Alpha Tiger im Interview: Es war schnell klar, dass es ein sehr emotionales und persönliches Album wird.
Die Überraschung des Sommers ist den Sachsen Alpha Tiger mit ihrem vierten, selbstbetitelten Album gelungen. Alpha Tiger bietet alles andere als typischen Heavy Metal, den man gerne ins Powermetal-Regal einsortierte. Aber eigentlich hätte man die Signale des Vorgängers iDentity nur etwas besser deuten müssen. Auch dort wagte man sich schließlich schon über die Genrekante hinaus. Allerdings nicht mit einer Konsequenz wie hier. Hier passt auch der Sängerwechsel gut ins Bild. Der Neuanfang ist also geglückt, auch wenn nicht jeder Altfan geradezu in Jubelstürme ausgebrochen ist. Mit einem objektiven Ohr gehört, entwickelt das Album allerdings eine ganz eigene Faszination. Deswegen mussten wir auch Gitarrist und Songwriter/Texter Peter Langforth etwas zum neuesten Alpha-Tiger-Werk befragen. Euer neues, selbst betiteltes Album hat mich erstaunt und ich dachte mir gleich, dass hier durchaus einen Aufschrei in den Metalszene geben dürfte, was der Blick in diverse Foren auch bestätigt hat. Dass manchen Leuten die Freizeit nicht zu schade ist, um sich in irgendwelchen Foren über Bands auszulassen, werde ich wohl nie verstehen. Früher hätte ich mir das wahrscheinlich alles ganz genau durchgelesen und mich versucht zu rechtfertigen, heute sehe ich das aber zum Glück alles mit Gelassenheit. Die Platte klingt doch ganz schon anders. Fast wie eine gute Kombination aus Powermetal und Classic Rock. Wie kam es zu dem Richtungswandel? Mit der Platte wollten wir uns keinem Retrotrend anbiedern. Das hat sich einfach in die Richtung entwickelt, die einzige Entscheidung, die wir wirklich bewusst getroffen hatten, war, dass wir dieses Mal analog aufnehmen wollten. Als die Marschrichtung damit feststand, hat sich der Rest dann einfach in die Richtung entwickelt. Dadurch, dass wir die Gitarren im Grunde etwas zurückgefahren haben, hatten wir auf einmal viel mehr Möglichkeiten den Sound zu gestalten. Die Orgel hat sich da bei vielen Songs einfach angeboten. Für einige Songs wie „Feather In The Wind“, oder „My Dear Old Friend“ ist die Orgel sogar essentiell, bei anderen Songs wie „Comatose“ eher ein Gimmick, aber meiner Meinung nach harmoniert die Orgel selbst mit den harten Songs. Hätten die Leute damals genau hingehört, hätten sie aber gehört das wir selbst auf unserem letzten Album iDentity schon drei Songs mit dominanter Orgeluntermalung hatten, von daher versteh ich den „Aufschrei“ nicht ganz. Einige Änderungen sind auch für musikalische Laien sehr offensichtlich. Die erwähnten Orgelklänge, die Gitarren scheinen etwas rotziger, kantiger gespielt und die Melodien sind noch präsenter, nicht selten auf richtigem AOR-Niveau. Was habt ihr sonst bewusst anders gemacht, was man vielleicht nicht gleich beim ersten Mal hört? Bewusst anders haben wir gar nichts gemacht, unterbewusst hingegen wahrscheinlich ziemlich viel. Über irgendwelche Stilistiken oder produktionstechnische Dinge hab ich mir beim Schreiben der Songs überhaupt gar keine Gedanken gemacht. Aber es war schnell klar, dass es ein sehr emotionales und persönliches Album wird, da sich in der Zeit ziemlich viel angestaut hat und es viel zu bewältigen und zu verarbeiten gab. Die musikalische Verpackung hat sich dann daraus ergeben. Dieses Bauchgefühl was ich in der Zeit hatte, zieht sich durch die gesamte Platte, was wohl den melancholischen Unterton erklärt. Aber für mich hat es auf jeden Fall Funktioniert. Melodie und Eingängigkeit waren mir schon immer wichtig. Das war diesmal nicht anders, bei manchen Songs ist die Eingängigkeit ein wenig subtiler, andere kann man schon beim ersten Hören mitsingen. „My Dear Old Friend“ hat mich erst mal umgehauen. Zuerst beginnt es sehr nostalgisch und dann nimmt der Text eine ganz schön krasse Wendung. Ich hoffe das Lied hat kein wahres Vorbild... oder ist eine Reflektion auf echte Personen? Ja, man kann das Lied auf echte Personen beziehen, aber es ist auf jedem Fall nicht unserem Ex-Sänger Stephan gewidmet. Im Kern dreht es sich um eine wirklich innige, langjährige Freundschaft, der metaphorisch gesehen schwere Zeiten bevorsteht. Es geht darum, manchmal auch loslassen zu müssen. Der Text sollte aber nicht zu kitschig werden, weshalb ich da lieber auf ein paar, sagen wir mal, dramaturgische Mittel zurückgegriffen habe. Der Song bedeutet mir persönlich auch sehr viel und ich erinnere mich sehr gern an die Studiosession zurück. Zum einen mit Johannes Walenta, der die Orgel auf der Platte gespielt hat, zum anderen an die Berliner Jungs von Street Hawks, die den großartigen Chor zu dem Song beigesteuert haben. Da bekomme ich noch immer jedes Mal Gänsehaut! Es gibt ja nicht sonderlich viele Gitarrensoli auf der Platte, da hab ich mich diesmal sehr zurückgehalten, aber in dem Song liefert sich die Gitarre mit der Orgel ein Duell, da hab ich dann natürlich alles gegeben. (lacht) Wenn Du schon euren Ex-Sänger Stephan Dietrich erwähnst: Als Beobachter von außen kam es schon ziemlich überraschend, als er kurz nach dem Release von iDentity Alpha Tiger verlassen hat. Begründet wurde es gegenüber der Presse mit persönlichen Gründen. Kam die Entscheidung für euch ebenso überraschend und kannst bzw. willst Du etwas Licht ins Dunkel bringen, wie es damals abgelaufen ist? Es war sicher eine schwere Zeit. Ja, es kam in der Tat für uns alle sehr unerwartet überraschend. Vielleicht hätte man es wirklich kommen sehen können und wir hätten die Zeichen schon früher deuten sollen, dann wäre es vielleicht nicht gekommen wie es gekommen ist. Vielleicht wollten wir es auch gar nicht erkennen, es hat sicherlich auch an der Kommunikation gehapert, das kann man nicht anders sagen, dann erreicht man irgendwann mal einen gewissen Punkt, wo der Schaden zu groß ist um ihn noch beheben zu können. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, aber es hat sich schon irgendwie angedeutet. Aber man muss auch berücksichtigen, dass wir damals gerade mitten in der extrem stressigen und belastenden Albumproduktion von iDentity steckten. Da fliegen natürlich ab und an mal die Fetzen, es wird diskutiert, es sind nicht immer alle einer Meinung, usw. Aber das ist doch ganz verständlich in einem hochkonzentrierten Kreativprozess. Wir haben wohl gehofft, dass sich alles wieder entspannen wird, vor allem als man dann sehen konnte, dass sich die harte Arbeit langsam auszuzahlen schien, aber dem war leider nicht so. Nach der zweiten Record-Releaseshow hat er uns seine Entscheidung mitgeteilt, daraufhin mussten wir auf den restlichen Konzerten der Tour noch den Schein wahren. Danach war's das dann.
Ich denke die Europatournee mit Battle Beast war das beste Integrationsprogramm was man sich vorstellen kann, zuvor hatte er ja nur zwei oder drei Shows mit uns gespielt, bevor es dann vier Wochen am Stück, quer durch Europa ging. Da wurde er von Show zu Show besser, konstanter und selbstsicherer. Das gelernte konnte er auf dem Album dann gleich mit vollem Einsatz einbringen. Auf jeden Fall sind wir sehr happy mit Benji. Er ist ein sehr ruhiger und angenehmer Zeitgenosse, der auf der Bühne aber einen Orkan entfesseln kann wenn er gut drauf ist. Ich freu mich für ihn, dass er jetzt seine „eigenen“ Songs zum Singen hat und sich nicht jedes Mal mit Stephan vergleichen lassen muss wenn er die alten Songs singt. Ein Sänger drückt dem Song natürlich immer einen dicken Stempel auf, auch wenn ich nach wie vor für die Texte und die Songs verantwortlich war, hat Benji sich die Lieder trotzdem zu eigen gemacht und seine eigene Note eingebracht. Ich denke es war nicht einfach für ihn, beim Singen in meine Gefühlswelt einzutauchen. Wie bereits erwähnt, wurde es diesmal sehr persönlich, deshalb habe ich auch großen Wert drauf gelegt, dass die jeweiligen Passagen mit der richtigen Emotionalität und Intensität gesungen werden, dabei ist Benji teilweise über seine Grenzen gegangen. Er hat das in meinen Augen großartig gemeistert, dafür bin ich ihm sehr dankbar! Auf den Konzerten vor der Albumveröffentlichung Ende August habt ihr das neue Album noch komplett außen vor gelassen. Warum eigentlich keine kleine Kostprobe? Wolltet ihr die neue Richtung noch geheim halten und es spannend machen? Im Vorfeld der Veröffentlichung hatten wir kaum Shows gespielt, nur zwei, drei Festivals. Klar hätte man da auch schon mal einen bringen können. Das hatte nichts mit Geheimniskrämerei zu tun. Das Problem war eher, dass wir ja mittlerweile in ganz Deutschland verteilt leben und nun weniger, dafür aber gezielter und intensiver proben als früher. Wir haben uns jetzt im August/September verschanzt und uns das ganze Album drauf geschafft, damit wir die Songs bei den bevorstehenden Shows im Herbst und Winter auf die Bühne bringen können. Das erfordert auch einen gewissen technischen Aufwand, da man auf der Bühne ja irgendwie die Atmosphäre des Albums reproduzieren sollte. Da wollten wir nichts dem Zufall überlassen. Allgemein zu den neuen Texten: Viele wirken ziemlich deprimiert oder zumindest trotzig und melancholisch. Da lässt auch den Schluss nahe, dass sie während einer persönlich nicht ganz einfachen Phase geschrieben wurden. War das schreiben dieser Songs eine Befreiung für Dich, eine Art Katharsis? Klingt natürlich auch etwas klischeehaft. Kannst Du auch gute Songs schreiben, wenn Du gut drauf bist? Ja, das Schreiben der Songs hat schon viel Last von der Seele genommen. Ich bin auch mit der Umsetzung sehr zufrieden. Das heißt wenn man so viel von sich preis gibt, sollte auch der musikalische Rahmen stimmen. Das finde ich, ist und diesmal gut gelungen. Die Musik spiegelt die Texte wieder und die Texte reflektieren die Musik. Klar kann man auch Songs schreiben wenn man gut drauf ist, aber inhaltlich bleibt das dann alles immer etwas oberflächlicher. Ich brauche extreme Emotionen wie Trauer, Wut oder Sehnsucht, um wirklich bis zum Kern durchzudringen und um mich wirklich mit mir und meinen innersten Problemen auseinandersetzen zu können. Diese Ebene bleibt einem meist verschlossen wenn alles easy ist und stets nach Plan verläuft. Dann will man sich mit so was gar nicht auseinander setzen, da es einem nur den Tag versauen würde. (lacht) „Don't be a jukebox“ heißt es im Spoken-Word-Intro zu „The Last Encore“. Es klingt auch ganz so, als seid ihr mit den üblichen Szenekonventionen nicht mehr wirklich zufrieden. Die Musik der neuen Platte ist alles andere als typischer Metal, das Coverartwork ebenso. Fühlt ihr euch überhaupt noch als typische Metalband? Wie siehst Du den derzeitigen Zustand der Metalszene und wohin soll die Reise von euch noch gehen? Das kann ich nicht wirklich beantworten, da ich mich kaum mit irgendwelchen Szenen beschäftige. Natürlich rede ich viel mit Leuten über Musik und freue mich wenn uns Leute anschreiben und uns ihre Gedanken zum neuen Album mitteilen. Aber als Musiker fühle ich mich einfach wohl damit, tun und lassen zu können was ich will, denn nur so kann ich Musik schaffen die wirklich von Herzen kommt. Diese Freiheit nehme ich mir einfach heraus. Ob das dann die Leute hören wollen oder nicht, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Ich kann es keinem Fan der ersten Stunde verübeln, wenn wir uns musikalisch gesehen in gewisser Weiße „auseinander gelebt haben“. Aber dann soll er uns doch bitte so in Erinnerung behalten wie er es gern hätte, dazu die Man Or Machine-Platte auflegen und andere Bands unterstützen, die mehr seinem Geschmack entsprechen, anstelle seinen Unmut laut und öffentlich kund zu tun. Das sind doch verschwendete Ressourcen. Was ich auf jeden Fall sagen kann ist, dass wir mit unserer neuen Platte trotzdem den Nerv vieler Leute getroffen haben, und dass die Songs ein paar Leuten sehr viel bedeuten. Das ist für mich das Einzige was zählt und wenn wir damit auch nur das Leben von einem Menschen bereichern konnten, wäre es schon als Erfolg zu werten. Im Lied „The Last Encore heißt es: „We learned that dreams can't pay the rent“. Nur eine Floskel stand wirklich mal zur Disposition Alpha Tiger als professionelles Unternehmen zu führen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen? In dem Song geht es darum, dass jeder Träumer irgendwann mal von der Realität eingeholt wird. Die letzten Jahre seitdem wir irgendwann 2010/2011 Durchgestartet sind, vergingen wie im Flug. Es gab viele Höhen, es gab aber auch ein paar schwere Rückschläge, aber die gesamten Jahre hat man wie in einer Blase verbracht. Es ist ja immer irgendwas passiert und es war Bewegung im Spiel, weshalb man sich über so etwas kaum Gedanken gemacht hat. Privat konnte man das schon alles irgendwie hinbiegen, dass das mit der Band funktionierte und am Laufen gehalten werden konnte. Erst als der Zug dann auf einmal stillstand und für eine Zeit gar nichts mehr passierte, dann kamen die ganzen unliebsamen und unangenehmen Gedanken, die man vorher gern Verdrängt hat, oder vor sich her geschoben hat. Dann hinterfragt man so einiges, man stellt fest, dass ja doch schon einige Jahre ins Land gezogen sind und man fragt sich, ob man wirklich noch auf dem richtigen Weg ist. Diesen Moment der Selbstreflexion wollte ich mit dem Song „The Last Encore“ einfach festhalten. Mario Karl |
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