Anonyme mittelalterliche Komponisten (Millenarium)
Danza. Mittelalterliche Tänze
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Info |
Musikrichtung:
Mittelalter instrumental
VÖ: 01.10.2008
(Ricercar / Note 1 / CD 2007 / Best. Nr. RIC 274)
Gesamtspielzeit: 69:00
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BEFEUERNDES TEAMWORK
So entspannt und frei und doch nicht beliebig, so spielerisch und doch fundiert kann mittelalterliche Musik heute klingen. Das Ensemble Millenarium macht vor, wie das gehen kann. Die in der Serie Ars trobar unter dem Titel Danza zusammengestellte Tanzmusik aus anonymen spanischen, französischen, englischen, italienischen oder mündlichen Quellen entwickelt unter den Händen der Musiker/innen ein lebendiges und vor allem außergewöhnlich virtuoses Eigenleben. Nicht, das es einige Vorlagen diesbezüglich nicht sowieso schon in sich hätten! Bereits die mittelalterlichen Spieler müssen auf ihren Instrumenten überragende Künstler gewesen sein, die ihr Publikum in Erstaunen versetzten.
Die überwiegend aus dem 14. Jahrhundert stammenden Stücke sind die frühesten reinen (und überdies weltlichen) Instrumentalkompositionen, die schriftlich überliefert worden sind. Nicht zuletzt aufgrund des begrenzten Repertoires ist es nicht die einzige Einspielung, die es davon gibt. Sie klingt allerdings ganz anders als die meisten Vorgängerinnen.
Wenn man nämlich nicht immer diese zehn oder zwanzig bekannten Werke Note für Note musizieren will, muss man sich als moderner Interpret etwas einfallen lassen. Z. B. auf der Grundlage des Überlieferten eine Spielpraxis rekonstruieren, in der Improvisationen und die „Auszierung“ eines vorgegebenen Notentextes selbstverständlich waren. Oder geeignete Vokalmusik so überarbeiten, dass sie – bis in die Neuzeit gängige Praxis – auch rein instrumental ausgeführt werden können. Vor allem muss man die Quellen studieren, in denen sich immer wieder inspirierende Türen in ungeahnte Klangräume auftun, unter anderem was die Verwendung von Vierteltönen angeht. Ganz zu schweigen von der Einsicht in den rituellen, symbolischen bzw. therapeutischen Gebrauch der Musik, der uns heute, im Zeitalter des zum Selbstzweck gewordenen Musikkonsums, weitgehend verloren gegangen ist.
Millenarium hat sich in den vergangenen Jahren mit jeder seiner Einspielung bemüht, diese vielen Dimensionen mittelalterlichen Musizierens wenigsten anklingen zu lassen. Und zeigt dabei, dass man weder auf die Ticks und Tricks romantischen Geniekults verfallen noch postmoderne Klangzutaten beimischen muss, um eine im Geiste des Mittelalters technisch und musikalisch anspruchsvolle Kunst zu schaffen, die selbst verwöhnte Ohren befriedigt.
Ödes modales Fidelgebrumm und hübsch-archaischen Borduntöne, interessant gemacht durch „primitive“ Klangfarben und Humpa-Bumpa-Beats wird man auf dieser Platte nicht finden. Vielmehr machen Spontaneität, Erfindergeist, überraschende Wendungen, sensible Klangfarbenmischungen, ungewöhnliche harmonische Wirkungen und fesselnde Rhythmen den Zauber des Programms aus. Dabei ist jeder der Interpreten zu jedem Zeitpunkt ein individueller Meister. Und doch greift alles organisch ineinander. Sonst kennt man so ein „handwerkliches“, sich gegenseitig befeuerndes Teamwork eher aus dem Bereich der U-Musik oder dem Jazz.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Totz altres joys |
2 |
A che as cousas |
3 |
Trotto |
4 |
La quarte estampie réale |
5 |
Nota sebissa |
6 |
Estampita sirena |
7 |
Principio di virtù |
8 |
La Manfredina e sua rota |
9 |
Saltarello IV |
10 |
La septime estampie réale |
11 |
Danse angloise |
12 |
Saltarello VIII |
13 |
Nota manta |
14 |
Lamento di Tristano e sua rota |
15 |
Da che Deus mamou |
16 |
Saltarello «petits riens» |
17 |
Lamento du Val fourni |
18 |
Ghaeta |
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Besetzung |
Christophe Deslignes: Orgeln
Thierry Gomar: Schlagzeug
Philippe Malfeyt: Lauten
Baptiste Romain: gestrichene Fideln
Jean-Lou Descamps: Fideln, Citole
Henri Tournier: Querflöten
Eva Fogelgesang: Harfe
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