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Alter, Gesundheitszustand? Scheißegal! Zweieinhalb Stunden Hardrock-Power bei Y & T.
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Die US-Legende Y & T hat mit Alben wie Earthshaker, Black Tiger und Meanstreak drei fabelhafte Hardrock-Perlen produziert, die ihnen für immer den Platz im Rock-Olymp sichern werden. Die Band ist im Nürnberger Hirsch immer ein gern gesehener Gast und auch heute Abend ist der Saal gut gefüllt. Eine Vorband gibt es nicht, Y & T starten mit „On With The Show“, einem Song der neuesten Scheibe Facemelter.
Sound und Einsatz stimmen, die Truppe erwischt vom Fleck weg einen sehr guten Start. Dies ist umso verwunderlicher wenn man bedenkt, dass Dave Meniketti an dem Abend eine Wahnsinns-Erkältung mit sich herumschleppt. Statt einer Flasche Bier steht eine Tempobox auf seinem Verstärker, die er fast zwischen jedem Song aufsucht. Seinem hervorragenden Gesang scheint diese Tatsache offensichtlich rein gar nichts auszumachen. Er singt sicher und souverän wie immer, der Typ ist ein Phänomen. Bei „Don’t Stop Runnin’“ werden noch letzte Unsicherheiten im Sound ausgeglichen, dann geht der flotte Hit-Reigen bei sehr fettem Live-Sound los.
„Dirty Girl“ nimmt ein bisschen die Bremse raus, hält Meniketti jedoch nicht davon ab, auch hier im Solo förmlich in den Song einzutauchen. Brad Lang, der den verstorbenen Bassisten Phil Kennemore ersetzt hat, ist diesmal nicht mit dabei. Sein Nachfolger heißt Aaron Leigh, der mir vom Namen her völlig unbekannt ist. Er macht seine Sache jedoch ausgezeichnet und post wie ein Weltmeister - Phil Kennemore hätte seine wahre Freude dran gehabt. Y & T gehen an diesem Abend natürlich auf Nummer sicher, bringen aber auch einige neue Songs und Lieder, die sie lange nicht mehr live gespielt haben und die vielleicht nicht ganz so bekannt sind. Trotzdem ist die Stimmung sehr gut. Das Publikum im Hirsch lässt sich von der irrwitzigen Spielfreude des Quartetts anstecken und feiert eine Hardrockparty allererster Güteklasse.
„Don’t Be Afraid Of The Dark“ wird lautstark mit Chören unterstützt. Bei „Winds Of Change“ lauscht die Menge andächtig und schaut der bestens eingespielten Band dabei zu, wie sie sich förmlich in einen Rausch spielt. Grinsekatze John Nymann spielt eine hervorragende Rhythmusgitarre, hat sichtlich Spaß auf der Bühne und übernimmt dabei auch noch große Teile des Background-Gesangs. Präzisions-Schlagzeuger Mike Vanderhule groovt lässig wie gewohnt durch das anspruchsvolle Programm. Er legt eine Power an den Tag, bei der die Band nichts anderes kann, als Vollgas zu geben. Der Typ hat für mich einen ewigen Heldenstatus aufgrund eines Auftritts auf dem Bang Your Head Festival. Er hatte einen Arm in Gips und hat das komplette Set dann eben nur mit einem Arm gespielt. Wenn ich’s nicht selber gesehen hätte, würde ich es nicht glauben.
„I’ll Keep On Believin“ ist für mich die Überraschung des Abends schlechthin. Die Perle vom In Rock We Trust-Album wurde jahrelang sträflich vernachlässigt und findet heute endlich wieder mal den Weg auf die Bühne. Auch „Hang Em High“ fällt ganz klar in diese Kategorie. Wobei ich mich hier über „Lonely Side Of Town“ noch mehr gefreut hätte. Meniketti vergisst leider, seinen neuen Bassisten vorzustellen. Einer im Publikum fragt ihn ganz laut danach und dann holt er dieses Versäumnis umgehend nach. Jason Leigh freut sich darüber sehr. Ich denke, dass er ganz gut in die Band passt und vom Energielevel her die Truppe noch ein bisschen weiter nach vorne peitscht.
Meniketti ist trotz seiner Erkältung bestens aufgelegt und lässt immer wieder ein paar lustige Sprüche raus. Der Typ ist sympathisch und kommt sehr geerdet rüber. Was er beim Solo von „I Believe In You“ abliefert, ist einfach nur sehens- und hörenswert. Er spielt sich fast in Trance und verpasst dem Stück ein Solo, das nicht von dieser Welt ist. Den „Zwilling“ „Rescue Me“ widmet er Ur-Drummer Leonard Haze, der vor kurzem an einer länger andauernden Krankheit verstorben ist. Eine feine Geste, die bei oft verstrittenen Bandmitgliedern und Ex-Mitgliedern bei weitem nicht selbstverständlich ist.
Auch die Spielzeit ist der Hammer. Es sind schon über zwei Stunden vorbei, als sich die Jungs erlauben, von der Bühne zu gehen. „Open Fire“ läutet die Verlängerung ein, auch hier heißt es wieder „Voll auf die Zwölf“. Die Musiker donnern und bollern mit einem Affenzahn, Erkältung oder Alter scheinen hier aufgehoben zu sein. Meniketti fragt, was die Leute hören wollen. Ich brülle ein paar Mal „Lonely Side Of Town“, bin aber leider zu leise. Das Rennen macht dann der Überhit „Don’t Wanna Lose You“. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Sahnestück einmal live zu hören bekomme. Allein dafür hat sich für mich die Fahrt nach Franken schon rentiert.
„Forever“ beendet klassischerweise das hervorragende Set, bei dem sämtliche Musiker und das Publikum noch einmal alles geben. Danach ist völlig verdient Feierabend. Meniketti und Co. haben sich ihr Brotzeitbier redlich verdient. Zweieinhalb Stunden Musik sind heute nicht mehr selbstverständlich und werden vom Publikum entsprechend enthusiastisch honoriert. Der Auftritt war klasse, da gibt es nichts zu rütteln. Wer auf knackige Hardrocksongs steht und Musiker, die vor Begeisterung und Spielfreude schier platzen, sollte sich mal ganz schnell einen Y & T-Auftritt anschauen!
Für uns steht fest: Wir sind beim nächsten Mal sicher wieder dabei - vielleicht dann auch mit „Lonely Side Of Town“.
Setlist:
1. On with the Show
2. Lipstick and Leather
3. Don't Stop Runnin'
4. Dirty Girl
5. Mean Streak
6. Don't Bring Me Down
7. Don't Be Afraid of the Dark
8. Winds of Change
9. Blind Patriot
10. I'll Keep On Believin'
11. Black Tiger
12. Midnight in Tokyo
13. Take You to the Limit
14. Hang 'em High
15. I Believe in You
16. Contagious
17. Summertime Girls
18. Rescue Me
19. I'm Coming Home
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20. Open Fire
21. Don’t Wanna Lose You
22. Forever
Stefan Graßl
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