Bach, J. S. (Kuijken)
Brandenburgische Konzert Nr. 1-6
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Info |
Musikrichtung:
Barock Konzert
VÖ: 01.09.2010
(Accent / Note 1 2 SACD / 2009 / Best. Nr. ACC 24224)
Gesamtspielzeit: 93:51
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KLASSISCH INNOVATIV
Alle Achtung: Sollte der Trompeter Jean-François Madeuf sein ventil- und bohrungsloses Barockinstrument wirklich mit dieser Intonationssicherheit und Virtuosität beherrschen, wie man es hier beim 2. Brandenburgischen Konzert hören kann – es wäre eine kleine Sensation. Dass man in der historisch informierten Spielpraxis auf sogenannte Originalinstrumente oder ihre Nachbauten zurückgreift, ist bei den Trompeten bislang nämlich nur die halbe Wahrheit gewesen: Zwar hat man auf die späteren Ventile verzichtet, aber um schräge Töne zu vermeiden kleine Hilfsbohrungen angebracht, so dass man auf der Trompete gleichsam wie auf einer Blockflöte spielen kann. Um einige heikle Töne zu erreichen, war dies lange Zeit das Mittel der Wahl. Wenn man es mal ohne diese Tricks versuchte, klang es für heutige Ohren eben immer schnell schräg. Dass habe man sich dann wohl im Barock zurecht gehört, hieß es dann immer. Madeuf zeigt: Es geht tatsächlich ohne solche Eingriffe. Der Klang ist nicht weniger schmetternd und brillant als vorher, allerdings klingt die Natrutrompete oboen- und klarinettenfarbiger, ihr Timbre bekommt gleichsam einen vokalen Einschlag. (Dass man im 18. Jahrhundert die Kastratenstimme gerne mit einer Trompete verglich, bekommt von daher einen neuen Sinn …)
Auch an anderer Stelle bietet diese Neueinspielung klangliche Entdeckungen: Der Verzicht auf den Kontrabass zugunsten des kleineren Basse de Violon und der Einsatz des ebenfalls geringer dimensionierten Schultercellos (Violoncello da spalla) sowie die durchgängig einfache Besetzung aller Stimmen hellen das Klangbild hörbar auf. Schmal klingt es nicht – eher fein ziseliert und glänzend. Sigiswald Kuijken und La Petite Bande präsentierten einen Bach, der luxuriöse Kammermusik auf höchstem Niveau komponiert hat. Das Prinzip des Concertos wird auf alle Instrumente ausgedehnt, keines ist „nur“ Füllstimme, alle sind Solisten.
Keine Extreme – das war bei Kuijken auch nicht anders zu erwarten. Alle Mittel werden gleichsam auf einer mittleren, „klassischen“ Linie ausbalanciert. Von daher stimmt das Hüllenfoto mit der klassizistischen Westansicht der Brandenburger Tores von 1850 (Theodor Rabe) nicht ganz unpassend auf die Produktion ein. Tempi, Artikulation und Dynamik sind entspannt, um nicht zu sagen abgeklärt (doch nicht ohne Humor, wie z. B. das kecke Horn im 1. Konzert beweist!). Nach so vielen Jahren Spielpraxis möchte Kuijken die Musik nicht ein weiteres Mal neu erfinden, eher neue Erkenntnisse integrieren. So bekommt man ein zeitgenössisches Pendant zu Reinhard Goebels Starkstrom-Interpretation von 1983 (die beim Wiederanhören trotz (oder wegen) ihrer Extreme immer noch ganz frisch klingt).
Erstaunlich gelassen beispielsweise das Tempo im 1. Satz des 6. Brandenburgischen Konzert. Doch angesichts der kammermusikalischen Auffassung macht das Sinn und hat man sich erst einmal auf das sanfte, ganz natürliche Pulsieren eingestimmt, lässt einen diese unwiderstehlich vorwärtsschwingende, hypnotische Musik nicht mehr los. Man hört: Der menschliche Körper und sein innerer Rhythmus sind hier das Maß.
Offenes, transparentes Klangbild. Informatives Beiheft mit genauen Besetzungsangaben.
Georg Henkel
Trackliste |
CD I 51:31
Konzert Nr. 3, 5, 1
CD II 42:20
Konzert Nr. 4, 6, 2
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Besetzung |
La Petite Bande
Sigiswald Kuijken: Gambe, Schultercello & Leitung
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