Grobschnitt
Jumbo
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In den vergangenen Ausgaben sind die Solo-Alben von Eroc besprochen worden. Jetzt folgen die bereits über Revisted wieder veröffentlichten Alben seiner Band Grobschnitt, einer der legendärsten und schillerndsten Formationen der eh schon bunten siebziger Jahre Krautrock-Szene.
Nach Grobschnitt (noch nicht wieder veröffentlicht) und Ballermann (bereits vor den Eroc-Alben besprochen) erschien 1975 und 1976 das Album Jumbo. Der doppelte Erscheinungstermin hatte einen simplen Grund. Nach der „normalen“ Version wurde das Album ein Jahr später noch einmal mit deutschen Texten veröffentlicht. Damit hatten Grobschnitt ihre Reisegeschwindigkeit erreicht, denn nun konnte sich der skurrile Witz – und auch das unaufdringliche politische Engagement - der Band „allen verständlich“ Bahn schlagen.
Bereits das Cover-Bild ist ein Ding für sich. Von Klosterfrau Melissengeist über das HB-Männchen, Meister Propper, den Sarotti-Mohr, Jägermeister, Ariel, Henkel trocken, Spüli und diverse mehr versammelt sich die „high Society“ der deutschen Fernseh-Werbungssymbole im Jumbo (umgangssprachlich für die Boeing 747, damals das größte Passagierflugzeug der Welt), der dazu passend das HörZu-Logo als Airline-Signum trug.
Das Cover der deutschen Ausgabe war identisch. Lediglich der blaue Himmel war gegen das Schwarz-Rot-Gold der deutschen Nationalflagge ausgetauscht.
Hinter der bunten Fassade des Covers verbirgt sich ein entsprechend fantasievoller Inhalt. „Vater Schmidt’s Wandertag“ entführt uns in die „freie“ Natur - allerdings in eine Natur, wie sie in der Kritik der Lebensstilbewegung, die in den 70ern begann, befürchtet wurde. Vom Menschen domestiziert wird die Natur das verlängerte Wohnzimmer des Menschen, das nach seinen Bedürfnissen eingerichtet und gestaltet sein muss. Und so ist die Natur bequem verkehrstechnisch erschlossen und wird mit künstlichem Tannenduft „extra natürlich“ gestaltet. Man will ja auf Nummer sicher gehen.
So ist klar, dass auch „Clown“ kein platter Schenkelklopfer ist, sondern einen durchaus vielschichtigen Blick auf den Spaßmacher wirft. Wer die Clownereien im Hinterkopf hat, die ein Grobschnitt-Konzert ausmachen, wird hier sicher auch autobiographische Reflexionen erkennen.
Das Schöne angesichts der oft bierernsten politischen Diskussion in der BRD der 70er Jahre ist das Augenzwinkern, mit dem Grobschnitt ihre Message verkünden, wenn es denn überhaupt eine Message ist.
Die Band bewegt sich eher zwischen „Traum und Wirklichkeit“, beschreibt wie nebenbei die eigenen Wünsche an eine harmonische und gesunde Welt und teilt der nervenden Realität dabei immer wieder die eine oder andere freundlich böse Ohrfeige aus. Herrlich!
Man kann bei diesem ganzen Kabarett-reifen Theater-Donner fast darüber hinweg sehen, dass sich Grobschnitt das progressive Musizieren, das sie seit ihrem Debüt pflegten, vollständig beibehalten haben, wenn den „Solar Music“-Freunden möglicher Weise auch die ganz abgedrehten Space-rockigen Ausflüge fehlen mögen.
Insgesamt liegt hier eines der absoluten Highlights der Hochphase des Krautrocks vor, ein Album, dem es gelingt, die Grenzen- und Scheuklappenlosigkeit des Krautrocks voll auszuloten, dabei aber so bodenständig zu bleiben, dass man durchgehend nachvollziehbare Strukturen verfolgt, auf Melodien und Rhythmen aufbaut und so ein Werk produziert, dass auch ohne die Einnahme bewusstseinserweiternder Substanzen genießbar ist.
Die Re-Release-Ausgabe enthält das englische und das deutsche Album in voller Länge; dazu noch die nicht auf LP erschienene Single „Sonnenflug“ und deren Flip-Side, eine verkürzte Version von „Der Clown“. Außerdem gibt es in dem Digi-Pack, wie bei Revisted gewohnt, ein zweisprachiges Booklet in Deutsch und Englisch.
Norbert von Fransecky
Trackliste |
1 | Jupp | 0:12 |
2 |
The Excursion of Father Smith | 9:40 |
3 |
The Clown | 6:46 |
4 |
Dream and Reality | 5:28 |
5 |
Sunny Sunday's Sunset | 11:30 |
6 |
Auf Wiedersehen | 0:55 |
7 |
Jupp | 0:12 |
8 |
Vater Schmidt's Wandertag | 9:40 |
9 |
Der Clown | 6:54 |
10 |
Traum und Wirklichkeit | 5:32 |
11 |
Sonntags Sonnabend | 11:31 |
12 |
Auf Wiedersehen | 0:46 |
13 |
Sonnenflug | 4:08 |
14 |
Der Clown (Single Version) | 3:42 |
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Besetzung |
Joachim H. Ehrig (aka Eroc) (Dr, Perc, Effekte, Voc)
Gerd O. Kühn (aka Lupo) (Git)
Volker Kahrs (aka Mist) (Keys)
Wolfgang Jäger (aka Pepe) (B)
Stefan Danielak (aka Wildschwein) (Voc, Git)
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