Die Auflösung eines Plattenladens ermöglicht Gonne Stecher über Musik zu reden
Snorre, Bonke und Bernd sind die drei prägenden Gestalten dieses Buches. Snorre bringt alles ins Rollen, als er „mal ein paar Tage“ weg muss, Bonke den Schlüssel zu seinem Plattenladen in den Briefkasten wirft und ihm auf den AB quatscht, er solle sich die paar Tage (aus denen dann sehr viel mehr Tage werden) um den Laden kümmern. Bonke bringt erst einmal Ordnung in das chaotisch geführte Geschäft. Irgendwann begreift er, dass er den Laden endgültig am Hacken hat und entschließt sich, ihn zu liquidieren – nicht zuletzt mit der Hoffnung, dass er durch den Verkauf der Lagerbestände die 20.000 € hereinholen kann, die er Snorre in einer schwachen Stunde zum Aufbau des Ladens geliehen hat. Ein wichtiger Faktor beim Gelingen dieses Vorhabens ist Bernd, ein Musik Nerd, der sich (warum wird nicht ganz klar) dazu entschieden hat, seine umfangreiche Plattensammlung aufzulösen und sie Bonke Stück für Stück in Kommission zu geben. Die teilweise ultra-raren Scheiben bringen wesentlich mehr in die Kasse, als Snorres Bestand, der zum nicht unerheblichen Teil für Mini-Beträge feilgeboten werden muss, um überhaupt Abnehmer zu finden. Die Handlung des Romans ist letztlich absolut sekundär. Mit ihr schafft sich Gonne Stecher vor allem einen Rahmen, in dem er seine Meinung zu mehr oder weniger bekannten Bands und Alben abgeben kann – in der Regel aus dem Mund von Bernd, der gelegentlich auch mal – ähnlich subjektiv – politisieren darf, z.B. in der recht allgemein gehaltenen Systemkritik-Predigt ab Seite 127 und der Analyse des Wirtschaftssystems ab Seite 139. Seine völlige Ahnungslosigkeit in theologischen Fragen beweist Stecher in einer Minimal-Kritik am Papst (S.148) und einem völlig verstrahlten Kommentar zur Bibelüberlieferung (S.154). Dazu passt seine musikalisch extrem arrogante Haltung, die sich nicht nur in seinem Kommentar zu einem von ihm zusammengestellten Musikprogramm (S. 176) zeigt. Die beste Plattensammlung der Welt liegt 2021 in zweiter unveränderter Auflage vor. Wann die Erstauflage erschien, wird nicht verraten. Es muss aber schon etwas her sein. Nicht, weil sich Bernd eher auf Musik aus dem 60ern und 70ern verlegt, sondern z.B. weil auf Seite 55 deutlich wird, dass das „Downloaden“ zu einem Zeitpunkt zu dem es in Deutschland bereits 10 Millionen Internetnutzer gab, noch ein ganz neues Phänomen ist. Handys kommen gerade in Mode. Der Euro war noch nicht eingeführt. Spätestens wenn auf Seite 60 die Discothek Grünspan erwähnt wird, weiß man auch, dass die Handlung in Hamburg spielt. Wie jede gute Schallplatte hat Die beste Plattensammlung der Welt zwei Seiten. Die erste endet auf Seite 206 und damit endet auch die Handlung, an deren Ende noch 33 Alben von Bernds Sammlung übrig sind, die er Bonke vermacht. Die zweite Seite des Buches besteht aus eingehenden Würdigungen dieser 33 Alben auf fast 100 Buchseiten. Die Art und Weise, in der Bernd Bonke die Alben überlässt, erinnert ein wenig an meine monatliche Kolumne 25 Years after. Denn Bernd übergibt diese 33 Alben, die möglicherweise – ganz deutlich wird das nicht - Die beste Plattensammlung der Welt darstellen, die im Titel genannt wird, mit Kommentaren, die erläutern, was dieses Scheiben für Bernd bedeutet haben. Norbert von Fransecky |
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