Bach, J. S. (Les Récréations)
Die Kunst der Fuge
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Kammermusik
VÖ: 08.09.2023
(Ricercar / Note 1 / CD / DDD / 2022 / RIC 453)
Gesamtspielzeit: 73:43
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KONTRAPUNKT-PASSION
Johann Sebastian Bachs monumentales Alterswerk „Die Kunst der Fuge“ erfährt durch die fünf Musiker:innen von „Les Récréations“ eine klangintensive und passionierte, oft packende und mitreißende Darbietung, die einen für über 70 Minuten in Bachs Kontrapunkt-Kosmos hineinzieht.
Wie leidenschaftlich, ausdrucksvoll und farbig diese Musik klingen kann, haben auch schon zahlreiche andere Interpret:innen gezeigt. Auch finden sich viele überzeugende Lösungen, was eine mögliche Besetzung des in Partiturform notierten, aber ohne genaue Instrumentierung und in verschiedenen fragmentarischen Versionen vorliegenden Zyklus angeht. Da eine von Bach autorisierte Reinschrift fehlt, bleibt Raum für reizvolle Spekulationen und Rekonstruktionen.
„Les Récréations“ haben sich für eine Art erweitertes Streichquartett in wechselnden Kombinationen entschieden, wobei Violino piccolo und Violoncello piccolo oder ein doppelter Bratschensatz die für die „normale“ Quartettbesetzung nicht erreichbaren Töne ohne Transpositionen oder Retuschen spielbar machen.
So können sich die Interpret:innen ganz auf die Musik konzentrieren, die sie je nachdem als spielerisch-konzertante, retrospektiv-strenge oder „modern“ galante bzw. empfindsame kontrapunktische „Stilübungen“ auffassen. Dazu kommt ein glutvoll sangliches Spiel, mit dem sie die musikantischen Potentiale dieser Synthesen, in denen Bach Altes und Neues kreativ verbindet, tief ausschöpfen. Die Kirchenakustik vergrößert den Klang von selbst, so dass auf Vibrato weitgehend verzichtet werden kann.
Vor allem die Darstellungen der komplexeren Kontrapunkte ab Nr. IX überzeugen durch den nochmals gesteigerten dramatischen Atem, die rhythmische Pulsation und das schön ausbalancierte Wechselspiel der Stimmen. Wird die konzertante Dimension betont, rücken die Oberstimmen auch schon mal etwas in den Vordergrund. Auch treibt Bach in XI ja besonders die chromatischen Entwicklungen voran, was zu spannungsvollen harmonischen Reibungszuständen führt, die von „Les Récréations“ noch einmal besonders ausgekostet werden.
Auch die vier scheinbar ganz abstrakten Kanons geraten ihnen zu Spiegeln wechselnder Affektzustände, durch die die staunenden Zuhörenden hindurchgehen – so emotional eindringlich, ja ergreifend kann derlei „musikalische Mathematik“ sein, so unmittelbar berührend Bachs barocke „Esoterik“.
Wenn dann nach 19 Stationen die nur unvollständig überlieferte Tripel-Schlussfuge erreicht ist, entscheidet sich das Ensemble an der Abbruchstelle nach einer kurzen Zäsur, noch einmal neu anzusetzen und eine mögliche (Er)Lösung vorzuschlagen: Sie vollenden den letzten Kontrapunkt mit dem Einsatz des Grundthemas in Kombination mit den drei Themen der finalen Fuge – denn dass das Werk ursprünglich von Bach vollendet worden sei und von der krönenden Schlussfuge lediglich eine leider nur fragmentarische Skizze erhalten geblieben sei, davon sind die Musiker:innen überzeugt. So fügt sich alles ganz natürlich – „Les Récréatons“ ist damit ein eindringlicher, bewegender Abschluss gelungen.
Georg Henkel
Besetzung |
Les Récréations
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