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Bach und Friedrich der Große – Keine „Musik an sich“
Info |
Autor: James R. Gaines
Titel: Das musikalische Opfer. Johann Sebastian Bach trifft Friedrich den Großen am Abend der Aufklärung
Verlag: Eichborn 2008
ISBN: 978-3821862088
Preis: € 34
379 Seiten
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Johann Sebastian Bach und Friedrich, der Große – Orgel und Flöte, Musiker und Staatsmann, Theologe und Philosoph. Viel zu tun hatten die beiden eigentlich nicht miteinander – aber gerade das macht sie für James R. Gaines zu den geeigneten Epigonen, um zwei Zeitalter, Barock und Aufklärung, aufeinander prallen zu lassen.
Ausgangspunkt ist das wohl einzige Treffen der beiden großen Deutschen. Anlässlich eines Besuches in Potsdam lässt Friedrich Bach in sein Schloss kommen und stellt ihm die nahezu unlösbare musikalische Aufgabe, eine dreistimmige Fuge zu einer bewusst komplizierten musikalischen Figur zu improvisieren. Der Versuch Bach und die von ihm vertretene Kompositionskunst des Barock vorzuführen misslingt. Bach löst die Aufgabe mit Bravour – nur um eine noch größere mit auf den Weg zu bekommen.
James R. Gaines spekuliert einige Seiten lang über die Veranlassung dieser Herausforderung – insbesondere über die Frage, ob Bachs Sohn Carl Philip Emanuel Bach, zu dieser Zeit an Friedrichs Hof erster Cembalist in der königlich preußischen Kapelle, der eigentliche Herausforderer seines Vaters war. Aber das ist genauso wenig der Kern des Buches, wie das grandiose Musikalische Opfer, das Ergebnis dieser Herausforderung, das auch dem Buch seinen Titel gegeben hat.
James R. Gaines nutzt den Streit um auf die Biographien der beiden Männer zurückzublicken und macht sie dabei zu Aushängeschildern zweier geistesgeschichtlicher Epochen, die sich ablösen, ein Übergang, der die vielleicht wichtigste Zäsur in 1000 Jahren europäischer Geistesgeschichte markiert, den Beginn oder die Ausprägung des Individualismus, der mit der Reformation seine ersten tastenden Schritte vollzieht und in der Postmoderne seinen vielleicht verzweifelten (oder verzweifelnden?) Höhepunkt findet.
Der traditionsbewusste Lutheraner Bach ist verwurzelt in der mathematisch geordneten Tradition des Barock. Bei aller Virtuosität seiner kompositorischen Handschrift, den gewagten und beherzten Vorstößen, die seine Zeitgenossen (und nicht nur die) weit in den Schatten stell(t)en, fand bei ihm doch jede Note ihren Platz nach klaren Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Das Gefühlvolle, Subjektive, das der nachfolgenden Generation, seinem Sohn genauso wie Friedrich, so wichtig war, lehnte er kategorisch ab.
Die Parallelen zu der Entwicklung von Theologie, Politik und Philosophie sind mit den Händen zu greifen. Genau das tut James R. Gaines und wirft damit einen beindruckenden interdisziplinären Blick auf das 18. Jahrhundert. „Musik an sich“ ist das nicht, sondern nebenbei auch eine hellsichtige Beschreibung, in welchem Maß Kunst und Musik Kinder ihrer Zeit sind – und manchmal auch Geburtshelfer einer heraufdämmernden neuen!
Norbert von Fransecky
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