Musik an sich


Reviews
Xenakis, I. (Dury)

Kraanerg


Info
Musikrichtung: Neue Musik Ballett

VÖ: 05.09.2008

(Mode Records / Sunny Moon/ DVD 2007 / Best. Nr. mode 196)

Gesamtspielzeit: 155:00



LAUT UND GRAU

Da sage noch einer, dass die lautesten und wildesten Klänge im Bereich der U-Musik zu Hause seien. In der E-Musik geht es immer noch etwas lauter und wilder. Soeben hat das New Yorker Label Mode Records Iannis Xenakis Ballettmusik Kraanerg in einer luxuriös ausgestatteten Doppelausgabe entweder als klassische CD oder Surround-Sound-DVD herausgebracht. Das Werk entstand 1968 für den Choreographen Roland Petit und ist mit 75 Minuten Dauer eines der umfangreichsten Stücke des Komponisten. Die Besetzung sieht ein Kammerorchester von 23 Spielern mit einem starken Anteil von Holz- und Blechbläsern vor. Außerdem gibt es gleichberechtigt zu den akustischen Klängen elektronisch verfremdete Orchesterklänge als Bandzuspielungen. Beide Welten wechseln miteinander ab, wobei der Übergang recht fließend ist.
Auf der DVD kann man die Musik hören und sehen: Nicht in der ursprünglichen Choreographie Petits, die sich schon bei der Uraufführung nicht durchsetzen konnte. Sondern als Mitschnitt der jüngsten Einspielung. Die meist sehr dicht gepackten Klangereignisse erzeugen einen massiven, gärenden Klangblock in unendlich vielen Grauschattierungen. Aufgelockert wird das von solistischen oder Ensemble-Passagen. Der Eindruck ist oft tumultös und ziemlich brachial. Unterschiedliche Spieltechniken, Register, Lautstärkegerade, Artikulationsmöglichkeiten, Dichte und Textur hat Xenakis vorgeordnet und zu Modulen oder Bausteinen zusammengefasst, um sie dann mit Hilfe von mathematischen Verfahren in eine Ordnung zu bringen. Das klingt abstrakt, spielt für die Wirkung aber keine Rolle. Wie oft bei Xenakis bricht sich unter der rechnenden Komponisten-Hand ein geradezu archaisch-wildes Musikempfinden Bahn, das überhaupt nicht mehr rational und kühl wirkt. Dennoch ist mir das Ergebnis auf Dauer zu monoton und undifferenziert, einfach laut und grau. Das hat mich nicht überzeugt, trotz der mitunter wirklich packenden Mischung von Geräuschklängen, deren Kombination und Schichtung dank der Klangtechnik identifizierbar bleibt.
Auf der DVD wurden die Tonbandmusiken übrigens illustriert, indem man Filmaufnahmen des Orchesters bzw. von mechanischen oder natürlichen Prozessen verfremdet hat. Außerdem gibt es Interviews mit den Künstlern und einen Blick in die Geschichte des Werks. Auch das Beiheft ist ausgezeichnet.
Nur die Musik ist wirklich etwas für Xenakis Fans, die ihre Sammlung mit diesem ambitionierten Projekt vervollständigen wollen.



Georg Henkel



Trackliste
Kraanerg: 75:00

Extras:
Interviews / Dokumentation
Besetzung

The Callithumpian Consort
Stohen Dury: Leitung


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