Erwarte das Unerwartete: Sunny A.M. im KuBa Jena
Manchmal muten Tourpläne ein wenig komisch an, so auch derjenige der ersten internationalen Gastspielreise von Sunny A.M.: Der Booker bringt es nämlich fertig, das schwedische Quartett innerhalb von vier Tagen gleich dreimal in der mittelthüringischen Städtekette spielen zu lassen – in Erfurt, in Weimar und (nach einem zwischengeschalteten Gig in Leipzig) auch noch in Jena. Nun herrscht unter den thüringischen Städten ja eine gewisse Rivalität (nicht nur beim Fußball zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und dem FC Rot-Weiß Erfurt, selbst wenn beide aktuell in den Niederungen des Ligabetriebs herumdümpeln), und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der einen der ersten beiden Gigs gesehen hat, gleich nochmal zu einem solchen geht, dürfte sich in überschaubaren Grenzen halten. Andererseits ist es sowieso relativ gewagt, die Formation gleich mal auf Headlinertour zu schicken – zwar handelt es sich um ein Seitenprojekt der bereits seit einer Dekade aktiven und nicht ganz unbekannten MaidaVale, aber an veröffentlichtem Material von Sunny A.M. existiert bisher nur eine einzige EP namens All The Lights On mit vier Tracks. So hält sich der Füllstand des Kulturbahnhofs an diesem Donnerstagabend dann auch in relativ überschaubaren Grenzen – aber immerhin erleben alle Dagewesenen einen doch ziemlich interessanten Gig. Zwar mutet die Ankündigung, Sunny A.M. klängen „wie ein Licht in der Dunkelheit“ (so der O-Ton der Band), anhand des in den knapp 70 Minuten Spielzeit zu Hörenden etwas merkwürdig an, aber Freude beim Hören empfinden kann man allemal, wenn man auf eine eigenartige Mischung aus Rock, Wave, Psychedelic und noch einigem Artverwandtem steht, auch wenn hier keineswegs die Sonne ungetrübt vom Himmel scheint, sondern durchaus ein gewisser nachdenklicher Gestus integriert ist, nicht zuletzt in den verträumten Vocals von Sängerin/Gitarristin Joana. Dass man in „August“ die Ostrocklegende Lift einflußtechnisch durchschimmern wahrzunehmen glaubt, dürfte zwar musikalisch stichhaltig, aber logistisch wenig wahrscheinlich sein – deren Bekanntheitsgrad in Schweden wird sich in überschaubaren Grenzen halten. Dieser Song und das darauffolgende „L.O.V.E.“ gehören zu den wenigen, in denen Gitarrist Joakim bevorzugt oder ausschließlich in das vor ihm stehende Tasteninstrument greift, das ansonsten für das Abrufen einiger Samples genutzt wird, wobei der Fokus aber klar auf der Saitenarbeit liegt, was Bassistin Linn ausdrücklich einschließt, die nicht nur wichtige Grundierungsfunktionen erfüllt, sondern hier und da auch mit eigenständigen Linien in ein polyphones Geflecht eingebunden ist. Mit „Mar“ ist eine ziemlich flotte Nummer dabei, an Position 8 die erste mit einer höheren Schlagzahl seit den beiden Openern „Underwater“ und „Tomorrow“ – zwischendurch nimmt das Quartett das Tempo ziemlich heraus, zieht die Klänge in die Breite, wird episch, teilweise auch fragil, bisweilen etwas wavig und recht emotional. Das einzige Problem, das zu konstatieren ist, stellt der Aspekt dar, dass einige Songs etwas plötzlich enden und man irgendwie das Gefühl nicht loswird, ihre Geschichte sei noch nicht auserzählt, was gleich auf mehrere dieser epischeren Stücke zutrifft, wo man sich gerade so richtig schon hineingegroovt hat und plötzlich der Song schon wieder zu Ende ist, wobei die reine Spielzeit gar nicht so kurz ist – aber man hätte sich eben auch die doppelte Länge mit noch größeren Instrumentalabfahrten vorstellen können. Die wenigen Ansagen übernimmt zum großen Teil Joakim, der auf der EP noch gar nicht mit dabei war. Ob letzteres ein Grund für ein weiteres Kuriosum ist? Schaut man nämlich auf die Setlist, stellt man fest, dass von den vier EP-Tracks nur „Underwater“ im Set steht, sowohl hier wie auf Konserve als Opener. Der Rest des Abends besteht also komplett aus noch unveröffentlichtem Material, in einem Fall hat der Song noch gar keinen Namen, und auch Bezeichnungen wie „Bass“ oder „Mac“ könnten eher Arbeitstitel als schon finale Entscheidungen sein. Möglicherweise wird der eine oder andere Song auf der zu erwartenden nächsten Konserve dann also noch etwas anders klingen als an diesem Abend – und vielleicht ist er auch ein wenig ausladender. Da freilich anhand der geringen Zahl an bereits veröffentlichten Songs davon auszugehen war, dass viel Unbekanntes gespielt würde, hat sich das Publikum offenkundig darauf eingestellt, das Unerwartete zu erwarten, zeigt sich durchaus angetan und fordert nach dem Setcloser „Badass“ Zugaben ein. Die einstudierten Eigenkompositionen sind aber mit dem regulären Set erschöpft, gibt Joakim bekannt (man hat die anderen drei EP-Tracks also offenkundig von vornherein nicht für eine Darbietung auf der Tour vorgesehen), und so erklingt noch ein Cover von „Goo Goo Muck“, einer 1981er Nummer von The Cramps, die nochmal richtig Hörspaß macht und ein interessantes, mit gutem Klanggewand versehenes Konzert abschließt. Wenn Sunny A.M. tatsächlich mal groß rauskommen sollten, können die geschmackssicheren Anwesenden dieses Abends also mit Fug und Recht behaupten, von Anfang an dabeigewesen zu sein. Setlist: Underwater Tomorrow August L.O.V.E. Bass Mac New Song Mar Waves Jap Disco Badass -- Goo Goo Muck Roland Ludwig |
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