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Rameau, J.-Ph. (Vinikour)

Sämtliche Werke für Cembalo


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 25.06.2012

(Sono Luminus / Naxos / 2 CD / DDD / 2011 / Best. Nr. DSL-92145)

Gesamtspielzeit: 156:44



ZWISCHEN BAROCKER SCHWERE UND ROKOKOELEGANZ

Jori Vinikour geht bei seiner Gesamteinspielung der Cembalowerke Jean-Philippe Rameaus bedachtsam zu Werke. Das bezüglich der Dauern frei notiert Prélude, das das Premier Livre auf der ersten CD eröffnet, entfaltet sich bei ihm ausgesprochen langsam und trotz der Chromatik recht spannungsarm. Es dient Vinikour wohl nicht zuletzt dazu, die Klangeigenschaften des Instruments quer durch alle Register vorzustellen.
Das zweimanualige Instrument nach französischem Vorbild zeichnet sich durch einen reifen, betont obertönigen und farbintensiven Klang aus. Der manchmal glockige Sound passt perfekt zu dem launigen La Poule, Rameaus tonmalerischer Darstellung eines gackerndern Huhns. Dank der charaktervollen Klangfarben rollt und kollert die Cembalo-Henne sehr authentisch, zumal der Interpret bei dieser augenzwinkernden Nummer mit launiger Virtuosität zu Werke geht. Doch neben solchen zupackend dargebotenen Nummern – zu erwähnen wären beispielsweise das rasante Les Cyclopes aus der Suite in D oder der wilde Charme von L’Egyptienne aus der Suite in G - fällt immer wieder (und vor allem auf der 1. CD) ein eher gemessener Duktus auf, der bei Wiederholungsmustern etwas monoton wirkt (wie bei den eigentlich zauberhaften Les Niais de Sologne oder den etwas flach buchstabierten Les Tricotets).

Das ist nicht nur eine Frage der Tempi, auch wenn Vinikour hier z. B. betont langsame wählt, wie bei der Gigue aus dem ersten Buch. Anders als etwa Christophe Rousset, der die Musik in einem geschmeidigen und tänzerischen, ja swingenden Fluss hält, betont Vinikour v. a. bei den klassischen Tanzsätzen die Schwerpunkte deutlicher, artikuliert weniger verspielt und elegant als gravitätisch. Die elegische Musette en rondeau klingt eher träge denn, wie vorgeschrieben, tendrement, dafür trumpft das nachfolgende Tambourin mit rustikaler Wucht auf (wo es bei Rousset etwas stilisierter wirkt). Im Ganzen klingt Rameau bei Vinikour auch instrumentenbedingt barocker und herber, während Rousset ihn durchgängig als einen Meister des Rokoko präsentiert.
Es sei noch erwähnt, dass Vinikours Einspielung neben dem gesamten überlieferten originalen Kompositionen Rameaus auch originale Transkriptionen seiner Pièces de Clavecin en Concert und eine Cembalofassung der Pygmalion-Ouvertüre durch Claude Balbastre enthält, deren gehämmerte Wiederholungen – die den flinken Hammer und Meißel des Bildhauers Pygmalion versinnbildlichen - von Vinikour hinreißend frenetisch inszeniert werden.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1 78:19
CD 2 78:25
Besetzung

Jory Vinikour: Cembalo (nach Nicolas Dumont, 1707)



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