Musik an sich


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Händel - Ligeti - Kagel u. a. (Pálfalvi, T.)

Agitato - Musik für Trompete


Info
Musikrichtung: Barock Neue Musik Konzert Solo

VÖ: 25.09.2015

(Berlin Classics / Edel / CD DDD / 2015 / Best. Nr. 0300682BC)

Gesamtspielzeit: 60:04



WAGNIS UND KONVENTION

Der ungarische Trompeter Tamás Pálfalvi legt mit Agitato ein Debutalbum vor, dass ihn als instrumentales und stilistisches Multitalent ausweist. Altmeisterliches von Araia, Vivaldi, Händel und Telemann begegnet mehr oder weniger Zeitgenössischem von Ligeti, Kagel, Dubrovay und Erickson. Die Arrangements der älteren Werke zeichnen sich durch Brillanz und Virtuosität aus, Qualitäten, die durch die stupende Technik Pálfalvis schön zur Geltung kommen, wobei die Spielfreude und nicht die historische Genauigkeit im Vordergrund stehen. Zudem begleitet das Franz-Liszt-Kammerorchester dann bei den barocken Stücken dann doch mit eher routinierter Verve, in den langsamen Sätzen auch mit deutlichem Vibrato - ein klassischer "One-Fits-All-Sound".
Pálfalvi Trompetenspiel freilich ist „State oft he Art“ und kann sich mit dem anderer aktueller Trompetenvirtuosen ohne weiteres messen. Doch während viele seiner KollegInnen sich bevorzugt in barocken und klassischen Gefilden aufhalten, geht der junge Ungar weiter und lässt sich mit Lust am Experiment auf die wilden, komplexen und auch witzigen Würfe moderner Komponisten ein. Ligetis Mysteries oft he Macabre ist so ein Fall. Drei ursprünglich aus der grotesken Anti-Anti-Oper Le Grand Macabre stammenden Arien für Koloratursopran und Orchester hat Ligeti hier zusammengefasst und für kleines Ensemble bzw. Klavier bearbeitet, später entstand noch eine vom Komponisten genehmigte Version für Solotrompete statt Sopran. Die schon in der Vokalversion irre Musik wird hier instrumental auf die parodistisch-hysterische Spitze getrieben: Ein großer Spaß mit Hintersinn, der sich anders als z. B. Kryll von Robert Erickson, nicht nur in grotesken Gesten erschöpft (hier muss Pálfalvi noch im Falsett "schreien" und "singspielen"). In László Dubrovay Trompetenkonzert Nr. 3. bekommen wir eine postmoderne Mixtur aus Walzerparodie und ätherischen Klängen geboten und in Mauricio Kagel Morceau de Concours ist die Perspektive eher humoristisch, wenn konventionelle Floskeln zunächst einfach gespielt und umgehend zur Karikatur verzerrt werden.
Als Visitenkarte ist dies eine gelungene Platte. Man wünscht sich, dass Pálfalvi vor allem das Neue und Unerhörte weiter erkundet, hier wirkt sein Spiel packender, unmittelbarer und nicht so sehr durch die Konvention barocker Hits bestimmt. Wie wäre es z. B. mit den Kompositionen von Karlheinz Stockhausen, der sehr viele und bedeutende Werke für Trompete komponiert hat und dieses Instrument denkbar weit aus dem Nischendasein eines Orchester- und Virtuoseninstruments geführt und zu einem musikalischen Darsteller gemacht hat?



Georg Henkel



Trackliste
01 Vivaldi, Agitata da due venti
02 Robert Ercikson, Kryl
03-07 Händel, Suite in D-Dur
08 Ligeti, Mysteries of the Macabre
09-10 Lászlo Dubrovay, Trompetenkonzert Nr. 3
11-13 Telemann, Sonate D-Dur
14: Mauricio Kagel, Morceau de Concours
15 Francesco Ariaia, Cadró ma qual si mira
Besetzung

Tamás Pálfalvi: Trompete

Franz Listz Kammerorchester


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