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IM THEATER DER KLÄNGE
KLANGZEIT, MÜNSTERS FESTIVAL FÜR NEUE MUSIK, GEHT IN DIE 3. RUNDE




VON MESSERTISCHEN UND ANDEREN KLANGERZEUGERN

Ein Musikinstrument, das Messertisch heißt? Klingt eigentlich mehr nach Metzgerei. Bei der Szenisch-musikalischen Lesung mit fünf singenden Sängerinnen, einem alten Mann und Messertisch von Stephan Froleyks (Jg. 1962), die den sprechenden Titel hörenmachen trägt, kommt der ominöse Klangerzeuger allerdings ganz musisch zum Einsatz.
Wie das klingt?
Nun, dass die Sängerinnen in der Tat singen, soll man wohl als ironischen Seitenhieb auf die schon längst nicht mehr selbstverständlichen Selbstverständlichkeiten des Konzertbetriebes verstehen. Wie das dann aber mit dem alten Mann und dem Messertisch zusammenpasst, darauf darf man als neugieriger Zuschauer und –hörer mit Recht gespannt sein. Versprochen wird zumindest ein „konzentriert-leichtfüßiges“ Unternehmen, das sich auf vielfältige Weise mit dem Audio-Sinn auseinandersetzt. Klangerinnerungen, konspirative Hörübungen und Hörprotokolle verschmelzen dabei mit Comic-Klängen, Staumusiken(!) und mysteriösen „Kinderschreiblernpartituren“ zu einem eigenwilligen sprach- und musikdramatischen Cocktail.

JENSEITS DER OPER: AMBIENT-SOUND, STIMMAKROBATIK UND MULTIMEDIALE RAUMBESPIELUNG

Wer sich hier an den Pforten zu einer Art bizarren „Wunderland des Musiktheaters“ wähnt, bei dem man nicht weiß, was hinter der nächsten Tür passiert oder auf der nächsten Bühne erklingt, dürfte der Sache schon recht nahe kommen: Vom 29. Oktober bis zum 7. November herrscht in Münster vor allem in den Abendstunden musik-theatralischer Ausnahmezustand.
Dann nämlich findet das Klangzeitfestival 2004 an allen möglichen und unmöglichen Orten statt.
Selbst das Schwimmbad wird zum Klangtheater, so bei der Regisseurin Cornelie Müller (Jg. 1951), die mit ihrer Partita Radicale das nasse Element im Stadtbad Mitte in ungewohnten szenischen und akustischen Kontexten inszenieren wird.

Wasserklänge: Aquaculi spielen die Partita Radicale

Aktionen wie die von Müller oder Froleyks demonstrieren, in welch durchaus auch selbstironisch-grotesken Richtungen sich jene spektakuläre Erfindung des frühen 17. Jahrhunderts entwickelt hat, die heute gemeinhin als Oper bekannt ist. Diese Gattung, die aus dem paradoxen Mit- und Gegeneinander von Wort, Musik, Bewegung und Szene lebt, hat sich seit den ersten Experimenten eines kleinen Künstler- und Gelehrtenkreises in Florenz um 1600 immer wieder neu erfunden.
Oder besser: Erfinden müssen. Denn wie das „gesungene Drama“ zu seiner Zeit zu klingen oder auszusehen hat, ja ob es nicht doch eher ein „Drama des Gesangs“ ist, darüber wurde immer wieder gestritten. Monteverdi, Händel, Mozart, Rossini, Verdi, Wagner, Strauß, Berg, Zimmermann, Stockhausen, Lachenmann … das sind nur einige Stationen auf dem abenteuerlichen Weg, dessen jüngste Etappen wenigstens in Schlaglichtern auf dem Münsteraner Klangfestival 2004 angehört, angeschaut und multimedial erlebt werden können.
Der unüberschaubaren Fülle an Stilen und Formen, an Konstruktionen und Dekonstruktionen trägt bereits das vieldeutige Motto des Festivals HörenSagen. erzählende musik - Musiktheater Rechnung. Manches Musikdrama spielt sich allein auf einer virtuellen Klangbühne ab. Anderes suggeriert durch Untertitel wie „narratives Musiktheater“, „Raumbespielung“ oder „Mulitmedia-Vokalperformance“ die kalkulierte Entgrenzung des Konzepts.

Da sind z. B. die gesampelten Klangwelten der musique concrète oder Noise Music, die Alltagsklänge und elektronische Musik zu exotisch-vertrauten Klanglandschaften montierten. Diese Richtung wird u. a. durch die Klangkünstler Asmus Tietchens oder den Norweger Geir Jenssen (Jg. 1962) vertreten. Letzterer ist auch unter dem Namen Biosphere in den 90er Jahren als einer der ersten Ambient-Komponisten bekannt geworden.

Ein „Altmeister“ der Neuen Musik:Vinco Globokar als Klangregisseur (rechts, zusammen mit René Gulikers)

Eher klangkonzentriert geht es auch bei einem Programm zu, das allein kammermusikalischen Werken von Vinko Globokar gewidmet ist. 1934 in Frankreich geboren, ist Globokar einer der Altmeister der Neuen Musik und gehört wie Hans Werner Henze (Jg. 1926) oder György Ligeti (Jg. 1924) zu den bekannteren Namen des Festivals. Im Unterschied zu den beiden anderen wird Globokar aber auch selbst anwesend sein – und in seinem Werk Oblak semen (1996) selbst die Posaune spielen.

Theatralische Stimmakrobatik der absurd-komischen und surrealen Art verheißt das Vokaltrio Ars Vitalis, die von der Zeit zu „Urbrummen“ geadelt wurden.
Um Grenzerkundungen der menschlichen Stimme wird es auch bei Spanierin Fátima Miranda gehen. In ihrem Heimatland heißt sie schlicht Die Stimme. Miranda gebietet nicht nur über unglaubliche vier Oktaven Umfang (selbst der legendäre Kastrat Farinelli kam nur auf drei), sondern über ein Repertoire von Techniken, das den klassischen westlichen Belcanto ebenso einschließt wie indischen Dhrupad, mongolische Khoomei-Vokalidiophonie, traditionellen japanischen und arabischen Gesang oder die extendet voice der Avantgarde. Das alles fließt sehr konzentriert und keinesfalls mit postmoderner Beliebigkeit in ihre Aufsehen erregenden Soloperformances ein.

(Fast) nichts ist unmöglich: Fatima Miranda ist "Die Stimme"

UND DAS MUSIKTHEATER, WELTLICH - GEISTLICH

Ja, und dann gibt es natürlich auch das „echte“ Musiktheater – das hier aber gewiss keine klassische Oper mehr ist. Für experimentelle, auch herausfordernde Zugänge stehen Namen wie Sidney Corbett (Jg. 1960), Daniel Ott (Jg. 1960) oder Christoph Taggatz (Jg. 1968), der den Orpeus-Mythos für die Gegenwart auf recht pessimistische Weise beschwört. Selbst Robert Ashleys (Jg. 1930) Kammeroper Celestial Excursions (2002) zielt mit seinen sphärischen Klängen eher auf eine Art Meta-Theater.

Bei Christiane Weghoff Hörstück … als jage der Wahnsinn … treffen die Dichter Ingeborg Bachmann und Wolfgang Büchner aufeinander. Helmut Oehring (Jg. 1961) entführt das Publikum ins „Kommunikationsmodell“ seines Dickicht der ZEICHEN. Dieses Werk wird übrigens eine von insgesamt sechs Uraufführungen von Stücken sein, die extra für das Festival in Auftrag gegeben wurden.
Mit The Gates of Jerusalem des 1932 geborenen litauischen Komponisten Bronius Kutavicius ist schließlich noch das klassische „Kirchenmusik-Theater“ vertreten. Der Titel seines Oratoriums für Tenor, gemischten Chor und Streichorchester bezieht sich auf die 12 Tore des himmlischen Jerusalems, wie es in der biblischen Offenbarung beschrieben wird. Die vier Himmelsrichtungen, in die die Tore weisen, öffnen sich hier auf ein musikalisches Panorama religiöser Riten aus den verschiedenen Teilen der Welt.


Authentische Interpretationen: Das Ashley Ensemble...

... und Toc Edit


Mit der nunmehr 3. Folge des KlangZeit-Festivals der Gesellschaft für Neue Musik Münster e. V. werden die Programme der sehr erfolgreichen Vorgäner Mystik und Maschine und KlangZeit: Percussion in jeder Hinsicht überboten: Sowohl was den Umfang als auch was die Breite der Themen, Formen, Orte und Medien angeht. Dank der Förderung u. a. durch die Kulturstiftung des Bundes bewegen sich die Eintrittspreise im moderaten Rahmen von 6-15 €.



DAS PROGRAMM

Fr. 29.10.
20.00:
Helmut Oehring „Im Dickicht der Zeichen“ (UA) & Sidney Corbett: „Die sieben Tore“ (UA)/ Städtische Bühnen / 15,-/10,-

Sa. 30.10.
15:30:
Compania: Edward Rushton (UA) / Städtische Bühnen / 12,-/ 8,-
18:00: Daniel Ott: „ojota IV“ / OSMO-Halle / 12,-/ 8,-
22:00: Fatima Miranda: „Arte Sonado“ / Pumpenhaus / 12,- /8,-

So. 31.10.
16:00:
Vinko Globokar / Christoph Taggatz (UA)/ Musikhochschule / 12,-/8,-
19:00: Hans Werner Henze: „El Cimaron“ / Städtische Bühnen / 15,-/10,-
22:00: Ars Vitalis: Musik als Theater / Rathaus / 12,-/8,-

Mo. 1.11.
18:00:
Partita Radicale: „Aquaculi“ / Stadtbad Mitte / 10,-/ 6,-
20:00: Christine Weghoff: „als jage der Wahnsinn ... “nach Georg Büchner u. Ingeborg Bachmann / Pumpenhaus / 12,-/ 8,-

Di. 2.11.
20:00:
KINOPROGRAMM: Cinema / Warendorfer

Mi. 3.11.
20:00:
Thomas Bloch-Bonhoff: „Alka Seltzer“ nach Rolf Dieter Brinkmann (UA) / Pumpenhaus / 12,-/ 8,-
22:00: Thomas Koener - Kontakt der Jünglinge / cuba-cultur / 10,-/ 6,-

Do. 4.11.
20:00:
Stephan Froleyks: „hörenmachen“ / Pumpenhaus / 12,-/ 8,-
22:00: Beequeen / Biosphere / cuba-cultur / 10,-/ 6,-

Fr. 5.11.
19:00:
Bronius Kutavicius: The Gates of Jerusalem / Überwasser-Kirche / 12,-/ 8,-
22:00: Chris Mann / Terre Thaemlitz / cuba-cultur / 10,- / 6,-

Sa. 6.11.
19:00:
Robert Ashley: „Celestial Excursions“ / Städtische Bühnen / 15,-/10,-
22:00: N. N. / Pumpenhaus / 10,-/ 6,-

So. 7.11.
20:00:
Carola Bauckholt Abend (Carsten Hennig, György Ligeti, Carola Bauckholt (UA))/ Pumpenhaus / 12,-/ 8,-

Alle Fotos © 2004, Klangzeitfestival: HörenSagen


Georg Henkel



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