Musik an sich


Reviews
Händel, G. F. (Bonizzoni)

Le Cantate Italiane di Handel IV (Le Cantate per il Marchese Ruspoli 2): Aminta e Fillide


Info
Musikrichtung: Barock Kantate

VÖ: 01.10.2008

(Glossa / Note 1 / CD 2007 / Best. Nr. GCD 921524)

Gesamtspielzeit: 67:01



TRAUMHAFTES ARKADIEN

Aminta e Fillide beginnt mit einem echten Theatercoup: In die raschen Läufe der eröffnenden Streicher-Sinfonia platzt das aufgeregte Rezitativ des schwerverliebten Hirten Amintas und katapultiert den Hörer mitten in ein verwirrendes Spiel der Gefühle. Ein Effekt, der kunstvoll mit den Möglichkeiten der ansonsten oft schematisch anmutenden Kantatenform spielt. Sofort denkt man an die späten Seria-Experimente Händels, z. B. im "Orlando".
Mit dieser frühen Kantate, die im römischen Palast des Kardinal Ruspoli uraufgeführt wurde, schuf Händel ein Musterbeispiel „arkadischer“ Musik. Pastorale Sehnsuchtswelten, angesiedelt in einer mythischen und idealisierten Antike, malt der junge Sachse mit kompositorischer Meisterschaft aus. Die Musik trifft die zarten, aber tiefen Gefühle der beiden Protagonisten genau, wobei sich niveauvolle Satzkunst mit sicherem Instinkt für ausdrucksvolle und virtuose Melodien paart.
Aminta liebt die Schäferin Phyllis, die gerade wieder einmal vor seinen ständigen Nachstellungen geflohen ist. Die Angebetete solle doch ihre Schritte zügeln und seine Liebesschwüre erhören. Amintas fleht vergebens. Die holde Dame ziert sich, mögen die Tränen des Zurückgewiesenen noch so heftig fließen. Es bedarf noch manches klangvoll und leidenschaftlich vorgetragenen Antrags, bis der Funke der Leidenschaft auch in ihrem Herzen zündet. Glücklich vereinen sich die Stimmen der Liebenden zu einem verzückten Duett.
Das klingt schablonenhaft und eindimensional, typisch barock. Unter Händels Musik aber gewinnt das Libretto ein klares dramaturgisches Profil. Vor allem aber sprüht das Ganze von Einfällen. Kein Wunder also, das Händel diese umfangreiche Kantate praktisch vollständig seiner für Venedig komponierten Oper „Aggrippina“ einverleibte, wenngleich mit einigen Anpassungen.
Die Frische des selten eingespielten Originals kann man in der neuesten Folge dieser Glossa-Reihe genießen. Die bewährten Interpreten zeigen sich dabei in Bestform. Unter Fabio Bonzzionis Leitung vom Cembalo aus spielt das Instrumentalensemble La Risonanza gewohnt spritzig und mit lebendig durchgestalteten Nebenstimmen. Rhetorik und Klangsinnlichkeit ergänzen sich optimal.

Luxuriös ausgefallen ist die Besetzung mit den beiden Sopranistinnen Maria Grazia Schiavo und Nuria Rial. Ihre frischen, strahlkräftigen Stimmen, die stilistische Sicherheit bei den Verzierungen und eine stupende Virtuosität machen die Aufnahme zu einem Hörgenuss. Das ist Barockgesang vom Feinsten.
Leider ist das Timbre der beiden Sängerinnen zum Verwechseln ähnlich, so dass es an einer charakterlichen Unterscheidung fehlt. Auch wenn sich die rein weibliche Besetzung an die Uraufführung anlehnt, sollte im Vokalen zumindest eine subtile geschlechtliche Polarität angedeutet werden, um das amouröse Geplänkel unter erotischer Spannung zu halten.
In der zweiten, kleineren Kantate Clori, mia bella Clori fällt dieser Aspekt nicht ins Gewicht, hier hat Schiavo als Hirt Tirsi die Bühne für sich allein.

Besonderes Lob verdient neben der qualitativ hochwertigen technischen Fertigung wieder einmal die Ausstattung der CD mit einem profunden Essay im Beiheft und mehrsprachigem Libretto.



Georg Henkel



Trackliste
01-22 Aminta e Fillide HWV 83
23-30 Clori, mia bella Clori HWV 92
Besetzung

Maria Grazia Schiavo, Nuria Rial: Sopran

La Risonanza

Fabio Boizzoni: Cembalo und Leitung


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>