Helmut Wenske / FANTASYY FACTORYY - Paintings From Inner Space
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Dass dieses Mal der Albumtitel als Leitsatz für einen Artikel her halten muss, hat wohl seine Gründe, drückt doch gerade Paintings From Inner Space (Ohrwaschl) all das aus, was das fünfte Werk von Alan Teppers Fantasyy Factoryy beinhaltet. Zusammen mit dem Maler, Rebell, ‚Rock’n Roll Tripper‘ und selbsternannten Außenseiter Helmut Wenske kreierte er ein Kunstwerk in Musik und Bild, daß in heutiger Zeit sicher einmalig genannt werden kann. Die Platte in 180g Vinyl, ein Klappcover mit Bildern des Künstlers Wenske (soeben auch als aufwendige Digi-Pack-CD erschienen), der vor allem in den 70ern durch die Gestaltung beeindruckender Plattenhüllen und Einbänden von vor allem Büchern aus dem Bereich Science Fiction zur Berühmtheit gelangte und ein überdimensionales Poster sind in Zeiten von Slogans wie ‚Billig, will ich‘ auf jeden Fall eine Ausnahme. Und einmal mehr beweist der Ausnahmegitarrist Alan Tepper auf seiner neuen Platte, dass er wiewohl in einem Atemzug mit Gitarristen wie Uli John Roth oder Frank Marino genannt werden kann. Nun aber zu den O-Tönen:
MAS: Die erste und auf den Nägeln brennende Frage an euch ist, wie sich zwei Ausnahmetalente, wie ihr es seid, über den Weg laufen konnten?
Helmut Wenske: Das lief über einen gemeinsamen Bekannten, den Werner Fuchs, der mich auf den Alan aufmerksam machte und den Alan auf mich. Und da Alan in einer Musikzeitschrift schon mein Buch ‚Scheiß drauf‘ besprochen hatte, kamen wir irgendwie in Kontakt. Er hat mir von sich dann zwei LP’s zugeschickt, die mir überaus gut gefielen und ich eigentlich froh gewesen wäre, wenn ich den Alan schon in den frühen 70ern getroffen hätte, wo ich für einige Bands wie beispielsweise Nektar die Cover entworfen habe. Ich muß auch zugeben, daß er mich selbst auch wieder auf meine Sachen aus den 70ern aufmerksam machte, von denen ja auch die Coverabbildungen stammten und die mich in der letzten Zeit wirklich einen Scheißdreck interessiert haben. Im Endeffekt war es ja so, daß ich die Malerei, für die sich Alan interessiert hat, innerhalb von zehn Jahren bis Ende der 70er gemacht habe. Man könnte das sogar auf sieben Jahre reduzieren. Zu dieser Zeit war ich, als ich meine Bilder malte, immer bekifft oder anderweitig berauscht, so daß in dieser Situation viel mehr im Kopf abging als sonst. Und irgendwann kommt der Punkt, da fragst du dich, für wen du überhaupt malst. Denn das, was du letztendlich zu Papier bringst, ist nur ein Bruchteil von dem, was dir während des Malprozesses durch den Kopf geht. Dann kam die Zeit, in der ich nur noch wenig oder überhaupt kein Interesse an der Malerei hatte und nun, seit neun Jahren, habe ich keinen Pinsel mehr in die Hand genommen. Aber Alan war im Endeffekt daran schuld, daß ich mich mit dem Zeuchs überhaupt wieder befasst habe und in einem Abstand von dreißig Jahren finde ich es schon erstaunlich, was damals so aus meinem Kopf herauskam. Ich würde das aber heute nicht mehr machen und auch in dieser Art nicht mehr malen. Das war ein Teil von meinem Leben, danach habe ich Bücher geschrieben und Konzerte veranstaltet. Alan Tepper: Für mich war die Bekanntschaft mit Helmut ein reiner Glücksfall gewesen. Ich kannte natürlich schon einige Sachen von ihm, wie zum Beispiel seine Cover für Nektar, und muß zugeben, daß die mich schon immer unheimlich beeindruckt haben, weil die einfach eine Tiefe haben, die man nur selten in dieser Intensität hat. Und dann haben sich wohl irgendwie auch die Richtigen getroffen. Er mag meine Musik und ich mag seine Bilder
MAS: Helmut, somit waren gerade die Siebziger, was den Output anbelangt, deine effektivste Zeit?
Helmut Wenske: Ja, und dieser Output war vor allem in den ersten drei Jahren, von 1970 bis 1973, wo ich 50 bis 60 Bilder gemalt habe, am stärksten. Danach hat sich die Malerei und somit meine Bilder geändert und Anfang der 80er habe ich schließlich nur noch fotorealistisch gemalt. Alan Tepper: Ich muß dazu sagen, daß für mich die Siebziger auch die entscheidendste Zeit für meine Einflüsse sind. Ich höre auch grundlegend nur die alten Sachen. Zwar gibt es hin und wieder auch neue gute Gitarristen, aber, meine Güte, wieso soll man sich nicht direkt von den Wurzeln des Rock seine Inspiration holen?
MAS: Alan, auffallend an deinen Veröffentlichungen der letzten Zeit war, daß diese nur noch auf Vinyl erschienen? Heißt das, retro bis zum geht nicht mehr?
Alan Tepper: Ich denke, daß beim Vinyl einerseits der Klang erheblich besser ist als bei der CD. Die Musik klingt um einiges organischer und ein ganz großes Argument für das Vinyl sind die Cover. Hier kann man sich wirklich richtig ausleben und ausdrücken, was bei der CD eigentlich immer zu kurz kommt. Vielleicht gibt es keine Leute mehr, die ein aufwendiges Cover hinbekommen, da hierzu eine gewisse Sensibilität gehört, die heute einfach nicht mehr vorhanden ist, weil sich die meisten Leute auf den Computer konzentrieren und hierauf Grafiken machen.
MAS: Ein weiterer Grund mag auch darin zu suchen sein, daß Musik und Cover schon lang keine Wechselwirkung mehr eingehen, weil die meisten Leute sich die Songs sowieso nur aus dem Netz ziehen oder brennen, so daß schon irgendwie alles farblos geworden ist. D.h. Musik als Massenware, die nichts mehr wert ist.
Alan Tepper: Das stimmt auf jeden Fall und motiviert auch nicht gerade dazu, weiterhin Musik zu machen. Aber wir haben noch eine zweite Folge mit Wenske-Motiven geplant, die dann genauso aufwendig gestaltet werden soll wie die „Paintings From Inner Space“. Somit kann man die beiden Platten dann als geschlossenes Ganzes sehen. Wobei hier die etwas düsteren Bilder von Helmut Wenske verwendet werden sollen und die Musik auch dementsprechend etwas düsterer wird. Auf jeden Fall muß man das neue und kommende Album als Gesamtkunstwerk sehen, da Musik und Bilder hierauf eine untrennbare Wechselwirkung eingehen.
MAS: Helmut, aber ein Indiz dafür, daß du deine frühen Bilder nicht komplett für Teufelszeug hältst ist doch der, daß du diese schließlich für das Cover zu „Paintings From Inner Space“ freigegeben hast?
Helmut Wenske: Dem Alan hat es was bedeutet und der Umstand, daß sich jemand nach dreißig Jahren mit dem Material befasst, um hier Songs heraus zu kreieren, das ist schon der Wahnsinn. Ich kann mir vorstellen, daß die Wirkung auf Alan schon enorm war, sonst hätte er bestimmt nicht solche Musik gemacht. Ich selbst empfinde heute beim Betrachten meiner Bilder eigentlich nicht mehr das Gleiche wie ich früher, als ich sie gemacht habe.
MAS: Trotzdem warst du auf dem Buchmarkt mit deinen Illustrationen recht begehrt?
Helmut Wenske: Ja, schon, aber das hat sich eher sekundär ergeben. Im Grunde genommen war es doch so, daß ich in erster Linie für mich gemalt habe und als ich damit fertig war und ich das dann kommerziell ausnutzen konnte, habe ich das natürlich gern getan. Zufälligerweise hat es sich auch ergeben, daß ich an renommierte Verlage wie Suhrkamp und Insel kam, obwohl ich nie in Bezug auf die Bücher, die mit meinen Bildern bestückt wurden, gemalt habe. Ende der 70er habe ich dann wirklich direkt einmal ein Bild für ein Buch von Phillip K. Dick gemalt, aber der hat mir als Autor schon immer eine Menge bedeutet. Hinterher habe ich schon einige Bücher gelesen, die mit meinen Bildern versehen wurden. Beispielsweise auch Lem. Aber irgendwann habe ich das dann aufgegeben, weil mich dessen hochgeistige Purzelbäume weniger beeindruckten als Dicks eher emotional eingefärbte Geschichten. Oder Nektar, mit denen ich damals befreundet war. Das einzige, was ich wußte war, daß ihr Album „Remember The Future“ heißen sollte. Und so habe ich, nur von dem Albumtitel inspiriert, angefangen loszumalen. Und die Band selbst ließ sich ihrerseits von meinem Motiv zu ihrer Platte inspirieren und machten einen Song daraus. Aber das sind alles Sachen, die sich nebenbei ergeben haben.
MAS: Eure Zusammenarbeit beschränkt sich aber nicht nur auf die Platte selbst?
Helmut Wenske: Nein, ich hatte vor kurzem in Hanau eine Aus - stellungseröffnung mit Bildern von mir, wo der Alan mit seiner Band spielte und Alan hat vor, bei seinen nächsten Auftritten meine Bilder auf Großleinwand zu projizieren, sozusagen als Unterlegung für seine Musik.
Alan Tepper: Außerdem erscheint die nächsten Tage eine DVD mit Wenske-Bildern und Musik von Fantasyy Factoryy.
MAS: Helmut, kannst du dir vorstellen, dich trotzdem noch einmal nach dieser langen Zeit motivieren zu lassen, einen Pinsel in die Hand zu nehmen?
Helmut Wenske: Ich lasse mich da von absolut niemandem motivieren, weder für Kohle noch für sonstwas. Ich leben total frei. So weiß ich auch nicht, ob ich auch jemals wieder einen Satz für ein Buch schreiben werde. Zwar habe ich schon noch vor, einen Band mit Shortstories zu schreiben, die Geschichten hierfür habe ich auch schon im Kopf, aber das hängt davon ab, ob ich auch Lust darauf habe.
MAS: Wie kamst du eigentlich zur Malerei?
Helmut Wenske: In den frühen Sechzigern spielten in Hanau eine Menge Indo-Band, bei denen immer die Hölle abging. Und durch diese bin ich dazu gekommen, in den Bars, wo die aufgetreten sind, Reklameplakate zu machen. Und innerhalb kürzester Zeit hatte ich für die drei/vier wichtigsten Bars in unserem Kaff die Reklame gemacht, konnte dann dort umsonst saufen und habe das Geld auch Cash auf die Griffel bekommen. Irgendwann habe ich dann für die Girls in Stripteaselokalen die Rückwände sowie Bühnenkulissen gemalt, Fenster dekoriert, Grabkreuze beschriftet und auch Pornos illustriert. Das waren überhaupt die ersten Bücher, die ich illustriert habe. Und da habe ich den Scheiß auch nicht gelesen. Beispielsweise habe ich hier zwölf Zeichnungen machen sollen, drei anal, drei oral, drei horizontal und drei vertikal, wobei es auch hier die Kohle Cash auf die Hand gab. Das war dann Ende der 60er gewesen. Das war schon eine heiße Zeit damals.
Carsten Agthe
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