220 Volt
Eye To Eye
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Info |
Musikrichtung:
Hardrock
VÖ: 2021 (1988)
(Music On CD)
Gesamtspielzeit: 42:30
Internet:
http://www.220volt.se
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Die 1979 gegründeten Schweden 220 Volt legten eine steil bergauf führende Karriere hin: Majordeal, drei Alben im Jahrestakt zwischen 1983 und 1985, dazu die Single Heavy Christmas, die sich wie das sprichwörtliche geschnittene Brot verkaufte – da wurde auch Amerika aufmerksam, wo mit Electric Messengers eine Compilation aus Material der ersten drei Alben erschien und die Formation als Support für AC/DC (noch so eine Band mit Elektrizität im Namen ...) auftreten durfte. Den ersten größeren Dämpfer verpaßte der Band allerdings ihr Heimatland: Bis auf Gitarrist Peter Olander mußten alle Musiker gleichzeitig zur Armee, so dass die Formation auf Eis lag und CBS zur Überbrückung auch in Europa eine Compilation herausbrachte, diesmal allerdings eine namens Young And Wild, die diverse Singletracks, Remixe und andere Raritäten nebst einigen neuen Songs enthielt. Olander hielt sich derweil in der Band von John Norum bei Laune, mit der er das Album Total Control einspielte. Für das vierte richtige Studioalbum gingen die wiedervereinigten 220 Volt dann mit dem renommierten Produzenten Max Norman in ein Studio in New York – und Eye To Eye dürfte dann so manchen Altanhänger entsetzt haben: Urwüchsigen Skandi-Metal im Stile vor allem der beiden Vorgängeralben Power Games und Mind Over Muscle gibt es genau einmal, zudem auch noch am Albumende versteckt – „Dog Eat Dog“ fegt in reichlich drei Minuten einmal von Östersund nach Stockholm und zurück, läßt die beiden Gitarristen mal richtig von der Leine und den Drummer auch. Das ist der Stoff, aus dem die Träume des traditionsorientierten Metalfans sind, und da solcher derart selten serviert wird, schrie alle Welt von der bösen Kommerzialisierung und Amerikanisierung. Und tatsächlich: Der Rest von Eye To Eye hätte auch von einer beliebigen US-Westküsten-Sonnenschein-Hardrockband (despektierlich auch als Haarsprayrocker tituliert) eingespielt worden sein können. Damit befanden sich 220 Volt anno 1988 durchaus im Trend, sowohl international als auch national, denn man vergegenwärtige sich, dass beispielsweise auch Silver Mountain ihre neoklassischen Einflüsse auf dem im gleichen Jahr erschienenen Roses & Champagne einer amerikanisierten Herangehensweise geopfert hatten, und von Europe brauchen wir gar nicht erst zu reden – die spielten schon seit dem finalen Countdown keinen urwüchsigen Metal mehr, wie sie das auf Wings Of Tomorrow noch getan hatten, sondern waren mittlerweile bei Out Of This World angekommen. Joey Tempest & Co. konnten freilich noch von ihren Hits zehren, was Silver Mountain mangels solcher nicht gelang und 220 Volt auch nicht. Letztere trennten anno 1990 ihre Instrumente von der Steckdose, tauchten allerdings in verschiedenen Kontexten wieder auf und letztlich im neuen Jahrtausend auch wieder unter dem alten Bandnamen und mit diversen neuen Releases.
Die Frage ist nun: Hat Eye To Eye im Rückblick über mehr als drei Dekaden die damalige Verdammnis verdient oder nicht? Die Antwort ist ein klares Jein. Mit den Erwartungshaltungen konform ging das Material natürlich nicht, aber andererseits waren 220 Volt auch auf den drei Frühwerken trotz gewisser Kernigkeit schon keine bedingungslosen Härtner gewesen, sondern hatten sich zu Demo- und Debützeiten u.a. an MSG, an Ozzy oder auch an Rainbow orientiert (man vergleiche mal „Woman In White“ vom selbstbetitelten Debüt mit „Spotlight Kid“ und „No Return“ mit „Crazy Train“!) – und auch Ritchie Blackmore war mit der amerikanisierenden Umorientierung seines Bandvehikels ja schon mal kräftig aufs Antlitz gefallen. Relevant ist aber eine andere Frage: Wenn man die stilistische Ausrichtung des Albums so akzeptiert, wie sie nun mal ist – kann das Material überzeugen? Und da zeigt der Daumen doch tendenziell nach oben. Das relativ flotte, die B-Seite eröffnende „Live It Up“ beispielsweise versucht sozusagen das Bindeglied zwischen „Dog Eat Dog“ und dem Rest des Albums darzustellen, das auch als Single ausgekoppelte „Love Is All You Need“ offenbart sich als blitzsauberer Melodic Rock an der Grenze zur Ballade, diese aber eben nicht überschreitend, und den atmosphärischen, aber zugleich griffig-kernigen Titeltrack hätten auch Stryper auf In God We Trust (wenn wir im Jahr 1988 bleiben wollen) übernehmen können. Dazu kommt als Plus die nach den oft unsicher wirkenden Frühzeiten (höre das Debütalbum als Vergleich) mittlerweile erstklassige Leadstimme von Jocke Lundholm, der Joey Tempest stimmlich etwas ähnelt und ihm qualitativ kaum nachsteht (in den Strophen von „Dangerous“ etwa meint man den Europe-Fronter als Gast zu hören), und Norman hat nicht nur für ein blitzsauberes, aber trotzdem nicht steriles Klanggewand gesorgt, sondern auch ein Augenmerk auf die Ausfeilung der Chöre vor allem in den Refrains gelegt. Festhalten muß man allerdings auch, dass Eye To Eye schwer in Gang kommt und mit „The Harder They Come“, „I’m On Fire“ und „Beat Of A Heart“ erstmal drei solide, aber keine Bäume ausreißende Nummern bringt, bevor mit dem Titeltrack das erste richtige Highlight um die Ecke biegt. Das hätte man geschickter lösen können, vielleicht mit „Live It Up“ als Opener der A-Seite, so dass gleich etwas mehr Schwung ins Geschehen gekommen wäre. Oder man hätte „Dangerous“ genommen und den Leuten weisgemacht, das hier sei die neue Europe-Scheibe ... Zumindest anhand dieses Songs hätte so mancher das vermutlich geglaubt, wobei man nicht annehmen sollte, 220 Volt seien Europe-Clones – da ist allein schon die Tatsache vor, dass sie mit zwei Gitarristen, aber ohne Keyboarder arbeiten und nur hier und da zwecks atmosphärischer Untermalung zum Tasteninstrument greifen, für das sich dann Gitarrist Mats Karlsson verantwortlich zeichnet. Geholfen hat aber wie beschrieben alles nichts, auch die Teilnahme an der schwedischen Version der Monsters Of Rock-Festivals mit Treat und den Electric Boys nicht: Eye To Eye fiel durch.
Einen eigenen Eindruck kann man sich nunmehr anhand des vorliegenden Re-Releases von Music On CD machen, wobei dieser das Cover der europäischen, aber die Tracklist der amerikanischen Version aufweist. Letztgenannte endet nämlich nicht mit „Dog Eat Dog“, sondern bietet als Bonustrack noch „On The Other Side“, das die Europäer nur als B-Seite der Love Is All You Need-Single kennenlernen konnten. Interessanterweise gibt das Booklet (das auch alle Lyrics enthält) für „Dog Eat Dog“ und „On The Other Side“ die ganze Band als Songwriter an, für die neun anderen Songs aber nur vier Mitglieder, nämlich alle ohne den Sänger. Wer vermutet, dass das vielleicht Uraltmaterial sein könnte, liegt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit falsch, denn Lundholm ist zwar tatsächlich erst seit 1983 dabei, Olander aber als jüngster Neuzugang erst seit 1984, und der ist schon mit als Songwriter genannt. Außerdem klingt „On The Other Side“ genauso amerikanisch wie der Rest des Albums, ist also nicht auf der gleichen urwüchsigen Metal-Schiene unterwegs wie „Dog Eat Dog“. Dieses Rätsel muß also vorläufig ungelöst bleiben und ein anderes auch: Bekanntlich waren 220 Volt mit AC/DC auf Tour, und auf Eye To Eye steht nunmehr ein Song namens „Money Talks“ – zwei Jahre vor einem gewissen Album namens Thunderstruck mit einer gewissen Single ...
Aber wie auch immer: Wir haben, wenn wir keine Erwartungshaltungen hegen, ein ordentliches Hardrockscheibchen vor uns, dem zwar noch das eine oder andere weitere Aha-Erlebnis zu wünschen gewesen wäre, das aber im Schrank von Menschen, die musikalisch irgendwo zwischen Europe und Stryper unterwegs sind, durchaus gut aufgehoben ist. Und „Dangerous“ könnte man mal für einen Blindfold-Test verbraten ...
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | The Harder They Come | 3:53 |
2 | I’m On Fire | 4:20 |
3 | Beat Of The Heart | 4:15 |
4 | Eye To Eye | 3:47 |
5 | Love Is All You Need | 4:09 |
6 | Live It Up | 3:38 |
7 | Money Talks | 4:01 |
8 | Dangerous | 3:34 |
9 | Still In Love | 4:08 |
10 | Dog Eat Dog | 3:11 |
11 | On The Other Side | 3:35 |
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Besetzung |
Jocke Lundholm (Voc)
Mats Karlsson (Git, Keys)
Peter Olander (Git)
Mikael Larsson (B)
Peter Hermansson (Dr)
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