Musik an sich


Reviews
Christopher Dell

Das arbeitende Konzert/The Working Concert (Revision I)


Info
Musikrichtung: Neue Musik

VÖ: 07.10.2016

(Edition Niehler Werft)

Gesamtspielzeit: 58:56

Internet:

http://www.christopher-dell.de/en/
http://www.uk-musikpromotion.de/profil.html


Dieses arbeitende Konzert wurde von einer international besetzten Band aufgenommen, mit zwei Deutschen, einem Franzosen, einem Italiener, einer Spanierin und einem Dänen. Die CD dokumentiert die erste Aufnahme und seine erste Revision. Das Ganze war Bestandteil einer Ausstellung, “We Traders -Swapping Crisis For City“, im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin, im Juli 2014.
Diese Komposition erstellte Christopher Dell aufgrund eines Auftrags des Goethe Instituts Brüssel aus dem Jahre 2014.
Das Projekt verband Künstler, Gestalter und Aktivisten aus Lissabon, Madrid, Turin, Berlin und Brüssel. Das zentrale Anliegen des Projektes bestand darin, demokratische urbane Prozesse in den Europäischen Gesellschaften unter Krisenbedingungen zu untersuchen. Für das Ausstellungsprojekt schuf Dell eine spezifische Kompositionsform: Das Arbeitende Konzert.

Wer umfassende Erläuterungen zum Konzept dieser Form haben möchte, kann dieses unter anderem auf der Homepage des Plattenlabels, U.K. Promotion, umfassend nachlesen. Und hier wird es überaus theoretisch und kompliziert. Denn ich möchte nachstehend lieber meine eigenen Eindrücke der Musik darstellen.
Der am 17.09.1965 in Darmstadt geborene Künstler studierte Vibraphon, Schlagzeug und Komposition in Hilversum und Rotterdam, nachfolgend ein Studium an der Berklee School of Music in Boston. In den neunziger Jahren erweiterte der das Konzept der Improvisation um Strategien der Neuen Musik.
Neue Musik – allein hier sollten Alle gewarnt sein, die das Übliche erwarten. Denn diese Musikform war stets auf der Suche nach neuen Klängen, teilweise mit radikalen Ergebnissen. Dieses bezieht sich auf Klang, Melodik, Harmonik und Rhythmus. Und so kann man sich darauf einstellen, wirklich konzentriert zuzuhören.

Als jahrelanger Jazzfan ist mir Fremdes nicht fremd, und auch hier gewinne ich eine ungewöhnliche Hörerfahrung. Zwar klingt von Beginn an alles sehr frei, doch muss ich angesichts der Fotos zur Aufnahme davon ausgehen, dass nach Noten gespielt wurde. Insofern liegen offensichtlich festgelegte Strukturen vor und ich vermag nicht zu unterscheiden, was vorgegeben und was frei entstanden ist aus einem Anstoß zur Improvisation. Dell benutzt den Begriff „Metaform“, hier sollen formal offene und strukturell determinierte musikalische Räume eröffnet werden.

Nun, ich kenne Musikliebhaber, die würden sofort spotten, wenn sie das hörten, was von Beginn an läuft, als würden „Amateure auf irgend Etwas herumklopfen“, in „irgend Etwas hineintuten“ und „einfach nur üben“. So mag es möglicherweise wirken für alle an festen Strukturen orientierten Musikliebhaber.
Aber als Liebhaber von Free Jazz komme ich nicht umhin, ständig die Ohren zu spitzen. Und dann ist diese Musik sehr unterhaltend, denn man wird richtig gespannt darauf, was als Nächstes passieren mag.
Und es geschieht viel, Überraschungen sind ständig parat, und ich liebe es zum Beispiel, wenn das Saxofon ins Spiel kommt, und es gibt Momente, da spüre ich, dass die Musiker aufeinander zugehen, ja, Kommunikation entsteht. Kurzum, mir gefällt es, es ist unterhaltend, für Andere ist es vielleicht zu viel Kopfmusik, und so möge Jede/r, die/der sich angesprochen fühlt, es wagen, sich diesem speziellen Musikerlebnis zu nähern. Es kann sich lohnen.
Aber – man möge sich beeilen, denn diese CD wird in einer limitierten, signierten Auflage von 200 Stück erscheinen.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 1. Satz (13:59)
2 2. Satz (12:02)
3 3. Satz (12:48)
4 4. Satz (9:02)
5 5. Satz (11:00)
Besetzung

Christopher Dell (Vibraphon, Konzept, Komposition, Leitung)
Pierre Borel (Saxophon)
Antonio Borghini (Kontrabass)
Christian Lillinger (Schlagzeug)
Lucia Martinez (Schlagzeug)
Jonas Westergaard (Kontrabass)



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