Musik an sich


Reviews
Briceño, L. de (Dumestre)

El Fenix de Paris


Info
Musikrichtung: Barock Ensemble

VÖ: 25.09.2011

(Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. Alpha 182)

Gesamtspielzeit: 71:08



VOLLBLUTMUSIKER

Das neueste Projekt von Vincent Dumestre und Le Poème Harmonique ist einer wirklichen Rarität gewidmet: der Gitarrenschule von Luis Briceño, der sich im Frankreich des 17. Jahrhundert als unermüdlicher und selbstbewusster Propagandist seines Instruments, der fünfchörigen Gitarre, hervorgetan hat. Gegenüber der geadelten Laute hatte es die bodenständigerere Gitarre schwerer und selbst die superlativischen Beschwörungen im Vorwort von Briceño Lehrwerk haben daran zunächst nicht viel geändert, zumal sein Buch komplett in spanischer Sprache verfasst ist.
Immerhin bietet es ein attraktives, eingängies Repertoire, das die volkstümliche Natur des Instruments erst gar nicht zu verbergen sucht. Für die Interpreten war es dabei eine besondere Herausforderung, die Melodien der vielen Lieder aufzuspüren, für die Briceño seine rassige „geschlagene“ Gitarrenbegleitung ersonnen hat. Denn nur die sind in dem Buch in einer speziellen Tabulaturform abgedruckt, zusammen mit den Texten. Die zugehörigen Melodien waren damals offenbar gut genug bekannt. Zahlreiche Quellen mussten gesichtet werden, um die Oberstimmen zu ermitteln, vieles musste auch einfach rekonstruiert oder improvisierend ergänzt werden.
Auf diesem Weg haben dann gleich noch eine Reihe anonyme Stücke ihren Weg auf die Platte gefunden. Briceño wird mithin wie die anderen Komponisten, denen sich das Ensemble bislang gewidmet hat, im Kontext seiner Zeit präsentiert und gerade dadurch lebendig.

Dem klingenden Ergebnis kann man sich schwer entziehen – hier sind eben nicht einfach nur Musikwissenschaftler, sondern Vollblutmusiker am Werk, darum klingt es durchweg authentisch. Serviert werden Villano, Villancico, Pasacalle, Seguidilla, Tono Humano, Folia und andere Spezialitäten aus der spanischen Gitarrenküche. Der mediterrane Charme und die Leidenschaftlichkeit der Ohrwurm-Melodien, die gekonnten Arrangements mit mehreren Gitarren und einigen Streichern sowie farbigem Schlagzeug versetzen den Hörer für siebzig Minuten nach Spanien. Da sich bei den Gesängen und Tänzen temperamentvolle, lässige und melancholische Stimmungen die Waage halten, das Einfache mit dem Kunstvollen sich verbindet und bei all dem die Vielfalt Trumpf ist, gibt es keinen musikalischen Leerlauf.
Machen die Instrumentalisten ihre Sache schon sehr gut, so lebt die Produktion insbesondere von den beiden Sängerinnen, Claire Lefilliâtre und Isabelle Druet, deren strahlende Sopran- und dunkle Mezzo-Timbres sich perfekt ergänzen. Beide mischen außerdem da, wo es angemessen ist, eine gewisse sinnlich-rustikale Farbe in ihre Interpretationen hinein – es handelt sich eben nicht um die elegante Hofkunst der airs de coeur, sondern um Musik, die auf den Straßen und Plätzen gemacht wurde.



Georg Henkel



Trackliste
1Villano: El cavallo del marqués - Al Villano se le dan2:56
2 Pasacalle: Que tenga yo a mi mujer7:15
3 Jácara: Para tener Nochebuena3:16
4 Tono françes: Ay amor loco3:06
5 Tono Humano: Lloren mis ojos6:46
6 Españoleta8:04
7 Romance: Ay ay ay, todos se burlan de mi3:47
8 Villancico: No soy yo3:20
9 Tono Humano: Ay, qué mal3:10
10 Çaravanda: Andalo çaravanda3:25
11 Pasacalle2:44
12 Gaitas1:05
13 Danza de la Hacha2:12
14 Canario2:15
15 Villancico: Venteçillo murmurador3:56
16 Air espagnol: El baxel esta en la playa2:20
17 Folia: Serrana si vuestros ojos 12:17
18 Folia: Serrana si vuestros ojos 20:59
19 Seguidilla: Dime que te quexas8:15
Besetzung

Le Poème Harmonique

Vincent Dumester: Barockgitarre und Leitung


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>