Happiness is on the road
Interview mit Pete Trewavas
Bassist von MARILLION am 02.10.2008 in Köln
Einleitung: Im August 2008 erhielt ich die Ankündigung, dass MARILLION ihr 15tes Studioalbum, „Happiness is on the road“, Ende Oktober veröffentlichen. Betreut wird die Veröffentlichung von STARKULT. Dank unserer/meiner guten Beziehung zu STARKULT wurde mir ein Interview-Termin angeboten.
Besonderer Dank gebührt Dennis Saia und Jörg Timp, beide von STARKULT, für die kompetente Unterstützung im Vorfeld. Und natürlich Pete Trewavas von MARILLION, mit dem ich mich hervorragend unterhielt.
MASHallo Pete, nett Dich zu treffen und kennen zu lernen.
Pete: (unterbricht) Hallo hallo hallo. Danke gleichfalls. Wie viel Zeit hast du?
MAS:Laut Plan 30 Minuten. Zu meiner Person; Ich heiße Thomas und komme von „musikansich.de“, einem Online-Musikmagazin. Ich sah euch in den 80-er Jahren live, ich meine in Nürnberg, seinerzeit war MARILLION schon sehr bekannt.
Pete: Ja, das stimmt. Wir sind seinerzeit in aller Munde gewesen, wir sind wirklich groß rausgekommen.
MAS: Und ihr ward sehr erfolgreich.
Pete: Ja, wir waren erfolgreich, aber nicht notwendigerweise glücklich über das was so mit und um uns herum geschah. Es war überwältigend.
MAS: Wie meinst du das?
Pete: Es war einfach zu viel.
MAS: Bitte? Wie?
Pete: Ich meine, wir sind zu groß geworden. Natürlich war es ein überwältigendes Gefühl so bekannt zu sein und die ganze Welt zu sehen. Wir hatten unsere eigene Security, ständig Partys und irgendwelche Essen von und mit Produzenten usw., eben nur keine Zeit für uns selbst. Unser Leben spielte sich innerhalb einer Luftblase ab, von außen gesteuert. Ich war nicht wirklich in der Lage, mein Leben zu genießen so wie es lief. Erfolgreich zu sein, bedeutet nicht automatisch, glücklich zu sein.
MAS: Du konntest es nicht genießen?
Pete: Irgendwie war es real, aber auch wieder nicht. Ich hatte nur so eine Ahnung. Nichts Greifbares. Es war irgendwie so, als ob du auf das Leben eines anderen Menschen schaust.
MAS: Und heute?
Pete: Heute kann ich mein Leben genießen. Mein Leben ist heute authentischer und ich ziehe es meinem ehemaligen vor. Wir müssen heute zwar ein bisschen härter arbeiten (lacht), doch das ist ok. Weißt du, meine Einstellung hat sich geändert.
MAS: Hat diese Einstellung vielleicht mit dem Buch „The Power Of Now“ von Eckart Tollen zu tun?
Pete: (lacht) Nein. Ich habe das Buch gar nicht gelesen, nur Steve.
MAS: Gestern habe ich das erste Mal eure neue CD gehört. Kannst Du mir etwas darüber erzählen?
Pete: Ja gerne. Die erste CD mit dem Titel „Happiness is the road“ sowie die zweite mit dem Titel „Essence“ folgen einem Konzept. Weißt du, es geht ums Leben und alles darum herum, alles was es ausmacht. Es geht ganz bewusst um Deine Einstellung zum Leben. Du solltest so viel wie möglich aus dem Jetzt ziehen. Das Konzept lautet: Begegne dem Augenblick, dem Jetzt, und umarme ihn, halte ihn ganz fest. Denn das Jetzt ist das, was du hast.
MAS: Du hast nur ein Leben?
Pete: Ja, das ist aber nicht alles. Du hast nur das Jetzt – und nur darum geht es im Leben. Die meisten Menschen meinen, sich über die Vergangenheit und die Zukunft Gedanken machen zu müssen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Steve die Texte geschrieben hat. Die Songs sind sehr autobiografisch, spiegeln sein und unser Leben wieder. Und dazu gehören auch unsere Live-Auftritte. Wir erleben eine ganze Menge auf unseren Touren! Fantastische Orte, klasse Hotels, wir haben eine super Zeit. Das allergrößte, weißt Du, ist, wenn Du auf die Bühne gehst, zu Deinem Publikum und Deine Musik für sie spielst! Davon kann man nicht genug bekommen. Es braucht eine Zeit, bis du dieses Gefühl für Dich einfangen kannst. Es ist einfach einzigartig. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Was könnte passieren, was hätte ich anders machen können und sollen usw.? Was hätten sie anders tun sollen? Doch Du lebst nur JETZT.
MAS: Genieße den Augenblick?
Pete: Ja genau! Und weißt Du, da gibt es einen Weg. Und Glückseligkeit wirst Du nicht am Ende dieses Weges finden. Glückseligkeit ist der Weg. Wie kannst Du in Deinem Leben glücklich werden, wenn Du mit „glücklich sein“ einen Zustand definierst, der in der Zukunft liegt? Du hast ein großes Haus, Dein Nachbar oder wer auch immer, hat ein größeres als Du. Du fährst ein dickes Auto, Dein Nachbar einen noch größeren Wagen. Doch dieser Materialismus hat mit dem „glücklich sein“ überhaupt nichts zu tun. Die Leute streben nach mehr Geld, beruflichem Aufstieg, noch mehr Wohlstand. Das wird Dich unglücklich machen. Das ist ein bisschen albern, ein bisschen kindisch. Und das macht Dich verletzlich.
MAS: Auf der neuen CD ist ein Song, der da heißt „Half Empty“. Das ist eine Philosophie zu sagen, das Glas ist halb leer oder halb voll. Wie passt dieser Song zu Deinem beschriebenen Optimismus?
Pete: Der Song heißt „Half empty jam“! Aber wir nennen ihn „Half empty“, weil er diesen, auch von mir in der Vergangenheit falsch gelebten Weg beschreibt. Er beschreibt, wie ich lebte! Heute lebe ich mein Leben komplett anders. Heute freue ich mich, nach einer Tournee nach Hause zu meiner Familie zu kommen.
MAS: Du bist verheiratet?
Pete: Ja, seit 25 Jahren glücklich verheiratet! Und wir haben zwei erwachsene Söhne.
MAS: WOW, heute nicht mehr selbstverständlich.
Kannst du mir etwas über Deinen musikalischen Werdegang erzählen?
Pete: Oh, ich war in der sehr glücklichen Situation, dass ich in einem sehr musikalischen Umfeld aufwuchs. Mein Vater war ein begnadeter Klavierspieler und ich begann Klarinette zu spielen. Ich habe für kurze Zeit auch mal in einem klassischen Orchester gespielt.
MAS: Erinnerst du dich an Deine erste Schallplatte?
Pete: Ja, ich meine, dass es eine Single von den Beatles war „Thank you girl“. Und das erste Album war Revolver von den Beatles. Ich bin in den Sechzigern groß geworden mit The Kings, The Who, The Stones, Genesis, Yes, Pink Floyd, aber mein absoluter Favorit war die Band Caravan.
MAS: Und aktuell?
Pete: Schon durch meine Söhne bin ich musikalisch up to date. Meine Favoriten sind u.a. The Killers, Foo Fighters, Robbie Williams, Radiohead und The Cooks. Ich habe eine ziemlich umfangreiche Sammlung.
MAS: Eine Frage zu eurem „Los Trios“ -Auftritt. Was steht dahinter?
Pete: Da gibt es eine kleine Anekdote. Vor einigen Jahren mussten wir für eine Woche ins Tonstudio. Das lag mitten auf dem Land. Finanziell standen wir auch nicht allzu gut dar. Uns kam die Idee, den Besitzer des kleinen Restaurant-Hotels, in dem wir für die Woche untergebracht waren, zu fragen, ob wir nicht ein Konzert in seinem Restaurant geben können, statt zu zahlen. Wir machten das dann so, und es war ein Riesen-Erfolg für alle. So entstand unser „Los Trios“- Konzept. Ich muss wirklich sagen, dass die Auftritte riesig Spaß machen.
MAS: Weil ihr ein zweites Standbein habt?
Pete: Das ist nebensächlich. Ich wollte ausdrücken, dass diese kleinen Auftritte in Clubs und Bars eine ganz eigene Atmosphäre haben. Das macht höllischen Spaß. Die Auftritte kann man überhaupt nicht vergleichen.
MAS:Ein letztes Anliegen habe ich noch: Ihr seid ja die Band, die sich besonders früh auf das Internet-Zeitalter eingestellt hat. Und dadurch, was eure Verkaufszahlen angeht, einen großen Erfolg habt. Kannst du darüber etwas sagen?
Pete: Gerne. Aus der Not geboren, eigentlich nur um Tourdaten usw. zu veröffentlichen, hat unsere Fangemeinde im Internet maßgeblich zu unserem Erfolg beigetragen. Wir hatten eine Zeit, als wir nicht mal genug Geld hatten, um das Tonstudio zu bezahlen. Das Problem haben wir veröffentlicht. Mit der Bitte um Geld. Als Gegenleistung haben wir den Spendern dann die produzierte CD, die wir ihnen in unserem Aufruf versprochen hatten, zugeschickt. Wir sind heute noch sehr stolz auf unsere Fans!!
MAS: Und ich möchte mich bei Dir für das ausführliche Interview im Namen aller unserer Leser Bedanken. Und viel Erfolg mit eurer Tour. Wir sehen uns ja am 22.Oktober in Zwolle.
Pete: Das habe ich gerne gemacht!
Wolfgang Kabsch
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