Emco
Schwanenkampf
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Emco, unter diesem Namen hat sich das Quintett mit der gebürtigen Düsseldorferin Mascha Corman versammelt. Mascha ist Komponistin und Sängerin. Und Alle, die mit einer gewissen Hektik in der Musik, mit freien Strukturen und äußerst ungewöhnlichen Klängen so gar nichts anfangen können, sollten lieber die Finger hiervon lassen oder ganz einfach einmal das Wagnis eingehen, sich mit dieser Musik zu befassen.
Nun, ich muss zugeben, auf großen Widerhall, auch bei Freunden des Jazz, könnte dieses Projekt möglicherweise nicht unbedingt treffen. Dabei dürfte es gar nicht einmal die strukturelle Gestaltung der vier Instrumente sein, sondern vielmehr der Einsatz der Stimme in einem nicht gerade üblichen Kontext.
Denn hier trifft man nicht auf den üblichen Jazzgesang, hier trifft man auch nicht auf wortlosen Scat-Beiträge, sondern Mascha Corman trägt Gedichte vor, von Lyrikern wie Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam und eigene Texte zusätzlich. Aber diese Texte werden nicht einfach zur Musik vorgetragen, wie man es zum Beispiel von „Lyrik Meets Jazz“-Projekten kennt. Nein, die Texte werden benutzt, um im Wechselspiel von Musik von Sprache und Instrumenten etwas Eigenes zu schaffen, aber auch nicht die Stimme als reines zusätzliches Instrument, sondern es bleiben die Vokalbeiträge als solche, nur werden sie manchmal klanglich vervielfacht eingeflochten oder mit hektischen Vorträgen wie abgehackt klingend in die wilde Stimmung einbezogen, manchmal sogar die Richtung für die Instrumente bestimmend.
Startet es mit „Kreislauf“ noch ganz ruhig und bedächtig, der feinsinnige Gesangsvortrag wird von den Musikern gekonnt untermalt, Tupfer vom Piano, kurze Abrundung von Trompete und Bass und im Hintergrund agiert der Schlagzeuger den Sound mitbestimmend, so kommt es im Laufe des Songs zu Auflösungserscheinungen, es wird frei. „Berührt“, ja, hier findet sich Gesang, der sich mühelos in den swingenden Kontext einfügt, so wirkt es sehr luftig und leicht. Beim „Kinderlied“ klingt es dann nach Kehlkopfgesang, kein Text, nur Geräusche, von Allen, eine bildhafte Miniatur, ein vor dem inneren Auge ablaufender Film, wie ein Übergang zu etwas Kommenden. Und das, was kommt, ist eine Rezitation eines Textes von Shakespeare. Ab zu Luis Trenker und seinen Bergen, so geht es jodelnder Weise weiter, bis man dann vom Titelsong vollends "platt" gemacht wird. Ich erlaube mir einmal, den kompletten Text von Erich Mühsam abzuschreiben:
Der Nitter splackt.
Das Splatter nickt,
wenn splitternackt
die Natter splickt.
Nun ja, das mag für Einige wie das berühmte „Hurz!“ erscheinen, die Musik hier allerdings geht eine wohltuende und belebende Allianz mit swingendem Jazz ein, ungeachtet der Texteinschübe ist dieses Stück wirklich sehr mitreißend.
Manche(n) Hörerin/Hörer könnte das schon ganz schön nerven, wäre da nicht ab und zu die Trompete von Luis Reichard, die oft wieder etwas Ruhe hineinbringt. Ja, die Stimme als Geräusch, im Strudel freier Improvisation, das ist sicher nichts Ungewöhnliches in grundsätzlichem Sinne, doch hier wird es recht anders und sperrig ausgereizt. So würde mich wirklich einmal eine alleinige Platte der hervorragend und innovativ agierenden Band interessieren, völlig gesangslos. Für Jazzer sehr versöhnlich, inklusive Integration des Gesanges, mag der energisch abgehende Swing des letzten Stückes sein. Und so halten sich relative Tradition und Experiment letztlich die Waage, so dass unter dem Strich eine wirklich ungewöhnliche und gewöhnungsbedürftige Platte entstanden ist.
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Kreislauf
2 Berührt
3 Kein Kinderlied
4 Shakespeare 15
5 Daihrää
6 Schwanenkampf
7 Ein Sonett in ...
8 Verschließen
9 Kupfern
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Besetzung |
Mascha Corman (vocals)
Luis Reichard (trumpet)
Jonathan Hofmeister (piano)
Florian Herzog (bass)
Thomas Sauerborn (drums)
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