Blind Guardian in Jubiläumslaune: Tour vom Klassiker "Somewhere Far Beyond"
Ursprünglich war die Tour schon für 2021 geplant gewesen, wegen Corona musste sie leider verschoben werden. Es spricht für Blind Guardian, dass sie trotz des kürzlich erschienenen Albums The God Machine die Jubiläumstour des Albums Somewhere Far Beyond nachholen. Das Album hat für mich eine besondere Faszination. Ganz einfach deswegen: Es war das erste Blind-Guardian-Album, mit dem ich in Kontakt gekommen bin. Und ein Großteil der Songs hat mich damals schon ziemlich begeistert. Daher finde ich eine komplette Aufführung des Meilensteins eine gute Sache. Ich war seit 2019 nicht mehr im Backstage und muss meine Mitfahrer tatsächlich fragen, ob die Halle früher nicht größer war? Nach dem Konzert einigen wir uns darauf: Die Halle war schon immer so groß... Da sieht man mal, was zwei Jahre Konzertabstinenz anrichten können! T-Shirts sind an diesem Abend auch zu haben. Aber weder die Qualität des Drucks noch der Preis überzeugen mich. 35 € für ein Shirt sind schon ein bisschen teuer. Das Backstage ist rappelvoll, der Gig seit Monaten ausverkauft. Blind Guardian schaffen es seit Jahren, ihre treue Fangemeinde bei der Stange zu halten. Das Publikum ist altersmäßig bunt gemischt, auch haben sich verhältnismäßig viele Frauen eingefunden. Eine Vorband gibt es nicht. Zur Einstimmung flimmert ein ca. 15-minütiges „Making Of“ des Albums Somewhere Far Beyond über die von einer Leinwand abgehängten Bühne. Es ist ganz nett, wenn man solche Einspieler mal zu sehen bekommt. Aber länger als diese 15 Minuten hätte es wirklich nicht dauern dürfen. Die Aufmerksamkeit ist nicht besonders groß unter den Konzertbesuchern, jeder will einfach nur die Band sehen. Die lässt sich auch nicht lange bitten und kommt zu „Time What Is Time“ auf die Bretter. Der Sound ist glasklar, druckvoll und transparent. Das Publikum macht vom Start weg eine hervorragende Figur und unterstützt die Krefelder aus Leibeskräften. Zwischen den Songs gibt es „Guardian, Guardian…“-Sprechchöre, der sprichwörtliche Funke springt sofort über. Sänger Hansi Kürsch genießt das Bad in der Menge. Seine Ansagen sind manchmal ein bisschen schräg und hintersinnig. Immer wieder nimmt er dabei geschickt das Tempo raus und plaudert ein bisschen. Seinen Mitmusikern verschafft er dadurch in der heißen Halle die eine oder andere Verschnaufpause. Hitze scheint der Band jedoch nicht wirklich viel auszumachen. Alle Musiker sind auf den Punkt topfit und legen eine wahre Meisterleistung ab. Angetrieben vom unermüdlichen Schlagzeuger Frederik Ehmke hauen sie eine Gitarrensalve nach der anderen raus. Dabei ergänzen sich Marcus Siepen und Lead-Gitarrist Andre Olbrich perfekt, es herrscht blindes Verständnis der beiden. Olbrich ist hochkonzentriert und bei bester Laune, jedes Solo ist ein kleines Meisterstück. Weiter geht’s mit „Journey Through The Dark“. Überraschungen darf hier zumindest in der ersten Hälfte keiner erwarten, da Somewhere Far Beyond komplett präsentiert wird. Das Klassiker-Material begeistert die Fans und es haut mich fast aus den Latschen, wie lauthals und textsicher mitgesungen wird. „The Bard’s Song“ ist der erste ganz große Gänsehautfaktor. Kürsch meint, dass er den Text gar nicht mehr so genau kennt, weil er ihn meistens singen lässt. Viel zu schnell ist dann auch schon der letzte Song „Somewhere Far Beyond“ da, die Zeit vergeht wie im Flug. Ein paar Fans ganz vorne stimmen auf einmal „Happy Birthday“ an. Das gilt Gitarrist Marcus Siepen, der heute Geburtstag hat. Kürsch bezeichnet die Gratulanten augenzwinkernd als „Streber“ und meint, dass er das eigentlich gerne selbst angekündigt hätte. Siepen nimmt es mit Humor und freut sich, dass jemand im Publikum an seinen Geburtstag gedacht hat. Das von Kürsch leidenschaftlich gesungene „Lord Of The Rings“ ist das zweite ganz große Highlight des Abends. Aber Zeit, sich darüber zu freuen, bleibt nicht. Mit „Nightfall“ geht es gleich weiter, das nächste Bombast-Stück wird auf das Publikum losgelassen. Kürsch singt den Abend über hervorragend und durchlebt die Stücke regelrecht. Mit „Violent Shadows“ wird ein Stück des 2022 erschienenen Albums gespielt. Hier schonen sich die Krefelder keineswegs. Das Ganze ist fast schon thrashig und könnte so auf einem ihrer frühen Platten stehen. Ich denke, dass der Härtegrad des Stückes einige Fans überrascht hat, abgefeiert wird er trotzdem. „Time Stands Still (At The Iron Hill)“ kommt ebenfalls bärenstark, hier hat das Publikum einmal mehr einen großen Auftritt. Überhaupt muss man sagen, dass die Fans heute Abend bei bester Laune sind und die Musiker immer wieder nach vorne peitschen. „And The Story Ends“ beendet den regulären Teil mit einem weiteren Hammersong. Ohne „Valhalla“ geht kein Blind Guardian-Konzert über die Bühne, so darf es auch heute keinesfalls fehlen. Den Abschluss bildet „Mirror Mirror“, bei dem die Fans im Backstage noch einmal alles geben. Mit Blick auf die Uhr wird mir schlagartig klar, dass die Urgesteine mittlerweile volle zwei Stunden gespielt haben. Diese Art von Musik über zwei Stunden zu präsentieren, ist schon eine Hammerleistung. Die Musiker sind bestens gelaunt, das Publikum ist total aus dem Häuschen. Man feiert sich gegenseitig und Kürsch bedankt sich für die tolle Unterstützung. Er bedankt sich beim Team des Backstage für die gute Organisation des heutigen Abends und dafür, dass sie während der schwierigen Corona-Phase durchgehalten haben. Besser kann man ein Konzert tatsächlich nicht aufziehen. Die Stimmung war grandios, die gebotene musikalische Leistung Spitzenklasse. Kürsch meint in einem Nebensatz, dass die Band nächstes Jahr wiederkommen wird und eine Tour zum neuen Album spielen wird. Alles andere hätte mich auch gewundert. Aber es ist genau diese Lässigkeit, die Kürsch und seine Truppe ausmacht. Das ist ehrlich, das ist authentisch – und das ist genau das, was ihren Fans so gut gefällt. Bitte weiter so! Setlist: Time What Is Time Journey Through the Dark Black Chamber Theatre of Pain The Quest for Tanelorn Ashes to Ashes The Bard's Song - In the Forest The Bard's Song - The Hobbit The Piper's Calling Somewhere Far Beyond Lord of the Rings Nightfall Banish From Sanctuary Violent Shadows Time Stands Still (At the Iron Hill) And the Story Ends --- Sacred Worlds Valhalla Mirror Mirror Stefan Graßl |
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