Karthago

Live at Rockpalast 2004 (CD & DVD)


Info
Musikrichtung: Bluesiger Krautrock

VÖ: 25.06.2021 (2004)

(WDR / MiG)

Gesamtspielzeit: 74:44


Vier Studio- und ein Live-Album haben Karthago zwischen 1971 und 1978 veröffentlicht. 2011/12 sind sie alle bei MiG wiederveröffentlicht worden – allerdings anscheinend in einer merkwürdigen Reihenfolge. Im April 2011 erreichte mich als erstes das 76er Live-Album Live at the Roxy. Es folgte im Dezember das zweite Album Second Step, im Januar 2012 Love is a Cake, das letzte Album der Band, das nach dem Live-Album mit völlig neuem Line Up in Trio Besetzung erschien, und dann im Oktober das Debüt Karthago. Rock’n’Roll Testament, das dritte Album der Band, hat mich aus heute nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen damals nicht erreicht – und fehlt daher auch in unserem Review-Archiv. Schade!

Jetzt schiebt das Label einen Rockpalast-Mitschnitt nach, der am 21. Dezember 2004 in der Harmonie in Bonn im Vorprogramm von Guru Guru aufgenommen wurde. Das Line Up ist bis auf zwei Neue, Vater und Sohn Rodriguez, wieder das alte und kann das etwas zwiespältige Live-Album, das fast dreißig Jahre zuvor erschienen war, um Längen schlagen.

Das im Rahmen eines mehrtägigen Krautrock-Festivals gespielte Konzert war offenbar nicht als Eintagsfliege geplant, sondern der Versuch einer echten Reunion. Karthago wollten damals neu durchzustarten. Fünf neue Stücke waren am Start und Sänger Joey Albrecht betont in seinen Ansagen mehrfach, sie würden auf einem neuen Album erscheinen. Das Album hat es allerdings nie gegeben und von ihm ist weder in dem Interview mit Joey Albrecht und Ingo Bischof, das auf der DVD enthalten ist, noch in den ausführlichen Liner Notes die Rede.

Karthago starten gleich mit einem neuen Song in die Nacht – und der ist repräsentativ für den weiteren erdigernBlues-lastigen Rock, der vor allem von den soeben bereits genannten Gründungsmitgliedern Joey Albrecht und Ingo Bischof geprägt ist. Dabei sorgt vor allem Bischof mit seiner groovenden Orgel dafür, dass außer der deutschen Herkunft in den 70ern etwas im Band-Sound auftaucht, was die Bezeichnung Krautrock zumindest ansatzweise rechtfertigt, wobei man sein Engagement bei Kraan nur sehr selten erahnt. Am stärksten noch bei „The second String Rambler“, dem einzigen Song, der vom Debüt gespielt wurde und den Albrecht in der Ansage als Schlüsselsong zum Verständnis von Karthago bezeichnet.

Das ist etwas überraschend, weil der Song mit seinem latent jazzigen Ansatz zumindest bei diesem Konzert eher allein dasteht. Deutlicher sind da schon Ausflüge in den AOR-Bereich – zum Beispiel bei dem ebenfalls neuen „My Friend George“, bei dem die Orgel wenig zu sagen hat, oder dem melodischen „Living like a Clown“, das mit etwas gutem Willen auch als Al Jarreau-Nummer durchgehen würde.

Die Mainstreet dieses Konzertes ist aber gut abgehangener Blues-Rock, bei dem mal die Gitarre von Albrecht, mal die Orgel von Bischof im Zentrum steht, der sich bei dem Friedenssong „We’re gonna keep it together“ auch mal mit einem Hammer-Piano in Szene setzen darf.

In der Regel wird der Blues-Rock auf der zweiten Silbe betont. Nur selten wird es so ruhig, wie bei dem sehr intensiven „Now the Irony keeps me Company“, das Chris Rodriguez mit einem längeren Bass-Solo einleiten darf.

Im Laufe der guten Stunde haben die Karthager ihre Rolle als Anheizer so gut erfüllt, dass das Publikum bei den Mitsingespielchen in der Zugabe brav mitmacht.

Kein schwaches Alterswerk, sondern vielleicht sogar der beste Ansatz, um mit der Band warm zu werden.



Norbert von Fransecky



Trackliste
1The World is like a burning Fire 3:59
2Rock'n'Roll Testament 5:27
3The second String Rambler 6:19
4My Friend George 4:19
5Living like a Clown 4:49
6Maybe another Time 3:11
7Now the Irony keeps me Company 6:26
8In the Midnight 4:55
9Rosie 9:01
10Queen of the Night 4:19
11Crazy Woman 5:45
12We gonna keep it together 9:06
13We give you Everything you need 7:05
14Interview17:36
Besetzung

Joey Albrecht (Voc, Git)
Rolo Rodriguez (Dr, Back Voc)
Ingo Bischof (Keys, Back Voc)
Chris Rodriguez (B, Back Voc)
Tommy Goldschmidt (Perc, Back Voc)



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