|
|
MINISTRY mit FEAR FACTORY in München
|
Ausgedehnte Konzerttouren im Hochsommer haben ja heutzutage eher Seltenheitswert. Wie schön, dass Ministry hiervon eine Ausnahme machen und sich in das neu bezogene Backstage-Werk in München angekündigt haben. Industrial in einer ausgedehnten Fabrikhalle? Das passt ja wie der berühmte Arsch auf den Eimer. Als Special Guest sind zudem noch Fear Factory ins Billing gerutscht. Dies verspricht bereits auf dem Papier ein famoser Abend zu werden.
Bevor Burton C. Bell und Konsorten jedoch die Bühne stürmen, durften die jungen Norddeutschen President Evil das Auditorium eine halbe Stunde lang mit ihrem Trash ´N Roll (O-Ton Band) warm spielen. Und dies gelang ihnen mehr als ordentlich. Der Fünfer klingt wie Entombed auf Rock oder als ob Kyuss einen auf Metalband machen. Das passt vielleicht nicht wirklich ins Programm, aber daran stört sich heute eigentlich keiner. Die sympathische Band macht keine großen Mätzchen, lässt die Groove-Sau von der Leine und walzt bei bestem Sound über die Köpfe der bereits Anwesenden hinweg, dass es eine wahre Pracht ist. Ihre Songs lassen wirklich große Momente zwar vermissen, aber Titel vom Schlage „Deathcar racer“ oder „Riot generator“ drücken für eine Newcomer-Band schon mal gar nicht schlecht. Daumen nach oben für President Evil. Da haben wir schon schlechtere Support-Bands gehört bzw. gesehen.
Ring frei für Runde zwei. Im letzten Jahrzehnt hätten Fear Factory Hallen dieser Größenordnung (ca. 800 Personen) im Nullkommanichts selbst gefüllt. Heute muss man dagegen schon etwas kleinere Brötchen backen. Aber dass sich die Band im Vorprogramm ihrer Helden trotzdem recht wohl fühlt, ließ sie sich des Öfteren anmerken. Die Lichter gingen aus und man spannte die Fans erst mal mit einem vom Band kommenden „Number of the beast“ auf die Folter, bevor der Vierer mit „Transgression“ loslegte. Dies wurde anfangs recht verhalten aufgenommen und die Anspannung löste sich erst mit den folgenden „Slave labor“ und „Shock“. Aber dann war der Damm gebrochen und es gab kein Halten mehr im Pit. Die Setlist war sehr gut und ausgewogen von alt („Scapegoat“), über die mittlere Phase („Linchpin“) bis neu („540.000 Degrees Fahrenheit“) und ließ keine Wünsche offen. Es reihte sich Hit an Hit. Als absolute Tanzflächensmasher mit Mitgröhlalarm entpuppten sich mal wieder „Martyr“, „Demanufacture“ sowie der abschließende Megahit „Replica“. Hier war vor der Bühne ein letztes Mal ordentlich was los, auch wenn noch nicht ganz so heftig wie später beim Headliner. Auch wenn Fear Factory zuletzt auf Platte etwas schwächelten, auf der Bühne gehört der Vierer in dieser Form noch lange nicht zum alten Eisen. So verging die Stunde wie im Flug, Saubere Vorstellung!
Brachialität hat einen Namen: Ministry. Denn was Al Jourgensen und seine All-Star-Truppe hier geboten haben ist schwer in Worte zu fassen. Versuchen wir es vielleicht mit ohrenbetäubend laut und verstörend aber absolut mitreißend. Schöne Musik geht anders. Schon als sich die Band mit „Fear is big buisness“ langsam warm groovte, drückte der heftige Sound derart in die Magengrube, dass einem ganz anders wurde. Und als Mastermind Al bedächtig auf die Bühne schlurfte und zum Mikro griff, konnte das heftigste Konzertereignis des Sommers endgültig beginnen. Die erste Konzerthälfte stand ganz im Zeichen von George W. Bush und somit der Abrissbirnen der letzten beiden Langdreher „Houses of the Molé“ und „Rio Grande Blood“. Das Gaspedal wurde permanent bis zum Bodenblech durchgedrückt und das Publikum in die absolute Raserei versetzt. Herausragend dabei wie Joey Jordison (Slipknot) locker hinter seinem mit Tierschädeln verzierten Schlagzeug sitzt und dieses präzise wie ein schweizer Uhrwerk und ohne einen Aussetzer verprügelt. Und auch die Saitenfraktion (u.a. Paul Raven von Killing Joke und Tommy Victor von Prong) bearbeitete ihre Instrumente ohne Gnade. Über Allem thronte allerdings Zeremonienmeister Al Jourgensen mit seinem Knochen-Mikroständer (welcher schon fast Ähnlichkeit mit einem Motarradlenker besitzt) und wirkt dabei wie ein alternder Biker der gerade einem Höllenschlund entstiegen ist. Hier gab es die volle Ladung Hasstiraden: „No W“, „Señor Peligro“ oder auch „Lies, lies, lies“. Hätte das momentane Staatsoberhaupt der USA dies miterlebt, er hätte wahrscheinlich umgehend kapituliert. Nach Song Nummer 9 („Wrong“) war dann doch Schluss mit aktueller Weltpolitik und das Klassikerprogramm nahm mit dem Dreierpack „N.W.O.“, „Just one fix“ und „Thieves“ seinen Lauf. Gegen Mitte des Auftritts stellten sich schon die ersten Ermüdungserscheinungen bei den Fans ein, doch jetzt tobte der Laden wieder ordentlich und die komplette Tanzfläche war ein einziger Moshpit. Nach einem exzessiv bis zum letzten Gitarrenfeedback ausgekosteten „Khyber Pass“ gönnten sich Ministry eine kleine Verschnaufpause kehrten aber nochmals für „So what?“ und „Stigmata“ zurück und machten mit „Psalm 69“ endgültig den Sack zu. Nach 90 Minuten Klanginferno war dann wirklich Schluss. Und Ministry ließen am Ende nichts anderes zurück als schwitzende Leiber und verbrannte Erde.
Nach dieser Vorstellung ist es schon fast schade, dass Al Jourgensen das Kapitel Ministry in absehbarer Zeit zu den Akten legen möchte um mit George W. Bush gemeinsam in Rente zu gehen. Vielleicht erbarmt er sich trotzdem noch für eine weitere Konzertreise um eine ähnliche Tour de Force zu bieten wie an diesem Abend in München.
Photo mit freundlicher Genehmigung von www.metal-experience.com
Mario Karl
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|