Primal Fear

New Religion


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 21.8.2020 (21.9.07)

(Nuclear Blast)

Gesamtspielzeit: 57:17

Internet:

http://www.primalfear.de


Album Nr. 7 markierte anno 2007 eine gewisse Zäsur für Primal Fear. Zum einen verließ Langzeitgitarrist Tom Naumann vor selbigem die Band, und für ihn kam ein anderer langzeitiger Weggefährte Mat Sinners, Henny Wolter, dazu. Zum anderen aber gab Sinner seinen Job bei Nuclear Blast auf und lotste auch Primal Fear von der seit dem Debütalbum bestehenden Partnerschaft weg: New Religion erschien letztlich bei Frontiers Records. Vor diesem Hintergrund verwundert allerdings, dass der vorliegende, knapp anderthalb Dekaden später erschienene Re-Release nun wiederum das Nuclear-Blast-Signet trägt.
Solche strukturellen Dinge können dem geneigten Anhänger freilich in gewisser Weise egal sein – ihn wird die enthaltene Musik mehr interessieren. Den Originalrelease hatte Norbert damals mit 15 Punkten bewertet; der Re-Release enthält als Bonustrack eine nicht weiter ins Gewicht fallende orchestrale Version von „Fighting The Darkness“ und macht ausstattungstechnisch nicht den Eindruck, als ob da was zum 2007er Original verändert worden wäre – es gibt die üblichen Bestandteile wie Lyrics und Produktionsinformationen, interessanterweise aber keine Danksagungen. Die hier und da aufscheinende unterschiedliche Trackanzahl sollte nicht weiter verwundern: „Fighting The Darkness“, „The Darkness“ und „Reprise“ sind in manchen Pressungen wie z.B. der hier vorliegenden als drei Einzeltracks programmiert, in anderen aber als ein Track zusammengefaßt.
Ein großer Primal-Fear-Anhänger ist der hier tippende Rezensent nie gewesen. Klar, das selbstbetitelte Debütalbum paßte Ende des letzten Jahrtausends perfekt in die durch HammerFalls Glory To The Brave losgetretene neue Traditionsmetal-Bewegung und wurde auch hier fleißig gehört, begann sich dann aber relativ schnell abzunutzen, zumal immer brav ein schnellerer und ein langsamerer Metal-Track aneinandergereiht wurde, ohne große Variationsbreite oder Ideenvielfalt. Der Gig der Tour zum Zweitling Jaws Of Death, den der Rezensent am 24.9.1999 im Ratskeller Fraureuth (RIP!) erlebte, zählt noch aus heutiger Perspektive zum Langweiligsten, an das er sich konzertseitig erinnert. So fand in der Folge nur sporadisch Tonmaterial der Band in die Kollektion, wenngleich der Hitcharakter einer Nummer wie „Metal Is Forever“ weder wegdiskutiert werden kann noch soll (und eigentlich auch nicht darf). Auch die Originalpressung von New Religion befindet sich nicht hier in der Sammlung, zumindest nicht in deren durchgehörtem Teil (ob sie noch irgendwo auf einem der großen Stapel der Ungehörten lagert, kann der Rezensent aus dem Stegreif nicht sagen), und so geschieht das Wiederhören mit einem gewissen Quantum gewachsener Hörerfahrung.
Und siehe da, New Religion überrascht über weite Strecken durchaus positiv. Im Opener „Sign Of Fear“ läßt Ralf Scheepers Schreie los, die assoziieren, als sei er immer noch unglücklich, in den Frühneunzigern nicht den Job als neuer Judas-Priest-Sänger erhalten zu haben, und dass der Song selbst auch nach klassischen Priest-Zeiten klingt, wird nicht weiter verwundern. Über weite Strecken hält sich der Sänger allerdings vom Halford-Gekreisch mittlerweile fern und agiert eine Oktave tiefer, was auf die Dauer auch stimmschonender ist, zumal auch die neue Stimmlage gut zum Material paßt, egal wie es letztlich ausgerichtet ist. Schon „Face The Emptiness“ an Position 2 geht nämlich in eine etwas andere Richtung, immer noch im traditionellen Metal verwurzelt, aber mit Orchesterelementen aufgepeppt, die Gastkeyboarder Matthias Ulmer hier zum Glück noch einigermaßen wohldosiert anbringt, bevor er dann drei Jahre später diverse Nummern von Helloweens 7 Sinners in restlos ungenießbarer Weise zukleisterte. Für manchen Traditionalisten wird hier freilich vor allem „Everytime It Rains“ an Position 3 auch schon jenseits einer gewissen Goutierbarkeitsgrenze liegen, da wir hier eher moderne angedüsterte Rockmusik hören, von Ronny Milianowicz mit diversen Loops und Samples ausstaffiert und Epica-Fronterin Simone Simons als Gastsängerin auffahrend. Einen eingängigen Refrain müssen dem Song freilich auch die Kritiker zugestehen, und abgesehen von den beiden Fassungen von „Fighting The Darkness“ bleibt die Nummer mit ihrer moderneren Ausrichtung auch singulär. Der Titeltrack an Position 4 koppelt die Stilelemente der ersten beiden Nummern, bevor die erwähnte „Darkness“-Trilogie daherkommt, bei der erstaunlicherweise der instrumentale zweite Teil „The Darkness“ am meisten überzeugt: Hier hören wir einfallsreichen, wendungsreich arrangierten und intelligent instrumentierten Orchestermetal – die Außenteile hingegen stehen wieder an der Grenze zur Überfrachtung, obwohl der Refrain wirklich gut ist. Die obere Härtegrenze des Albums markiert „Blood On Your Hands“, wobei die Band hier beweist, dass ein kleiner moderner Ausflug in einer harten Power-Metal-Umgebung durchaus funktionieren kann: Scheepers‘ Stimme wird gelegentlich verfremdet. „The Curse Of Sharon“ wiederum leidet am etwas zu einfallslosen Refrain, im Speedie „Too Much Time“ braucht man etwas Zeit, um sich an die abgestoppte Bridge vor dem Hauptsolo zu gewöhnen, und an dessen Ausklang ist der Schlußrefrain so klobig geklebt, dass man sich verzweifelt fragt, ob da nicht irgendwie ein bißchen Fluß reingekonnt hätte, den es in diesem großartigen Song (ein Fest für alle Liebhaber gitarrenseitig durchgeriffter Melodien!) ansonsten reichlich gibt. Der Stampfer „Psycho“ zündet schneller, wobei es sich hier lohnt, mal genau auf den Unterschied in der Stimmung der Rhythmusgitarren in der Bridge und im Rest des Songs zu achten. Gewöhnungsbedürftig ist hier freilich der atmosphärische und mit geflüsterten Vocals untermalte Part am Ende des Hauptsolos, der eher inhaltlich, aber weniger musikalisch zum Rest des Songs zu gehören scheint. „World On Fire“ bietet erneut speedigen Traditionsmetal mit dezenter, aber wirkungsvoller Orchesteruntermalung, wobei die abgestoppte Hinleitung zum wieder speedigen Hauptsolo ein bißchen Gamma-Ray-Feeling atmet und Drummer Randy Black am Soloende die schnellsten Stakkati des Albums spielen darf. Mit dem epischen Sechsminüter „The Man (That I Don’t Know)“ beschließt der längste Track des Albums (zumindest wenn man die „Darkness“-Trilogie nicht auseinandernimmt) das reguläre Programm, auch hier mit gekonnter, wirkungsvoller und prima dosierter Orchesteruntermalung, die einen verzweifelt mit dem Kopf schütteln läßt, was Ulmer dann bei Helloween angerichtet hat, wo er doch hier gezeigt hat, wie es richtig geht. Gut, Sinner ist als Co-Arrangeur für die Orchesterarrangements angegeben – vielleicht ist also sein Einfluß für das auf New Religion über weite Strecken richtige Maß verantwortlich. Der Bonustrack macht aber eben klar, dass die Stärke der Band eben nicht im reinen Orchesterarrangement liegt und auch nicht in den Loops und Samples – zum Glück ist niemand gezwungen, der das Original schon besitzt, sich wegen dieser knapp drei Minuten Musik das ansonsten über weite Strecken sehr hörenswerte Album noch ein zweites Mal zu kaufen. Und irgendwie kommt auch der hier tippende Rezensent zu keiner anderen Punktzahl als Norbert damals.



Roland Ludwig



Trackliste
1Sign Of Fear4:47
2Face The Emptiness4:35
3Everytime It Rains3:52
4New Religion4:04
5Fighting The Darkness3:36
6The Darkness3:51
7Reprise1:16
8Blood On Your Hands4:02
9The Curse Of Sharon4:40
10Too Much Time5:13
11Psycho3:54
12World On Fire3:53
13The Man (That I Don’t Know)6:10
14Fighting The Darkness (Orchestral Version)2:47
Besetzung

Ralf Scheepers (Voc)
Henny Wolter (Git)
Stefan Leibing (Git)
Mat Sinner (B)
Randy Black (Dr)



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