Wie die “Pommesgabel“ entstanden ist - Dio erzählt sein Leben
Wenn es im Heavy Metal überlebensgroße Gestalten gibt, dann gehört der körperlich eher kleine Ronnie James Dio definitiv dazu. Nicht nur, dass er eine der beeindruckensten Stimmen des Rock-Zirkus hatte, er schrieb auch – alleine oder mit anderen – einige der überragensten Rock-Songs und kam weitgehend ohne Skandale aus. Eine echte Lichtgestalt. Und noch etwas verleiht ihm ein Alleinstellungsmerkmal. Viele Rock-Stars, die mit einer Band zur Legende geworden sind, haben davor, danach oder nebenher auch noch in weiteren Bands gespielt. Ronnie war an den besten Alben von gleich drei Bands beteiligt, die je für sich Legenden sind – Rainbow, Black Sabbath und seiner eigene Band Dio. Für den informierten Rock-Fan ist vieles aus den Jahren dieser Bands wohl bekannt. Von daher ist es kein Nachteil, dass sie lediglich die zweite Hälfte des Buches füllen und in der ersten Hälfte Dios Weg mit Cover-Bands in den 60ern beschrieben wird und dann vor allem der Weg mit seiner ersten Band, deren Name sich von The Electric Elves über Elves hin zu Elf entwickelte. Elf sind eine fantastische Band gewesen, die drei starke Alben von Roger Glover produziert auf Purple Records veröffentlicht hat. Was sie darüber hinaus interessant macht, ist die Tatsache, dass ihre letzte Besetzung praktisch identisch ist mit der Besetzung der ersten Rainbow-LP. Lediglich der Gitarrist hat gewechselt. Und der Name lautet nun nicht mehr Ronnie James Dio and Elf, sondern Ritchie Blackmore’s Rainbow. Dio beschreibt in Rainbow in the Dark ausführlich, wie es dazu kam. Schritt für Schritt sorgte Blackmore, der gerade dabei war sich von Deep Purple zu trennen, dafür, dass er erst Dio auf seine Seite bekam, dann die gesamte Band, die er aber nach der ersten LP Mann für Mann in die Wüste schickte, so dass auf dem legendären zweiten Rainbow-Album Rising außer Dio selbst kein Elf-Musiker mehr beteiligt war.
Es war für den kleinen großen Mann nicht leicht sich von seinen Musikern zu trennen, aber er sah die Notwendigkeit ein und, wenn er nichts schönt, sahen das auch die Geschassten ein. Schlucken musste er bei dem Bandnamen Ritchie Blackmore's Rainbow, aber dafür macht er nicht Blackmore, sondern die Plattenfirma verantwortlich. Dennoch: Das Gefühl von den “Großen“ über den Tisch gezogen zu werden, hatte er sowohl bei Rainbow, wie später bei Black Sabbath. Der Bericht von seinem ersten Konzert als Nachfolger von Ozzy Osbourne bei Black Sabbath wartet mit einer interessanten Anekdote auf, die den Ursprung eines der wohl bekanntesten Symbole des Heavy Metal offenlegt. Die “Pommesgabel“, die Faust mit ausgestrecktem Zeige- und kleinem Finger, die nicht nur in Wacken von Tausenden in die Höhe gereckt wird, wird ja gerne als satanische Symbolisierung der Teufelshörner gewertet. Ronnie weiß es besser – und dabei spielt seine Großmutter eine wichtige Rolle. Am 20. Juni 1986 stand Ronnie zum ersten Mal mit seiner eigenen Band auf der Bühne des Madison Square Gardens – für den gebürtigen New Yorker ein Höhepunkt seines Lebens. Dass er damit seine Autobiographie eröffnet, ist keine so große Überraschung. Dass das Buch mit diesem Auftritt auch endet, dafür eine um so größere. Rainbow in the Dark endet tatsächlich im Jahre 1986 - 24 Jahre vor dem Tod Dios.
Mit anderen Worten: Alle Alben nach den ersten drei Dio-Veröffentlichungen, finden in Rainbow in the Dark nicht statt; auch sein Wiedereinstieg bei Black Sabbath oder die Zeit mit Heaven and Hell nicht. Warum das so ist, wird mit keinem Wort erwähnt. Okay, man kann argumentieren, dass das Buch so am absoluten Höhepunkt der Karriere endet und alles andere Nachklang oder sogar Niedergang war. Daran ist wahr, dass Dio die Qualität seiner Black Sabbath-, der Rainbow- und der ersten drei Dio-Alben nie wieder erreicht hat. Aber das sind überlebensgroße Alben. Von einem Niedergang kann man bei Dio definitiv nicht sprechen. Er hat bis zum Ende starke Alben abgeliefert, auch wenn es auf dem Weg dahin einige schwächelnde Veröffentlichungen gab. Dennoch hätte es in dem Buch zumindest einen Kommentar dazu geben müssen, warum nur dieser Karriereabschnitt berücksichtigt wurde. Vielleicht hätte Wendy Dio etwas dazu sagen können. Sie war nicht nur Ronnies Ehefrau, sondern später auch seine Managerin und dürfte massiven Einfluss darauf gehabt haben, dass die Autobiographie so erschienen ist, wie sie erschienen ist. Seitdem das Buch den Zeitpunkt erreicht hat, in dem sie in Ronnies Leben getreten ist, sind in den Text immer wieder Abschnitte eingeschoben, in denen sie ihre Perspektive auf das darstellt, was ihr verstorbener Mann geschildert hat. Insgesamt ein spannendes, gut geschriebenes Buch, das einen ausgesprochen sympathischen Mega-Star wieder lebendig werden lässt, der die Zügel seines Lebens immer selbstbewusster in die Hände nimmt und (als Chef einer erfolgreichen Band) auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurückschreckt. Ich habe es, wie einen Krimi, praktisch in einem Rutsch durchgelesen. Norbert von Fransecky |
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