Mehr Vergangenheit als gedacht – Brunhilde im Gespräch




Info
Gesprächspartner: Carolin Loy (Sängerin)

Zeit: August 2020

Ort: Berlin - Fürth

Interview: E-Mail

Stil: Rock / Punk

Internet:
http://www.brunhilde.de

Als Norbert die EP Choir Boy von Brunhilde in der Hand hielt war er ob des Namens und des Artworks erst mal etwas skeptisch – debile NDW-Epigonen, oder so was, schoss es ihm durch den Kopf und ohne große Erwartungen wanderte das gute Teil in den CD-Wechsler. Wer die Review in unserer letzten Ausgabe gelesen hat, weiß, dass sie ihm dann recht gut gefallen hat. Artwork und Namen waren die Gründe, dass er dieses Mal mit seinem ehernen Grundsatz gebrochen hat, nur dann Interviews zu machen, wenn er wirklich lohnende Fragen hat. Aber da er die EINE Frage loswerden musste, hat er sich die Mühe gemacht, ein Interview auf die Beine zu stellen. Und mit dieser EINEN Frage eröffnete er das Gespräch mit Sängerin Carolin:


MAS: Wie zum Teufel seid Ihr auf diesen Namen gekommen? Da gibt es doch bestimmt eine Geschichte hinter.

Carolin Loy: Hey – erstmal freuen wir uns, dass Du ein Interview mit uns machen möchtest. Vielen Dank!
Noch besser finden wir, dass Du anscheinend kein Mensch bist, der in Schubladen denkt, sonst hätten wir wahrscheinlich schon verkackt :) Schubladendenken muss aufhören!!!
Brunhilde… Ja, der Name… konträr zur Musik.. Und wenn man über den Tellerrand schaut, merkt man, dass es anders ist, als erwartet. Hast du Quentin Tarantinos Django unchained gesehen? Djangos Frau hieß Brunhilde. Keine Ahnung, warum mir das in diesem Moment als Geistesblitz erschien, aber ich wollte die Band einfach so nennen. Die haben das so cool ausgesprochen. Mit einem Ami-Akzent. Das klang irgendwie elegant. Tatsächlich habe ich es nie mit Nibelungen oder Siegfried etc. assoziiert. Das kam erst später, als mich alle drauf ansprachen. Alle erstmal „naserümpfend“ und einem „hääää, echt jetzt“? Aber schwuppdiwupp hat man sich den Namen und die Band gemerkt, ob man wollte oder nicht :). Der Nebeneffekt ist einfach überragend.

MAS: In Eurer Pressemitteilung stellt ihr mittlerweile ja auch selber den Bezug zu Wagner und Walküren her. Das klingt natürlich sehr deutsch. Und dann gibt es da noch einen Titel „It’s all Lies“. Habt Ihr keine Angst in eine Kiste mit Deutschtümelei, Lügenpresse-Shouts und Co gesteckt zu werden?

Carolin Loy: Wir können nicht verleugnen, dass wir aus Deutschland sind. Und der minimale Bezug im Pressetext zu Walküren ist der vielzitierte Angriff als beste Verteidigung, weil wir eben wissen, womit Brunhilde schnell assoziiert wird. Und dass wir genau diesem Klischee eben nicht entsprechen. Nur das stellen wir ja in dem Pressetext klar. Wir sind auch tatsächlich schon von einem Journalisten verrissen worden. Dieser hat uns und andere weder gegoogelt, noch sich mit den deutschen Namen der Bands befasst. Er war uninformiert und ich denke, dass das auch nicht häufiger passieren wird. Dumme Menschen gibt es überall. Damit muss man leben. Schublade auf… und zu! „Its all Lies“ ist ein Song, der auch bei mir ziemlich „deep“ geht. Letztendlich geht es um Depressionen und das, was einem der Kopf und die Gedanken manchmal vorgaukeln.
Die aktuelle EP Choir Boy

MAS: Das Artwork lässt eher auf debilen Deutschrock, leicht pubertär und nah am deutschen Schlager gebaut, tippen – Neue Deutsche Welle für Arme sozusagen. Wie passt das mit der rotzigen Punk Kante zusammen, die ihr an den Tag legt?

Carolin Loy: Diesen Vergleich hab ich bis jetzt noch nicht gehört… :) Wir sind alle noch so jung und wollen die Zielgruppe ansprechen. :) Ich hab es einfach gern konträr. Ich find‘s gut, wenn Menschen etwas hinterfragen und sich mit Dingen befassen, die ihnen doch befremdlich und komisch vorkommen. Deswegen mach ich einfach, was mir gefällt und ich finde das Artwork cool!! Auch gerade im Punk(rock) haben Bands seit Jahrzehnten immer mal wieder gezeichnete Charakter als roten Faden in ihren Visuals, vom Metal ganz zu schweigen. Ob Iron Maiden, Helloween, aber eben auch die Circle Jerks oder die Spermbirds, um nur wenige zu nennen, nutzen und nutzten alle Illustrationen. Das war jetzt nicht unsere Inspiration, aber es hat eine spezielle Note. Und - ob es jemanden anderen missfällt, ist für uns erstmal zweitrangig, solange wir es klasse finden.

MAS: Mit Charlie Bauerfeind habt ihr einen gut beschriebenen Metal-Produzenten an Eurer Seite. Wieso als Punk-Band einen Metal-Producer und wie seid ihr als Novizen an diesen ja nun nicht gerade kleinen Namen gekommen?

Carolin Loy: Charlie hatte eine Produktion mit Helloween bei uns im Studio. Wir haben Ihm unsere Ideen vorgespielt und wer war direkt Feuer und Flamme und meinte: „Das ist geil, da machen wir was draus“
Metal meets Punk-Crossover-Rock – gestatten: Brunhilde!

MAS: Mit Oli Holzwarth habt ihr einen gut beschriebenen Metal-Bassisten an Eurer Seite. Wieso als Punk-Band einen Metal-Bassisten und wie seid ihr als Novizen an diesen ja nun nicht gerade kleinen Namen gekommen?

Carolin Loy: Wir habe uns gedacht, wenn wir die Chance haben, eine geile Platte zu machen, wollen wir auch die Besten dafür haben. Oliver ist ein Wahnsinns Bassist. Auch wenn er aus dem Metalbereich kommt, was nicht zwingend 1:1 unser Sound ist. Hier sieht man auch wieder, dass Schubladendenken nicht angebracht ist. Denn Oli kann auch anders als Metal und wir sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden! Oli hat allerdings nur das Album eingespielt und ist nicht im Live-Line-Up.

Kurt Bauereiss (Git) und Carolin Loy (Voc) sind das Zentrum von Brunhilde

MAS: Auf Eurer Homepage erscheint zwar Charlie Bauerfeind, aber nicht Oli Holzwarth. Überhaupt unterscheidet sich das im EP-Booklet angegebene Line Up deutlich von der Homepage, auf der ihr beiden quasi als Duo erscheint, das von Gastmusikern unterstützt wird. Ist Brunhilde eine Band, oder eher ein Duo-Projekt, das von Fall zu Fall aufgestockt wird?

Carolin Loy: Wir haben im Laufe der Brunhilde-Jahre einige Erfahrung mit Musikern sammeln dürfen. Ob positiv oder negativ. Wir waren auch eine Zeitlang mal zu fünft. Als sich vor den letzten Aufnahmen unser Line-Up verkleinerte und Kurt und ich ohne Rhythmus-Fraktion da standen, beschlossen wir, erstmal als die zwei Kern-Protagonisten der Band fortzufahren und besetzten im Studio punktuell Drums, Bass und Piano. Bastian Emig (u.a. Van Canto) und wir funktionierten so gut, dass Basti auch fortan in unserer Live-Band spielen wird.
Tatsächlich ist es aber auch so, dass viele Musiker - ob mit oder ohne Corona - noch auf andere Jobs angewiesen sind und demnach die Verfügbarkeit ein bisschen leidet. Von einer Band wie Brunhilde kann man nämlich erstmal nicht leben :) So sieht einfach die Realität aus. Daher der Gedanke, dass zumindest immer dieses Duo steht, aber wir links und rechts auch mal flexibel sein müssen.

MAS: Diese Kontakte verlangen nach einer Frage zu Eurer Vergangenheit. Welche Meriten haben sich die heute bei Brunhilde relevanten Musiker vor Brunhilde verdient?

Carolin Loy: Bastian Emig ist nach wie vor bei Van Canto, Oliver Holzwart war ja lange Jahre u.a. bei bei Blind Guardian. Klar, dass unser Produzent Oli aus dem Blind Guardian Kosmos vermittelt hat, und auch Basti und wir sind via Charlie zusammen gekommen. Kurt ist Zeit seines Lebens als Profi-Musiker unterwegs, spielte bei Streetlife (einstmals bei Sony Music unter Vertrag), Cry Freedom, im ARD Wunschkonzert, mit Roger Chapman, mit Alvin Lee, mit Chicken Jack und als hired Gun bei unzähligen anderen Bands. Ich hingegen habe mal ganz früher in einer Coverband gesungen und noch viel früher im – Achtung: Tusch! - Poppenreuther Kinderchor. Mehr Punkrock geht nimma!

Diskografie
Dollhouse (2015) 7 Hard / Membran
Behind my Mind (2017) Bellfire / Bellaphon
Choir Boy (2020, EP) SAOL / H‘Art

Fotos: Pace Art
MAS: Auch als Band habt Ihr ja schon eine Geschichte. Zumindest kursieren auf youtube die Aufnahmen einiger Stücke, die nicht auf Choir Boy enthalten sind. Gebt mal einen Kurzabriss der bisherigen Geschichte von Brunhilde!

Carolin Loy: Brunhilde gibt es seit 2013. Kurt und ich haben das Projekt ins Leben gerufen.
Wir haben damals sehr viel rumexperimentiert und einfach mal versucht, was so geht.
Haben viel im Studio probiert und einfach mal den Dingen freien Lauf gelassen. Was man teilweise echt hört und mir heute nicht mehr so geil erscheint wie damals.
Nach einer Zeit haben wir dann nach einem Drummer gesucht. Diesen haben wir auch gefunden. Die Bassistensuche war weitaus schwerer. Aber auch da hatte die Suche ein Ende. Zeitweise haben wir auch noch mit einem 2ten Gitarristen gespielt. Wir haben zahlreiche Shows gespielt. Auch mit Sweet, Nazareth und sogar ZZ TOP. Das war eine coole Erfahrung. Unsere schönsten Gigs haben wir in Tschechien gespielt. Dort immer Open Airs!
Unser Drummer und der 2te Gitarrist hatten noch eine andere Band und diese dann forciert.
Was auch völlig ok war. Demnach hat die Drummersuche wieder von neuen begonnen. Aber hier sind wir wieder fündig geworden. Wir haben dann zu viert weitergemacht und noch einige Gigs zusammen gespielt. Als es dann wieder in die Produktionsphase des kommenden Albums ging, wurden die Karten wieder neu gemischt. Unser Bassist lebte in Konstanz unser Drummer bei Bamberg. Beide hatten und haben einen Fulltime Job. Auch hier war die Kombination und auch Fahrerei zu uns ins schöne Fürth etwas schwierig. Der Kontakt zu Bastian und Oliver wurden demnach dann von Charlie hergestellt. So kam eins zum anderen… And here we are. Das ist die Kurzfassung :)

Der Backkatalog: Dollhouse von 2015 und Behind my Mind von 2017

MAS: Wenn man bei amazon nach Brunhilde fragt, bekommt man neben Eurer EP zwei Alben (Dollhouse von 2015 und Behind my Mind von 2017) angezeigt, die ganz offensichtlich von einer anderen Brunhilde stammen, bei dem nicht ganz unbedeutenden Label Bellaphon erschienen sind und ja gar nicht so unaktuell sind. Gibt’s da mit dem Bandnamen keine rechtlichen Probleme?

Carolin Loy: Hey – das sind WIR! Tatsächlich gehören die Alben uns! Dollhouse waren die ersten Schritte. Und Behind my Mind wurde damals in der Tat von Bellaphone released. Wir haben uns aber für kommende Alben und Releases entschieden, dies über unser eigenes Label zu vertreiben. Mit dem Namen Brunhilde gibt es in dem Fall keine Probleme :)

MAS: Ja und dann die Standardfrage nach der Zukunft. Konzerte in absehbarer Zeit wird es ja wohl nicht geben. Aber habt Ihr konkrete Pläne, der EP einen Longplayer nachzuschieben?

Carolin Loy: Logisch! Wir haben uns entschlossen, noch 3 bis 4 Singles zu releasen, ehe wir für Ende Februar den Release des Albums vage eingeplant haben. Ich bin schon voll gespannt, wie das alles so wird. Ja, mit den Konzerten sieht es nicht so berauschend aus. Aber wir tun unser Bestes bzw. hoffen vor allem darauf!

MAS: Herzlichen Dank für die Zeit und die Antworten.


Norbert von Fransecky



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