Nightwish
Hvman. :||: Natvre.
|
|
|
Nach dem für Nightwish-Verhältnisse schwächeren (wenngleich in der Gesamtbetrachtung der symphonicmetallischen Welt noch immer turmhoch herausragenden) 2015er Album Endless Forms Most Beautiful (die Einschätzung hat sich seit der Niederschrift des auf www.crossover-netzwerk.de zu lesenden Reviews punktuell verändert, indem der eine oder andere Einfall doch noch seine wahre Größe offenbarte – aber im Grundsatz war und bleibt es das schwächste Nightwish-Album seit Angels Fall First) und dem „Back to the roots“-Projekt Decades samt hochgradig begeisternder zugehöriger Tour (siehe Konzertbericht und Live-CD-Review auf diesen Seiten) blieb mit der üblichen nervösen Spannung abzuwarten, welche Kaninchen Tuomas Holopainen als nächstes aus dem Hut zaubern würde. Manch einer mag erhofft haben, die basische Ausrichtung des Endless-Openers „Shudder Before The Beautiful“ und die erwähnte Wurzelsuche könnten in einem eher kompakten, metallischeren Album münden, zumal der Chefdenker und der Multiinstrumentalist Troy Donockley mit Auri ja mittlerweile noch ein zusätzliches Vehikel am Start haben, wo sie ihre folkigen und/oder ambienten Ambitionen ausleben können. Aber Holopainen und Erwartungshaltungen – das stellt auch in der beginnenden dritten Dekade des neuen Jahrtausends ein Oxymoron dar, wie man schon nach dem ersten Hören des leicht auszusprechenden, aber, sofern man der auf dem Digibook zu findenden Variante folgt, schwierig zu schreibenden Hvman. :||: Natvre. begreift. Und auch 20 Durchläufe später sitzt man immer noch mit einer gewissen Ratlosigkeit da und versucht zu begreifen, was das eigentlich ist, was man da hört, und was einem Holopainen damit sagen will. Das neue Werk ist die erschließungstechnisch mit Abstand forderndste Nightwish-Scheibe, wenngleich sie manche ihrer Reize bereits beim allerersten Hören preisgibt und damit den Hörer erfolgreich immer weiter in ihre Abgründe lockt.
Fangen wir mit der Analyse an, fällt zunächst auf, daß Hvman. :||: Natvre. ein Doppelalbum geworden ist – und zwar auch schon in der Basisversion. Bisher war es bei den jüngeren Nightwish-Werken die Regel, daß das eigentliche Werk auf eine CD paßte (wenngleich die Kapazitätsauslastung seit Once immer bei mindestens drei Vierteln lag) und man neben der Einzel- auch eine Doppel-CD erwerben konnte, auf deren zweitem Silberling das Werk noch einmal in einer Instrumentalfassung zu hören war. Eine derartige Instrumentalfassung existiert auch für Hvman. :||: Natvre., und zwar eine Dreifach-CD als Earbook.
Allerdings ist die zweite CD der Normaledition tatsächlich instrumental gehalten (mit Ausnahme einer kurzen Narration): Sie enthält einen achtteiligen Ambient-Track namens „All The Works Of Nature Which Adorn The World“, der mit 31 Minuten Spielzeit zugleich Holopainens Beitrag zur „Höher, schneller, weiter“-Strategie bildet, da es sich um den längsten Nightwish-Song handelt, der bisher publiziert wurde. Kurioserweise steht die mögliche rezensierende Aufarbeitung zur Songlänge in einem reziproken Verhältnis: Man hört die Nummer ein paarmal durch und beschränkt sich bei allen weiteren Durchläufen des Albums dann auf CD 1, es sei denn, man steht explizit auf mäßig einfallsreichen orchestralen Ambient oder will unbedingt die aus den Songs von CD 1 (oder älteren Nightwish-Nummern) hier herüber gewanderten Themen und ihre Verarbeitung finden. Das Geschehen plätschert lange Zeit dahin, das erste wirklich markante Thema kommt aus dem Klavier und steht in „Moors“, was bereits Teil 4 ist, und größere Dynamik findet man nur im Finale „Ad Astra“, aber auch da weit unterhalb dessen, was man von Klangzauberer Holopainen sonst gewohnt ist. Wem man das hörtechnisch empfehlen kann, weiß der Rezensent nicht einzuschätzen. Im „klassischen“ Bereich (das meint hier alles seit der Erfindung der traditionellen viersätzigen Sinfonieform durch Carl Stamitz und diverse Spießgesellen) gibt es jedenfalls riesige Mengen deutlich spannenderer Kompositionen, und die Nummer zeigt, daß Holopainen, so genial er auch für den regulären Bandkontext komponieren kann, eben doch (noch?) kein großer Komponist im „klassischen“ Kontext ist, was einem auch schon in diversen Momenten von „The Greatest Show On Earth“ aufgefallen war, das seinen Spannungsbogen auch nicht durch seine 24 Minuten halten konnte, obwohl sich zumindest das Hauptthema mittlerweile tatsächlich in der quasi übermenschlichen Größe offenbart hat, die es tatsächlich besitzt (was zum Rezensionszeitpunkt auf www.crossover-netzwerk.de noch nicht der Fall war). Die Wahrscheinlichkeit, daß so eine Entwicklung auch bei „All The Works Of Nature Which Adorn The World“ eintritt, ist freilich verschwindend gering, da die diesbezügliche Themendichte viel zu gering erscheint, als daß man da noch etwas völlig Mitreißendes, Übergroßes zu finden hoffen könnte. Für reinen Ambient wiederum ist das Stück zu unruhig (diesbezüglich geht immer noch nichts über die 23 Minuten von Anathemas „Dreaming: The Romance“), und als Filmmusik ohne Bilder funktioniert es selbst mit den Abbildungen im Booklet nur bedingt. Da geht selbst die zweite oder dritte Reihe der „klassischen“ Komponisten locker vorbei, so daß „All The Works Of Nature Which Adorn The World“ im direkten Vergleich nur wie ein Übungsstück anmutet. Okay, es soll die Entwicklung des Planeten vom ersten Leben bis zum kosmischen Zeitalter darstellen, und da passiert anfangs halt noch nicht viel Aufregendes, was erklärt, warum das musikalische Geschehen die erste Viertelstunde dahinplätschert. Aber etwa in „Eine Alpensinfonie“ von Richard Strauss passiert in der zugrundeliegenden Handlung anfangs minutenlang auch nichts Aufregendes, und trotzdem ist die Musik so spannend, daß man gebannt vor dem Lautsprecher oder im Konzertsaal sitzt – es geht also durchaus, wenig spannende Handlung in sehr spannende Musik zu übersetzen. Wer weiß, vielleicht schüttelt Holopainen auf dem nächsten oder übernächsten Nightwish-Album auch in diesem Genre ein Meisterwerk aus dem Ärmel (zuzutrauen ist ihm bekanntlich alles) – aber hier macht man wenig falsch, wenn man CD 2 vom häufigeren Verweilen im CD-Player ausschließt.
Beschränken wir uns also im weiteren auf die Analyse der neun Songs von CD 1, summiert knapp über die 50-Minuten-Marke reichend.
„Music“ wabert lange vor sich hin, aber immerhin schon von vornherein mit einem Spannungs- und Dynamikgrad, den man auf CD 2 weitestgehend vergeblich sucht. Letztlich bleibt man allerdings kopfschüttelnd zurück: Da evoziert Holopainen in der dritten Minute ein Thema, das an Großartigkeit kaum zu überbieten ist – und was macht er? Er nimmt es nicht etwa als Grundlage für die noch folgenden drei Minuten des Songs, sondern legt es achtlos ad acta. Dieses Thema verarbeiten zu dürfen, danach hätten sich 99,99% aller anderen Kreativen der Symphonic-Metal-Welt die Finger geleckt, ihre Großmütter, Freundinnen und Tafelsilberschätze verkauft – und dieser Finne hält das für unnötig. Gut, an mangelndem Selbstbewußtsein leidet er aktuell offensichtlich nicht, aber das grenzt dann doch an Größenwahn, zumal dem Rest von „Music“ eine derartige Genialität fehlt – Nightwish-Stangenware und damit immer noch hochgradig hörenswert, aber eben nicht der erhoffte Leuchtturm und auch stilistisch verstörend, da die ersten metallisch zupackenden Momente erst kurz vor Minute 5 auftauchen. Aber auf die Erwartungshaltung haben wir ja bereits rekurriert, und nach etlichen Durchläufen beginnt sich dann auch der Refrain im Hirn des Hörers festzusetzen. Laut Selbstzeugnis des Komponisten sollen die sieben Minuten die Entwicklung der Musik in den letzten Jahrtausenden darstellen – damit wird dann auch klar, wieso es so lange (nämlich 4:47 Minuten) dauert, bis sich der erste Metal herausschält: Er ist im Vergleich zur gesamten Musikgeschichte halt doch relativ jung. Ab Minute 5:20 findet sich mit einer gefühlvollen Gitarrenmelodie der, wie sich herausstellt, markanteste Beitrag von Gitarrist Emppu Vuorinen für das ganze Album, und das mit der Stangenware relativiert sich mit einem Blick auf das Songkonzept auch: Holopainen reflektiert sozusagen sein eigenes Songwriting auf dem Stand von vor knapp 20 Jahren, wobei man vom Feeling her am ehesten an das Century Child-Album denkt, wenngleich nicht an dessen mehr als nur latente Düsternis.
„Noise“ enthält keinen solchen, sondern entpuppt sich als gutklassiger Nightwish-Bombast mit einem gegenüber dem Opener deutlich schneller ins Ohr gehenden Refrain. Kinderchor, Orchesterbreaks, perlende Keyboardläufe und ein paar Spaceelemente prägen den B-Teil der in einer traditionellen ABA-Struktur gehaltenen Komposition, während der A-Teil klassischen Symphonic Metal flüssigen Tempos auffährt. Somit haben wir hier eine Art Kreuzung aus Wishmaster und Dark Passion Play vor uns, und zwar eine sehr gelungene, wenngleich der allerletzte Geniemoment fehlt.
„Shoemaker“ fällt lange Zeit nur durch die verschobenen Drumelemente im Hauptteil auf, der als eine Art modernere Version von „Deep Silent Complete“ durchgeht. Hier singt erstmals auch Marko Hietala mit, allerdings in einer sanften Manier, so daß man erstmal genau hinhören muß, ob er es wirklich ist und nicht etwa Donockley. Die Harmonie mit Floor Jansen, die an der betreffenden Stelle Backings singt, ist allerdings perfekt abgestimmt. Seltsamerweise kommt zum Schluß allerdings noch ein völlig anders gearteter Part zum Tragen, wo Jansen ins Sopranfach wechselt und vokalisenartige Klänge beisteuert. So interessant dieser Teil auch ist – seine Zusammengehörigkeit mit dem Rest des Songs erschließt sich auch nach x Durchläufen kaum.
„Harvest“ wird maßgeblich von Donockleys Einfluß geprägt – über weite Strecken zunächst eine Folkballade, auch von ihm gesungen und mit einem durchaus nicht simplen, aber enorm eingängigen und phasenweise mehrstimmig a cappella intonierten Refrain, der den Status einer Singleauskopplung ebenso rechtfertigt wie der analoge den von „Noise“. Diverses folkiges Gebläse prägt dann auch den stampfend-rockigen Hauptteil, so daß hier eine Art „Nightwish goes Skyclad“ entsteht, und das auf hohem Niveau. Ob die sehr künstlich wirkende Klatschanimation sein mußte, darf trotzdem kontrovers diskutiert werden. Da hatten die „Hu-Ha“-Einwürfe in „Scaretale“ mehr Charme.
„Pan“ stellt den wohl unauffälligsten Song der ersten CD dar – typischer Nightwish-Bombastmetal, guter Stoff, aber nichts, was sie nicht selber schon oft besser gemacht hätten. Puristen mag freuen, daß Holopainen hier aufs perlende Grand Piano setzt, während Tonartenanalysten ein reiches Betätigungsfeld für harmonische Studien finden. Leider stehen sich Jansen und Hietala im Refrain stimmlich im Wege, anstatt sich zu ergänzen, wofür freilich die gelungene Kinderchor-Passage entschädigt.
„How’s The Heart?“ stellt nicht nur den einzigen aus mehr als einem Wort bestehenden Songtitel von CD 1, sondern fällt auch noch in anderer Hinsicht aus dem Rahmen. Zum einen handelt es sich sozusagen um den Hit der Platte, der aber seltsamerweise nicht als Single ausgekoppelt worden ist. Zum anderen haben sich Nightwish immer mal schon in Richtung Melodic Rock vorgetastet, aber selten so weit wie hier: Die Nummer knüpft stilistisch an „For The Heart I Once Had“ von Dark Passion Play an, ergänzt den Melodic Rock aber noch um eine folkige Note und nur latente Metalelemente. Der Song ist im Zuge der Erschließung des Albums der erste, der sich im Gehör festsetzt, und zwar bereits nach dem allerersten Hören, wozu der beste Refrain des Albums sein Scherflein beiträgt, der im Finale sogar noch zeigt, daß Hietala nicht nur ultratief Baß spielen, sondern auch ultratief Baß singen kann. Und man lausche mal genau, wie unauffällig und doch unwiderstehlich Hietala und Drummer Kai Hahto hier den Rhythmusteppich weben und wie stark der simple und doch so mächtige Beckenschlag, den der Schlagwerker jeweils in der Mitte der Strophen plaziert, wirkt!
„Procession“ bleibt lange im atmosphärischen Bereich, bevor Hahto doch noch einen flotten Rhythmus auf die Snare legt, den er aus verschiedenen Zwischenstufen entwickelt. Der Song transportiert trotzdem ein unterkühltes Feeling, ungeachtet des zutraulich wirkenden Dudelsacks, und läßt im Gesamtbild die Zuordnung „Nightwish goes 80er-Wave“ aufscheinen – eine Überraschung und sicherlich noch nicht das letzte Wort Holopainens in dieser Richtung. Das soll der erste für Hvman. :||: Natvre. entstandene Song gewesen sein, und man dankt dem Finnen unwillkürlich, daß er der Versuchung widerstanden hat, die ganze Platte in diese Richtung zu lenken, was des Absonderlichen dann wohl etwas zuviel gewesen wäre.
„Tribal“ läßt anhand des Titels schon erahnen bzw. befürchten (je nach Standpunkt), was zu hören sein wird: „Nightwish goes Ethno“. Das ist indes nicht weiter schlimm, sind doch Hahtos Ethno-Drums gekonnt in den typischen Orchestermetal eingepaßt, und Jansen darf sogar mal furios shouten. Was allerdings danach passiert, hätte wohl keiner für möglich gehalten, denn der Song entwickelt sich zur Nightwish-Antwort auf Sepulturas „Roots Bloody Roots“, sogar Vuorinen kurz in einen entsprechenden Tonfall verfallen lassend und zum Finale das Tempo groß anziehend, während zwischenzeitlich vokal abermals „Hu“ und „Ha“ regierten, aber diesmal mit dem Tonfall südamerikanischer Stämme und keiner pseudomongolischen. Der mit knapp vier Minuten kürzeste Song des Albums entpuppt sich unerwarteterweise also auch als der einfallsreichste, mit dem sich die Finnen am weitesten aus dem Fenster lehnen.
„Endlessness“ beweist erneut, daß die Tourpartner Nightwishs bisweilen Einflüsse auf Holopainens Songwriting zurücklassen. Das war bei „Rest Calm“ so (Timo Rautiainen & Trio Niskalaukaus ließen bei diesem Song, einem der wohl unterschätztesten sowohl des Imaginaerum-Albums als auch des gesamten Bandschaffens, grüßen), und hier sind es nun Swallow The Sun, wenngleich diese das Grundthema vermutlich mit halber oder noch niedrigerer bpm-Zahl umgesetzt hätten. Macht nichts: Auch in der vorliegenden Fassung ist diese Nummer das alles überstrahlende Glanzlicht von Hvman. :||: Natvre. – eine gigantische Gothic-Metal-Hymne, eingeleitet vom allerallerbesten Thema des Werks (selbst das nicht weiterverwendete von „Music“ übertreffend), kongenial vokalisiert von Hietala und damit dessen Abschied von der Band nochmal trauriger machend, als er so schon ist. Der gigantische Chorrefrain setzt dem Song die Krone auf, denkt man, aber dann nimmt Holopainen kurz nach Minute 5 das Tempo raus, bringt das einleitende Thema in mannigfaltiger Verarbeitung und greift damit endgültig nach dem Herzen des empfindsamen Zuhörers. Solche Geniestreiche erwartet man von diesem Mann, und die Einschätzung von Hvman. :||: Natvre. ist maßgeblich von der Frage bedingt, ob man das Glas als halbvoll oder als halbleer bezeichnet. Man kann bedauern, daß es nur einen solchen Geniestreich auf dem Album gibt – aber man kann sich auch freuen, daß es wenigstens der eine ist (und ein paar weitere Songs, die sich nicht weit davon entfernt niederlassen).
Bleibt natürlich trotzdem die Frage, wie Hvman. :||: Natvre. insgesamt zu bewerten ist. Für den Rezensenten war es jedenfalls die bisher mit Abstand am schwierigsten zu erschließende Nightwish-Scheibe, und das, obwohl er nach den ersten paar Durchläufen des Gesamtwerkes, also beider CDs, beim Gros der weiteren Durchläufe auf die zweite CD verzichtete, da er das Gefühl hatte, es gäbe dort nichts weiter zu entdecken, womit er vermutlich nicht falsch liegt und daher strukturell froh ist, daß die Nummer mit dem Bandwurmtitel nicht noch mit auf die erste CD gepaßt hat und ihm dort wertvolle Lebenszeit geraubt oder jedes Mal ein früheres Entfernen der CD aus dem Schacht erfordert hätte. Zum Glück bleibt dieser Song der einzige richtige Ausfall auf dem Gesamtwerk, da selbst eine Nummer wie „Pan“ den gewohnten Nightwish-Qualitätsstandard nicht entscheidend unterschreitet und man ihr (im Gegensatz zu diversen Songs von Endless Forms Most Beautiful, die wie die kleinen und unattraktiveren Schwestern früherer Geniestreiche anmuteten) diesen Umstand nicht entscheidend nachtragen kann, da hier die Zusatzfunktion übernommen wird, im Rahmen einer eher ungewöhnlichen Nightwish-Scheibe einen Ankerpunkt am Althergebrachten zu setzen. Klar, Jansens Stimme und Holopainens grundsätzlicher Kompositionsstil sind typisch genug, daß man kaum in Zweifel gerät, wer hier musiziert (außer eben auf der austauschbaren zweiten CD). Trotzdem bleiben einige Wünsche offen, und man wird das Gefühl nicht los, Holopainen habe immer noch nicht gelernt, wie er die Stärken seiner weiland drei Sänger effektvoll zur Geltung bringen kann. Ob dieser Umstand mit zum ein Dreivierteljahr nach dem Release der Scheibe (und der vorläufigen Absage der zugehörigen Touraktivitäten) bekanntgegebenen frustrierten Rückzug Hietalas aus der Band und dem gesamten Musikbusiness beigetragen hat, darüber kann nur spekuliert werden, aber es erscheint durchaus nicht unmöglich, und für die Zukunft bleibt nun zunächst die Frage offen, ob der nächste Nightwish-Bassist zugleich auch die Sangesfunktionen Hietalas mit übernimmt oder ob das jetzt alles Donockleys Aufgabe wird. Letzteres wäre schade, es sei denn, der Multiinstrumentalist kann auch angerauhter singen, oder Holopainen setzt Jansen, die dazu bekanntlich auch in der Lage ist, verstärkt in diesem Stimmfach ein. Das dürfte live allerdings nicht bzw. zumindest nicht ohne Umarrangements funktionieren, da ja statt drei nur zwei Stimmen zur Verfügung stehen, während im Studio gespannt abzuwarten bleibt, in welche Richtung das nächste Nightwish-Album denn gehen wird. Der geniale Schritt, Hvman. :||: Natvre. eben nicht als weiteren Nachfolger von Dark Passion Play und Imaginaerum anzulegen (nachdem Endless Forms Most Beautiful als primärer Nachfolger wie beschrieben das Niveau nicht halten konnte), sondern den Nightwish-Kosmos wieder etwas auszudehnen, ohne ihn zu überspannen, spricht jedenfalls klar dafür, daß das kreative Füllhorn des Chefdenkers noch lange nicht versiegt ist, auch wenn etwa „Procession“ in seiner Position der Wave-Lastigkeit sicher noch nicht der kreative Gipfel in dieser Richtung ist, während es kaum denkbar erscheint, im Gothic-Metal-angehauchten Sektor „Endlessness“ nochmal zu übertreffen – aber der Rezensent wiederholt sich: Holopainen und Erwartungen, das paßt nicht immer so ganz zusammen. Und allein für dieses „Endlessness“, diesen Giganten, diesen kreativen Achttausender lohnt sich der Erwerb von Hvman. :||: Natvre. allemal, zumal auch weitere der Songs ein Level aufweisen, das sie im Kontext aller anderen Genrekollegen zu alles überstrahlenden Highlights machen würde. Daß das Digibook geschmackvoll mit Artefakten aus der Menschheitsentwicklung gestaltet wurde und man im Gegensatz zum Albumvorgänger in den Grafiken diesmal auch was erkennt, sei abschließend lobend erwähnt.
Roland Ludwig
Trackliste |
CD 1
1. Music (07:23)
2. Noise (05:40)
3. Shoemaker (05:19)
4. Harvest (05:12)
5. Pan (05:20)
6. How’s The Heart? (04:59)
7. Procession (05:31)
8. Tribal (03:57)
9. Endlessness (07:13)
CD 2 - All The Works Of Nature Which Adorn The World
1. Vista (03:59)
2. The Blue (03:35)
3. The Green (04:42)
4. Moors (04:44)
5. Aurorae (02:07)
6. Quiet As The Snow (04:05)
7. Anthropocene (including „Hurrian Hymn To Nikkal“) (03:05)
8. Ad Astra (04:41) |
|
|
|
|
Besetzung |
Floor Jansen (Voc)
Troy Donockley (Voc, Git, Uillean Pipes, Low Whistles, Bouzouki, Bodhran, Aerophone)
Emppu Vuorinen (Git)
Tuomas Holopainen (Keys)
Marko Hietala (B, Voc)
Kai Hahto (Dr)
|
|
|
|