Feldman, M. (Liebner)
Triadic Memories
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Info |
Musikrichtung:
Neue Musik Klavier
VÖ: 18.04.2005
Oehms Classics / Codaex 1 CD DDD (AD 2001) / Best. Nr. OC 510
Gesamtspielzeit: 124:09
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SCHMETTERLINGSKLÄNGE
Es ist so eine Sache mit der Musik von Morton Feldman (1926-1987): Delikateres und Zerbrechlicheres ist im lärmigen 20. Jahrhundert wohl kaum komponiert worden. Musik, die Interpreten wie Hörenden eine vergleichbare Geduld und Konzentration abverlangt, ebenfalls nicht. Die späten Werke der 80er Jahre benötigen zur Aufführung mitunter mehrere Stunden! Dass sich die Musik dabei fast ausschließlich im Pianissimo-Bereich bewegt, dass es sich zudem mehrheitlich um kammermusikalische Besetzungen handelt und das verarbeitete Material überdies eher begrenzt ist, klingt nicht gerade einladend.
Nun genoss und genießt Feldman gerade wegen dieser Zumutungen vor allem in Europa einen gewissen Kultstatus, der sich im deutschen Musik-Feuilleton zeitweise zu einer fast schon religiösen Verehrung steigern konnte. Ja, der Geist spricht – diesmal an der Hörgrenze!
Feldmans in den letzten Lebensjahren konsequent verwirklichte Ästhetik, Musik ohne Rücksicht auf die Erwartungen des Publikums und der Aufführenden zu schreiben, hat ihm und seinem Werk überraschenderweise ein ganz neues, begeistertes Publikum und hingebungsvolle Interpreten gewonnen. Bei aller Exzentrik: Diese Musik funktioniert nicht nur innerhalb ihrer Grenzen, sie übt eine fast magische Faszinationskraft aus. Einzeltöne, eine Oktave, ein schlichter Dreiklang, ein flüchtiger Rhythmus oder eine kleine chromatische Melodie - Klänge, die in einem anderen Kontext banal klingen würden, gewinnen hier den Charakter des Geheimnisvollen und Essentiellen. Das ist nicht der mechanisch-süßliche Minimalismus von John Adams und Philipp Glass. Das hat aber auch nichts mit den esoterischen Meditations- und Erweckungsritualen eines in die Jahre gekommenen New Age zu tun.
Feldmans Musik ist sehr abstrakt – dabei jedoch von großer Sinnlichkeit. Dass der Komponist zum Klavier ein geradezu erotisches Verhältnis hatte, hört man vor allem bei seinem längsten Klavierwerk, den 1983 komponierten Triadic Memories. Die Pianistin Susanne Liebner lässt sich bei der Erinnerungsarbeit Zeit: Etwas über zwei Stunden benötigt sie für ihren Weg durch dieses Labyrinth schwebend orchestrierter Klavierklänge. Feldman selbst sprach von dem „wohl größten Schmetterling, der je eingefangen wurde“. Er ist in diesem Fall tatsächlich so groß, dass man ihn nie vollkommen in den Blick bekommt. So als betrachte man seine Flügelzeichnung noch unter einem Vergößerungsglas. Millimeter für Millimeter. Da gibt es Muster, die sich spiegeln, scheinbar wiederholen und Symmetrien bilden, sich in Wahrheit aber subtil verändern. Nie kann man wirklich sicher sein, dass das, was bekannt erscheint, tatsächlich schon einmal da war. Feldman war fasziniert von der auf Wiederholung und Variation beruhenden Erinnerungsstruktur der westlichen Musik. In seinen Dreiklangserinnerungen ist jedoch keine Wiederholung wie die andere. Das Material wird über sehr lange Zeiträume entfaltet und variiert, ohne dass es einen „Masterplan“ gäbe. Unvermutet können neue Konstellationen auftauchen, andere dafür auf Nimmerwiederhören verschwinden. Im Vordergrund steht der fast schon mirakulös ausgelotete Klavierklang, der immer wieder andere Gestalten annimmt.
Die Zeit verliert beim Anhören dieser Klangmobiles ihre Bedeutung. Ob man der Musik erst fünf oder bereits fünfzig Minuten lauscht, vermag man schon nach wenigen Augenblicken nicht mehr zu sagen. Dass das hier so gut funktioniert, verdankt sich nicht zuletzt dem ausgereiften Spiel von Susanne Liebner. Die Gefahr ästhetizistischer Weichzeichnung bannt die Pianistin durch einen ebenso konzentrierten wie differenzierten Anschlag. Gewiss schwelgt Feldman im Klang – aber er zündet keine romantischen Nebelkerzen.
Feldman-Fans werden auf diesen „Schmetterling“ in ihrer Sammlung bestimmt nicht verzichten wollen …
Georg Henkel
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Besetzung |
Sabine Liebner, Klavier
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