, wie du es erlebt hast?

Chima:
Ich hab's sehr sehr schön erlebt. Ich hatte eine sehr intensive Begegnung mit dem Bamberger Publikum. Aber die waren anscheinend sehr offen für mein Zeug und haben mir sehr viel Liebe gegeben. Insofern war es für mich relativ einfach mein Programm zu spielen und da was rauszukitzeln.

MAS:
Ein Song auf dem Album heißt ja "Lampenfieber", das sich allerdings auf die Liebe bezieht. Aber ist es beim Konzert denn auch vorhanden?

Chima:
Lampenfieber vor einem Konzert? Wenn ich ehrlich bin: nicht wirklich. Also die zwei Sekunden oder zwei Minuten vor dem Gig ist es natürlich schon so, dass man sich so Grundsatzfragen stellt, die dann vollkommen unangebracht sind, wie: "Soll ich das tun?... Ist das der richtige Platz?... Hätte ich nicht lieber etwas studieren sollen?" Aber wie gesagt, zwei Minuten sind 120 Sekunden und dann ist es auch schon wieder verflogen, weil du dann auf die Bühne gekickt wirst und wenn du dann die ersten Akkorde angestimmt hast, dann ist des alles weg.

MAS:
Ich hab gelesen, das du bei deinem ersten Album alles ganz alleine gemacht hast. Ist das richtig? Wie war das bei deinem jetzigen Album?

Chima:
Man muss dazu sagen, ganz alleine klappt es natürlich nicht. Ich hatte natürlich auch Helfer beim ersten Album. Efe von den FFMC´s war irgendwie immer meine rechte Hand und hat mir durch die Produktion geholfen, also wirklich durchweg die Produktion über geholfen. Es war nur einfach so, dass ich für die meisten Tracks verantwortlich war, oder hauptverantwortlich gewesen bin. Während ich mir diesmal viel Verantwortung geteilt habe, mit befreundeten Produzenten-Teams, die dann ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass die Platte eine Runde, Große wird. Dass ich einfach ein Stück weit mehr rumgereist bin innerhalb Deutschlands, um das Beste zu akquirieren an Beats und an Musik, was zur Zeit in meinem Rahmen war und für das, was ich so machen wollte, notwendig war. Das hat sich geändert. Das heißt: Es gab vier, fünf Produzenten-Teams, die eigene Sachen beigesteuert haben, aber am Ende war es dann doch wieder so, dass ich Arrangements und so was doch wieder alleine durchgesetzt habe.

MAS:
Als ich zum ersten Mal deinen Namen gehört habe, habe ich nicht nur an dich als Solokünstler gedacht, sondern auch als Teil von den Brothers Keepers. Wie wichtig war dir das und wie ordnest Du das jetzt ein, wenn Du solo unterwegs bist?

Chima:
Ich war immer solo und ich bleib auch solo. Und ich war auch solo, als ich mit den Brothers Keepers kollaboriert habe. Es war einfach nur so, dass viele Solokünstler sich für 'ne gute Sache zusammengeschlossen haben, in unseren Augen. Und das haben wir zweimal getan. Aber das immer als Solokünstler. Es gab die Gruppe Brothers Keepers für mich nicht – es gab das Kollektiv, das Künstlerkollektiv, das ja auch variierte. Das hat man ja auch gesehen bei den beiden Singles "Bereit" und "Adriano". Je nachdem was für ein Anlass gerade eben angedacht war. Deswegen ich war damals Solokünstler, bin es nach wie vor, die Brothers Keepers-Geschichte war mir wichtig zu dem gegebenem Zeitpunkt, als ich es gemacht habe und ich glaube als Idee ist es mir nach wie vor sehr, sehr wichtig. Aber meine Solokünstlerkarriere steht im Vordergrund.

MAS:
Wenn man sich so umschaut, gibt es viele sehr junge Künstler. Da ist auf den ersten Blick dein Werdegang etwas untypisch. Wie würdest Du das aus Deiner Sicht beschreiben?

Chima:
Untypisch inwiefern?

MAS:
Wenn du siehst, dass Leute mit 16, 17, oder 18 schon Musik machen – und ich spreche jetzt nicht von Tokio Hotel oder so Extremen – aber denkst Du, ohne dass du das so richtig bewerten kannst, dass das gut klappen kann? Oder musst du für dich sagen, dass es für dich der ideale Werdegang war, also dass du schon eine gewisse Lebenserfahrung vorweisen kannst mit deinen 32 Jahren?

Chima:
Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich mir gewünscht haben, dass ich zu einem früheren Zeitpunkt fokussierter gewesen wäre und das irgendwie eher vorangetrieben hätte. Aber das ist so "woulder, shoulder, coulder". Es ist halt nicht so gekommen, ich hab vieles Andere auf meinem Weg mitgenommen, also jede Menge andere Erfahrungen erleben dürfen. Durchleben dürfen und Schlüsse daraus ziehen dürfen. Das wiederum kommt mir dann heute wieder zugute als Solokünstler, der in meinen Augen sehr gereift auch ist aus den diversen Erfahrungen, die ich gemacht habe. Ich war beim Major, ich war bei einem ganz kleinen Label ganz am Anfang, ich war in einer Formation, einer Gruppe, dann war ich englischsprachig. Hab dann auf die Gruppe irgendwann verzichtet und auch die deutsche Sprache für mich wieder entdeckt. Lauter solche Geschichten, das ist ja alles ein Teil meiner Biographie, auch ein Teil meiner musikalischen Biographie. Diese Faktoren drücken sich auch in diesem Album sehr stark aus. Ich glaube, dass ich für eine gewisse Eigenständigkeit stehe, was diesen Weg anbetrifft. Ich kann meinen musikalischen Weg nicht ganz genau definieren, aber er steht auf jeden Fall für Eigenständigkeit. Ich mach halt mein Ding und ich glaube, dass ich dieses Selbstbewusstsein aus der Biographie ziehe. Insofern für mich persönlich war das der Gangbare Weg, andere schaffen das Früher, wieder andere brauchen dafür noch viel länger und ob das am Ende gut ist oder nicht, das steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt, weil man dann echte Grundsatzdiskussionen vom Zaun brechen müsste: Wo ist das Gute und wo ist das Schlechte angesiedelt.

MAS:
Zu deiner neuen CD muss man einfach fragen, wenn man die zwei Namen hört [Chima nickt sagt: Patrice und Xavier...]... Hat sich das spontan ergeben, oder war es für Dich klar, dass du mit anderen Künstlern arbeiten willst?

Chima:
Ursprünglich hatte ich es gar nicht vor, ich wollte ursprünglich eine klassische Soloplatte machen. Also irgendwann gab es mal den Gedanken, aber am Ende war es doch so, dass ich z.B. mit Patrice sehr viel rumhänge, wenn wir die Gelegenheit haben uns zu sehen, da er ja auch in Deutschland lebt. Bei so einer Session hatten wir dann die Idee, wenn er mir dann sowieso schon geholfen hat, dann kann er auch gleich mit partizipieren. Und dann haben wir das Ding gemeinsam gemacht. Und die Nummer mit Xavier, wir hatten auch super viel miteinander zu tun. Ich war bei ihm auf Tour, also im Vorprogramm vor Ewigkeiten und es war eine sehr herzliche Begegnung zwischen uns beiden und dieser eine Song, bei dem er mit dabei ist, da bot es sich einfach an. Nachdem ich die Rohversion von dem Song zum ersten Mal gehört habe, da war mir klar, dass der Song mit Xavier zusammen was ganz Besonderes hätte und dass dieser Song ein Stück weit auch nach Xavier schreit. Also hab ich den Xavier gefragt und er hat sich dazu bereit erklärt. Das war auch die Geburtsstunde für die zweite „Kollabo“. Also es ist in meinen Augen beides sehr organisch gewachsen, aus organischen Beziehungen gewachsen und so fühlen sich die Tracks dann für mich auch an. Es ist nicht aufgesetzt, ich hab die jetzt nicht aus strategischen Gründen dazu beordert oder eingekauft, sondern es war einfach so: Wir kennen uns sowieso und haben einfach Bock aufeinander.

MAS:
Ich hab noch ein Zitat aus dem Song "Haus und Heimat": "Egal ich renn weiter mit dem Kopf durch die Wand und wenn sie nicht fällt hab ich doch getan was ich kann". Glaubst du, dass irgendwann der Punkt kommt, wo du mit Deiner Musik das, was du für dich oder auch für Andere erreichen wolltest, erreicht hast, also "die Mauer fällt"?

Chima:
Davon bin ich überzeugt. Vielleicht kommt das mit dem Zitat nicht ganz zum Ausdruck, aber so ein Zitat ist natürlich auch nur ein Fragment aus einem Album. Mein Beweggrund zu 3p zu gehen, mit denen zusammen eine Platte zu machen, sehr konzentriert an dieser Kampagne zu arbeiten war in letzter Konsequenz eben diese Überzeugung, das ich damit Großes erreichen kann und man sich eben überlegen muss, über welche Allianzen man das am sinnvollsten tut. Deswegen, ich bin fest davon überzeugt, dass das was ich mache irgendwie, irgendwo ankommt, das besinge ich ja auch in dem Titel „Ich erreich Dich“ und das es eine Notwendigkeit dafür auch gibt. Insofern ja, die Mauer wird fallen, wenn sie nicht gerade eben fällt.

MAS:
Vielen Dank Chima.


Alexander Kitterer



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