Exiled On Earth
Non Euclidean
|
|
|
Von Exiled On Earth hatte der Rezensent vor knapp zwei Dekaden den Demo-Zweitling Seizure Of Rationality im Player, verlor die Band trotz seines sehr positiven Eindrucks von den drei Songs dann aber wieder aus den Augen. Die nächste akustische Begegnung findet nun mit dem dritten Album Non Euclidean statt, die beiden dazwischenliegenden Scheiben The Orwell Legacy und Forces Of Denial können also nicht zur Aufzeigung eventueller Entwicklungsstränge herangezogen werden. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn das, was die Italiener damals spielten (noch zu fünft), und das, was sie jetzt spielen (zum Quartett geschrumpft, da eines Gitarristen verlustig gegangen, was aber immer noch zwei in der Besetzung läßt, da Kreativkopf Tiziano Marcozzi Gitarre und Gesang übernimmt und der vierte Instrumentalist neben der Rhythmusgruppe nach wie vor kein Keyboarder, sondern gleichfalls Gitarrist ist, wobei Alfredo Gargano das Gros der Leads übernimmt), unterscheidet sich stilistisch nur in Nuancen. Geboten wird nach wie vor das, was man in den Endachtzigern als Techno Thrash zu bezeichnen pflegte, nicht ahnend, dass diese Bezeichnung wenig später mit der Erscheinung einer gewissen elektronischen Musiksparte etwas unglücklich anmuten würde. Aber sie ist nun einmal eingeführt, also bleiben wir auch dabei.
Drei Dinge fallen im Direktvergleich dennoch auf. Zum einen haben Exiled On Earth den Anteil progpowermetallischer Anklänge reduziert – schon in den frühen Zeiten dominierte der Diamantbohrerthrash, aber aktuell tut er das noch stärker als damals. Das bedingt auch (Unterschied Nr. 2), dass Tiziano den Klargesangsanteil weiter zurückgefahren hat – zugleich ist er in dieser Sparte aber auch treffsicherer geworden, wie gleich „Vault Of The Decimator“ an zweiter Position unter Beweis stellt, das sich auch von den gelegentlichen Tempoattacken Piero Arionis am Drumkit konsequent fernhält, statt dessen etwas stärker melodiedurchwoben ist und somit am nächsten an der Power-Metal-Grenze siedelt, wobei der Terminus „Power Metal“ hier aber eindeutig immer noch die progressiv angehauchte US-Version meint, also Helstar, New Eden und Konsorten. Druckvolles grundtöniges Riffing Marke Metal Church gibt es hier ebensowenig wie durchgebolzte Maiden-Melodien à la Steel Prophet, während umgekehrt so manche Ausprägung der Instrumentalarbeit auf eines der frühen Dark-Tranquillity-Alben (man erinnere sich an die Gitarren auf The Gallery!) gepaßt hätte.
Der dritte markante Unterschied zu früher ist die Songlänge. Seizure Of Rationality hatte es mit drei Songs auf 17 Minuten Spielzeit gebracht – Non Euclidean kommt mit deren acht auf knapp 31 Minuten, und selbst wenn man das reichlich einminütige Instrumental, das als Titelgeber des Albums fungiert, subtrahiert, ist der Schnitt trotzdem deutlich gesunken, ohne dass man allerdings von einer künstlichen Verknappung sprechen müßte. Eher ist das Gegenteil der Fall: So manche Idee wünschte man sich noch etwas ausführlicher ausgearbeitet, den einzelnen Songs damit eine noch stärker ausgeprägte Individualität verleihend. Vom Klargesangs-Refrain in „Vordeghast Wood (Mater Eternitas)“ und dem titelgebenden Motiv im Closer „Forager Of Sanity“, das zweistimmig rauh mit hinterlegter Klarstimme intoniert wird, mal abgesehen bleibt nämlich auch nach etlichen Hördurchläufen (und bei grundsätzlicher Sympathie für das gewählte Genre samt Respekt vor den hochklassigen instrumentalen Leistungen) wenig im Ohr hängen, und wo genau man sich auf der Platte befindet, erkennt man oft nur am Display des CD-Players, wenngleich die Austauschbarkeit einiger Motive zumindest nicht das Level so mancher jüngerer Bands im Mathcore-Bereich erreicht. Hörspaß machen die acht Songs in ihrem jeweiligen Erklingungszeitraum durchaus, aber vielleicht muß man sie auch als 31minütiges Gesamtkunstwerk in acht Sätzen begreifen, was dem geneigten Proghörer, für den das hier am ehesten was ist, nicht sonderlich schwerfallen dürfte. Ein Konzeptalbum scheint Non Euclidean freilich nicht zu sein – der Titeltrack läßt sich nicht mittels Lyrics entlocken, welche noneuklidischen Aspekte er denn behandeln möchte (da gibt es im mathematischen Bereich ja eine reiche Auswahl), aber generell scheinen die Italiener ihrem Themenspektrum zwischen Astronomie, Geschichte, Philosophie und eben Mathematik grundsätzlich treu geblieben zu sein. Wer sich in diesen Welten bewegt, dürfte freilich sowieso komplexen Gedankengebilden zugetan sein und die erwähnte Einstufung als 31minütiges Gesamtkunstwerk in acht Sätzen deutlich leichter nachvollziehen können als der gemeine Metaller, dessen Horizont schon mit sagen wir Megadeth überfordert wäre. Ein klares, aber druckvolles Soundgewand erleichtert den Erkenntnisgewinn, und wer die frühen Sacrosanct-Werke mag, dem sei ein Hineinhören ebenso empfohlen wie dem Anhänger von vergessenen Kultbands wie Dyoxen oder Arcane (sofern er auf Sirenengesang verzichten kann, denn den gibt es bei Exiled On Earth nicht). Dass der Facebook-Account von Gestalterin Elena Bonamoneta unter Labyrinth_on_Mars firmiert, dürfte aufgrund der marsianisch anmutenden Landschaft im Booklet sicher kein Zufall sein, während das Cover dann doch eher eine bionische und gefährlich anmutende Struktur zeigt, über deren noneuklidische Aufbauelemente man jetzt lange philosophieren darf (aber nicht muß).
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Parsec Devourer | 4:18 |
2 | Vault Of The Decimator | 5:15 |
3 | Mythoscondria | 3:47 |
4 | The Cult Of The Ivory Grace | 4:29 |
5 | Non Euclidean | 1:09 |
6 | Vordeghast Wood (Mater Eternitas) | 3:54 |
7 | Tindalos | 4:06 |
8 | Forager Of Sanity | 3:48 |
|
|
|
|
|
Besetzung |
Tiziano Marcozzi (Voc, Git)
Alfredo Gargaro (Git)
Luca Bianchi (B)
Piero Arioni (Dr)
|
|
|
|