Rameau, J.-Ph. (Rousset, Chr.)
Zaïs
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Info |
Musikrichtung:
Barock Oper
VÖ: 11.09.2015
(Aparté / Harmonia Mundi / 3 CD / DDD / live 2014 / Best. Nr. AP109)
Gesamtspielzeit: 158:00
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LICHT UND SCHATTEN IN RAMEAUS ZAUBERREICH
Mit dem Rameau-Jubiläum 2014 rückten nach den Hauptwerken auch die weniger bedeutsamen, aber nichts desto trotz reizvollen Bühnenstücke des französischen Barockkomponisten stärker in den Fokus. Dieser Live-Mitschnitt seines 1748 uraufgeführten „heroischen Balletts“ Zaïs ist ein gutes Beispiel für Rameaus reifen Stil: Nach den Schocks, die er mit seinen Werken der 1730er Jahre dem Pariser Opernpublikum zugemutet hatte, wirkt die Musik hier wesentlich „geschmackvoller“, d. h. harmonisch ausgewogener, eleganter, virtuos und charmant - aber eben auch angepasster und dekorativer.
Ein großer Wurf ist vor allem die Ouvertüre, die die Trennung der Elemente im Schöpfungsakt nachzeichnet: mit vereinzelten Tambourschlägen und Akkorden der Bassinstrumente beginnend, entwickelt sie sich temperamentvoll, voller überraschender Wendungen, harmonisch und rhythmisch heikel - ein instrumentales Minidrama als Klangfarbenfeuerwerk. Das Publikum rebellierte – wieder einmal – gegen so viel Innovation und das Stück wurde durch ein konventionelleres ersetzt. Heute hingegen steht außer Frage, die Originalfassung zu spielen.
Der Plot vermeidet allzu dunkle dramatische Wendungen oder Vertstrickungen. Die Geschichte des unsterblichen Zaïs, dem König der Sylphen (Luftgeister), der in Gestalt eines Hirtens die schöne Schäferin Zélidie zunächst bezirzt und dann mit Hilfe seines Vertrauten Cindor allerlei verschärften Treueprüfungen unterzieht, bis er, von Zélidies Hingabe überwältigt, sogar auf die eigene Unsterblichkeit verzichten möchte, lässt an verspielte Rokoko-Gemälde von François Boucher denken: Ein Puppenspiel aus Seide und Spitze und in einer hyperrealistischen Landschaft, die gerade durch ihre Perfektion künstlich und distanziert wirkt. Rameau lädt mit seiner Musik allerdings selbst die verbrauchtesten Seufzer und Galanterien der Figuren mit einem schmerzvoll-melancholischen Sehnsuchtston auf, der eher an Watteaus zerbrechliche oder verlorene Paradiese denken lässt.
Vor allem die Arien der Zélidie, von Sandrine Piau wunderbar nuanciert und mit leuchtender Sopranstimme interpretiert, berühren durch ihr zarten Farben und ergreifenden harmonischen und melodischen Wendungen, z. B. das mit irisierenden Seufzern der Flöten durchsetzte Air accompagné Coulez mes pleurs im III. Akt. Leider reicht von den übrigen Sängern keiner an dieses Niveau heran: Die Partie des Zaïs wird von Julian Pregardien interpretiert. Die Rolle erfordert jenen klaren, jugendlich-hohen Tenor, der in der französischen Barockoper für die Heroen reserviert war. Pregardien fehlt es da im Vergleich mit manchen französischen Kollegen in der Höhe an Leichtigkeit, die Partie scheint unbequem für ihn zu liegen und die Sensibilität seiner Interpretation wirkt dadurch etwas gequält. So ganz mag man da nicht glauben, wieso Zélidie so treu an ihm festhält. Allerdings tritt mit dem wenig durchschlagskräftigen Cindor von Benoît Arnould auch kein stimmlich wirklich attraktiver „Verführer“ in Baritonlage auf. Unter den angemessen besetzten Nebenrollen (bemerkenswert v. a. Aimery Lefèvre als Oromazès) fällt Zachary Wilder, der in der Rolle eins namenlosen Sylphen eine einzige Ariette beisteuert, mit seiner unschön gefärbten, überforderten Stimme deutlich ab.
Vorzüglich ist wie immer der Choeur de Chambre de Namur. Rameau hat den Chor mit wichtigen dramaturgischen Aufgaben betraut, er agiert immer wieder wie ein eigener „Darsteller“ in schnellem Wechsel mit den übrigen Protagonisten. Überhaupt fällt auf, wie Rameau und sein Librettist Cahusac sich bemüht haben, durch eine Fülle von miteinander verzahnten kurzen Nummern und den raschen Wechseln zwischen Rezitativen und prägnanten Airs beim Publikum keine Langeweile aufkommen zu lassen (z. B. das Divertissement im II. Akt (4. Szene), das organisch in die übrige Handlung eingwoben ist; auch der IV. Akt besticht in der 2. und 3. Szene durch seine spannungsvolle Verbindung von Vokal- und Orchesterpart). Und wie meistens bei Rameau gibt es in dieser Oper viele Tänze, die in diesem Fall auch für die Bezeichnung „Heroisches Ballett“ verantwortlich sind. Sie sind durchweg inspiriert und glänzend orchestriert, wenngleich ohne jene archaische Kraft, die z. B. die Tambourins in Dardanus auszeichnet.
Die Instrumentalmusik liegt bei Christophe Rousset und seinen Talens Lyrique in den besten Händen - eine wahrlich perfekte Darbietung, die Rameaus filigranen Musik-Texturen vollkommen gerecht wird. Mitgeschnitten wurde die Aufführung in der Hofoper von Verailles; die Tontechnik hat den Klang der Instrumente sehr direkt, voll und resonanzreich aufgenommen und sorgt dadurch für eine besonders farbige, kontrastreiche Wiedergabe. So kommt die die Stilsicherheit und brillante Virtuosität der Ausführenden ebenso zur Geltung wie ihr Sinn für feine dynamische Zwischentöne. Der gelegentliche Einsatz des Schlagzeugs setzt dem orchestralen Funkeln noch die Krone auf. Auch wenn im Vokalen nicht alles gleichermaßen glänzt: Für das Orchesterspiel allein lohnt sich diese Aufnahme bereits.
Georg Henkel
Trackliste |
CD 1: Prolog & I. Akt 60:00
CD 2: Akte II & III 67:00
CD 3: IV. Akt 31:00
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Besetzung |
Julian Prégardien
Sandrine Piau
Aimery Lefèvre
Benoît Arnould
Amel Brahim-Djelloul
Hasnaa Bennani
Zachary Wilder
Choeur de Chambre de Namur
Les Talens Lyrique
Christophe Rousset: Cembalo & Leitung
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