Musik an sich


Reviews
Vivaldi, A. (Jaroussky)

Pietà – Geistliche Werke für Alt


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 17.10.2014

(Erato / Warner / CD + Bonus-DVD / 2013 / Best. Nr. 0825646257508)

Gesamtspielzeit: 78:30

Internet:

Philippe Jaroussky



AD FONTES

Von allen Komponisten habe Vivaldi ihm am meisten Glück in der Sängerkarriere gebracht, lässt Philippe Jaroussky wissen. Das klingt dann doch ein wenig arg bescheiden, aber in gewisser Weise kehrt der französische Counter mit seinem neuen Album durchaus zu den Wurzeln zurück, denn eine seiner frühen Aufnahmen ist jene mit Vivaldi-Kantaten (Virgin, 2003). Nun also Motetten.

Wie sehr Jaroussky in den vergangenen zehn Jahren stimmlich und künstlerisch gereift ist, zeigt sich daran ganz deutlich. Seine Stimme hat ein reicheres Farb- und Ausdrucksspektrum gewonnen, ist im Ton etwas nachgedunkelt und entfernt sich mehr und mehr vom früheren ätherischen Ansatz. Zugleich phrasiert Jaroussky mutiger, vertraut bei der Ausführung der Koloraturen stärker seiner musikalischen Intuition und bereichert die Musik damit um einen individuellen, aber nie eitlen Zug. Dabei nimmt er sich hier im Ausdruck bewusst zurück und stellt mit heiligem Ernst den geistlichen Charakter der Werke in den Vordergrund, eher dem Vorbild der überirdischen Schönheit der anonymen Stimmwunder im Ospedale nacheifernd als opernhaft agierend.

Den Raum für die dazu notwendigen musikalischen Entscheidungen hat Jaroussky sich selbstbewusst geschaffen – indem er nämlich zugleich als Leiter seines eigenen Orchesters Ensemble Artaserse fungiert. Man hört der Aufnahme an, dass hier in liebevoller Kleinarbeit probiert und experimentiert wurde. Seinen unbedingten Willen zur Perfektion und zum idiomatischen Musizieren hat Jaroussky auf die Musiker übertragen. Ergebnis ist ein detailreicher, rhetorischer Vivaldi, der nicht effekthascherisch daherkommt, sondern das Spektrum menschlicher Empfindungen auszuloten und anzusprechen weiß. Neben dem berühmten „Stabat Mater“ (bei dem Jaroussky zeigt, dass es keineswegs so simpel ist, wie oftmals behauptet), wird dies vor allem bei dem außergewöhnlichen, kontrastreichen „Longe mala“ sowie beim „Salve Regina“ deutlich, wohingegen das an den Anfang gestellte „Clara stellae“ musikalisch recht reizlos ist. Wie weit Jarousskys Möglichkeiten gehen, zeigt sich weit besser in den zum Weinen schönen Momenten, von denen die CD voll ist, deren hervorragendster aber die Arie „Descende, o coeli vox“ (Longe Mala, RV 629) und der im Verhauchen endende Schlusssatz des „Salve Regina“ sein dürften: Hätte das Dream-Team Vivaldi und Jaroussky der Welt nichts weiter geschenkt als diese 10 Minuten – es wäre dennoch für den Nachruhm genug.


Auf der beigegebenen DVD zeigt Jaroussky uns ein wenig von Vivaldis Venedig (Taufkirche, Elternhaus, Ospedale usw.), gibt aber nur wenig Einblick, in seine Motivation für diese Produktion oder den Probenprozess, was gewiss spannender gewesen wäre.



Sven Kerkhoff



Trackliste
Stabat Mater RV 621
Longe mala, umbrae terrores RV 629
Filiae maestae Jerusalem RV 638
Clarae stellae scintillate RV 625
Domine Deus aus Gloria RV 589
Salve Regina RV 618
Konzert RV 120 für Streicher & Bc

+DVD mit Aufnahmesession des Stabat Mater sowie "Philippe Jaroussky in Venedig auf der Spuren von Vivaldi"
Besetzung

Philippe Jaroussky: Countertenor & Ltg.

Ensemble Artaserse


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