Musik an sich


Reviews
Mendelssohn Bartholdy, F. (McCreesh)

Elijah


Info
Musikrichtung: Chormusik Romantik

VÖ: 21.9.2012

(Signum Records / Note 1 / 2 CD / 2011-2012 / Best. Nr. SIGCD300)

Gesamtspielzeit: 135:58

Internet:

Gabrieli Consort / Paul McCreesh



GIGANTOMANIE

Keine originalgetreue Kopie der Uraufführung von Mendelssohns Oratorium “Elias” 1846 in Birmingham war es, die dem Dirigenten John McCreesh vorschwebte, aber doch eine weitgehende Annährung an die Klangeffekte und den Gesamteindruck von damals. Auf „recht dicke, volle und schwere Chöre“ hatte der Komponist das Werk zugeschnitten – eine Konsequenz aus den im Zeitalter der Industrialisierung allerorten erstarkenden Sing- und Musikvereinen, die solche Massenevents überhaupt erst zuließen, aber auch verlangten. Und so kommt auch diese Einspielung auf über 400 Mitwirkend, davon 300 Sängerinnen und Sänger. Das Orchester agiert mit einem großen Streichapparat, sowie verdoppelten Bläserstimmen, Trompeten und Pauken; hingegen treten Hörner und Posaunen nur in der üblichen einfachen Besetzung an. Hinzu kommen drei Serpente, zwei Ophikleiden und sogar eine Kontrabass-Ophikleide, eine echte musikhistorische Rarität. Es ist ein bißchen wie bei einem komplexen Kochrezept: Es fällt schwer, im Gesamteindruck diese Zutaten noch auszumachen und doch tragen sie alle eine Spur dazu bei. In diesem Fall ergibt sich ein sehr dunkel grundiertes „Klangaroma“, voll tönend und mit gewichtigem Ernst. So dürfte Mendelssohn es vorgeschwebt haben. Höchst erstaunlich ist, wie es McCreesh und der Chorleiterin Agnieszka Franków-Zelezny gelingt, die Chormassen im Griff zu behalten. Natürlich zwingt ein Chor dieser Größenordnung zu anderen Tempi als sie mit in kleinerer Bestezungsstärke möglich wären. Dabei aber ist der Klang erstaunlich homogen, wozu auch die eher trockene Akustik der beiden Aufnahmeorte beiträgt.

Heraus kommt dabei ein Elias im Breitbildformat. Ein romantischer „Schinken“, der einen Bilder wie aus den früheren Bibelverfilmungen assoziieren lässt. Die Solisten passen sich diesem Umfeld an und gestalten ihren Vortrag mit viel Emphase und großem Ton. Dabei besticht vor allem Bariton Simon Keenlyside durch eine kluge Mischung von opernhaftem Volumen und oratorischer Ernsthaftigkeit.

Es fällt schwer, sich der mit dieser Art der Interpretation intendierten Überwältigung durch Masse und Massivität zu entziehen, wenngleich die heimische Stereoanlage den Effekt zwangsläufig nicht 1:1 wiederzugeben vermag. Und doch muss die Frage erlaubt sein, ob die historisierende Darbietung der Musik wirklich gut tut, denn zumindest im ersten, dramatischeren Teil des Oratoriums droht diese unter der schieren Wucht des Klangs in den Hintergrund zu geraten.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Gabrieli Consort & Players
Wroclaw Philharmonic Choir
Gabrieli Young Singers' Scheme
Jonty Ward: Knabensopran
Robert Murray: Tenor
Rosemary Joshua: Sopran
Sarah Connolly: Mezzosopran
Simon Keenlyside: Bariton


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