Bruckner, A. (Herreweghe)
F-Moll-Messe
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Info |
Musikrichtung:
Romantik Messe
VÖ: 19.09.2008
(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD 2007 / Best. Nr. HMC 901976)
Gesamtspielzeit: 55:28
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HIMMELSFLUG
Philippe Herreweghe ist als Bruckner-Dirigent nicht unumstritten: Die einen entdecken in seinen historisch informierten Einspielungen der 4. und 7. Sinfonie einen ganz neuen, „authentischen“ Brucknerklang, der sich nicht in erster Linie über klangliche Überwältigung im Lauten wie im Leisen definiert, sondern vergleichsweise leicht und licht daherkommt. Andere finden seine Interpretationen dagegen immer noch zu weich und lyrisch, eben „romantisch“, und nicht kantig und rau genug. Nun ist Herreweghe noch nie der Typ für die Demonstration brachialer Klangmacht gewesen. Auch das Theatralische liegt ihm nach eigenem Bekunden nicht, weshalb es in seiner großen Diskographie nur eine Operneinspielung gibt (nämlich Lullys „Armide“). Er legt Wert darauf, dass sich die Musik und nicht der Dirigent selbst verwirklicht. Darum ist auch das historische Instrumentarium für ihn immer schon ein Mittel, nicht Selbstzweck gewesen.
Studieren kann man die besonderen Qualitäten seines Ansatzes in der jüngst erschienenen Aufnahme von Bruckners F-Moll-Messe. Das Werk entstand nach der Sinfonie Nr. 1, vor Bruckners Wechsel nach Wien, als eine Art Gesellenstück und hat auch deshalb einen hybriden Charakter. Als Stück der klassischen kirchenmusikalischen Gattung blickt es zurück auf Bruckners Tätigkeit als Organist in St. Florian und Schüler in den traditionellen Satztechniken. Als durchkomponierte Orchestermesse blickt sie nach vorne und beginnt sich vom liturgischen Zusammenhang zu emanzipieren. Vom Cäcilianismus mit seinen blässlichen Palästrina-Imitaten ist diese Musik denkbar weit entfernt.
Man hört Musik aus einem Guss, die unterschiedliche Zeit-Stile souverän zu einem organischen Ganzen zusammenbringt: Renaissance- und Barockpolyphonie verbinden sich mit romantischer, von Richard Wagner inspirierter Harmonik und der typischen brucknerschen Blockarchitektur. Letztere fällt freilich nicht so auf, weil der Bauplan der Musik erster Linie von der musikalischen Textausdeutung bestimmt ist. Aber sänge der Chor nur Vokalisen oder würde ganz durch Instrumente ersetzt, der Eindruck käme einer der nachfolgenden Sinfonien Bruckners schon recht nahe.
Eindruckvollstes Beispiel für den typischen Bruckner-Stil ist sicherlich der mitreißende „Himmelsflug“, mit dem der Komponist nach dem nachtdunklen Grabgesang der Passion Jesu dessen Auferstehung inszeniert. Wie auch an anderen derart exponierten Stellen bleiben Herreweghe und seine ausgezeichneten Musiker- und Sänger/innen der Musik nichts an Pracht und Herrlichkeit schuldig. Zum besonderen Genuss werden solche Momente deshalb, weil sich beim Zuhören nie das Gefühl der Überanstrengung einstellt. Hier überschlagen sich nicht die Chorsoprane in überdramatischem Tremolo, um mit den auftrumpfenden Orchesterfigurationen Schritt halten zu können. Der Klang ist massiv, aber nicht klumpig. Umgekehrt ist die Sensibilität, mit der die zahlreichen kontemplativen, ja geradezu zärtlichen Abschnitte (z. B. das „Et incarnatus est“) gestaltet werden, bewegend.
Allerdings hätte man vom RIAS Kammerchor auch nichts anderes erwartet. Die Solisten, die in diesem Fall mehr als Chorführer agieren, machen ihre nicht immer einfache Sache (die unbequem hohe Tenorpartie!) ebenfalls sehr gut. Und das Orchestre des Champs-Élysées bringt bei aller Klarheit immer auch wunderbar warme Farben in die Musik herein. Angesichts dieser Leistung bin ich schon sehr gespannt, wie diesen Interpreten Bruckners spätes „Te Deum“ gelingen wird.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Kyrie | 9:44 |
2 |
Gloria | 11:12 |
3 |
Credo | 16:39 |
4 |
Sanctus | 2:12 |
5 |
Benedictus | 6:50 |
6 |
Agnus Dei | 8:51 |
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Besetzung |
Ingela Bohlin: Sopran
Ingeborg Danz: Alt
Hans-Jörg Mammel: Tenor
Alfred Reiter: Bariton
RIAS Kammerchor
Orchestre des Champs-Élysées
Philippe Herreweghe: Leitung
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