Marais, M. (Joubert-Caillet, F.)
Pièces de Viole Buch 5 (1725)
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Gambe
VÖ: 02.06.2023
(Ricercar / Note 1 / 3 CD / DDD / 2021 / RIC 451)
Gesamtspielzeit: 223:56
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KONTINENT MARAIS V – SCHLUSSSTEINE
Nun ist es also vollbracht! Mit dem Erscheinen der Einspielung des 5. Gamben-Buches von Marin Marais haben François Joubert-Caillet und „L‘Archéron“ gewissermaßen den Schlussstein gesetzt: Auf ihre ebenso ambitionierte wie musikalisch herausragende Gesamteinspielung der über 500 Stücke, die Marais zu Lebzeiten veröffentlicht hat.
Wobei „Schlussstein“ nicht so ganz passt: Das Wort suggeriert eine gewisse Einheitlichkeit und Monumentalität. Doch nach den experimentellen Exkursionen des 4. Buches mit der spektakulären „Suitte d’un goût Etranger“ ist das 5. Buch wieder mehr wie die früheren Sammlungen ein buntes Mosaik: Die Frucht der späten Jahre, nachdem Marais seine Hofämter an den ältesten Sohn übergeben hatte und sich fortan der Gartenpflege und dem Unterrichten widmete. Der Meister der 7. Saite schöpft aus seiner reichen Erfahrung, seine Inspiration scheint ungebrochen. Beweisen musste er niemandem etwas mehr. Man stellt sich beim Zuhören den Komponisten vor, wie er im Kreis seiner Familienangehörigen und Freunde musiziert.
Die acht Suiten umfassen leichtere und vom Komponisten eigens mit einem Sternchen gekennzeichnete anspruchsvollere Kompositionen, darunter wie immer eine Fülle der damals beliebten Tänze, aber auch viele Charakterstücke und manche Überraschung (wie das pizzicato-tickende „Le Tact“, die Mini-Suite-in-der-Suite „La Poitevine“ oder das nonchalante „Le Toucher du clavecin“, um nur einige zu nennen). In den konzisen Präludien scheint das Pathos der frühen Bände zurückgenommen; unmittelbar Persönliches klingt nur gelegentlich an, wie in der ergreifenden Klage über den Tod eines der eigenen Kinder („Tombeau pour Marais le Cadet“) oder der gänsehautwitzigen Schilderung einer Blasensteinoperation („Le Tableau de l’Operation de la Taille“). Die Motive und Melodien sind unmittelbar eingängig und werden oft mit einem bukolischen Charme, launigem Humor oder schlicht einer gewissen genießerischen Behaglichkeit präsentiert. In den vielen molldurchfärbten Stücken lächelt selbst die Melancholie versonnen.
Wie herrlich sonor und klar singt, spricht, malt und tanzt Joubert-Caillet mit seinem Instrument durch Marais‘ Landschaften, Orte, Szenen und Portraits!
Das vielschichtige Relief der Musik mit ihren zahllosen Vortragsanweisungen und Verzierungen tritt kontrastreich hervor, ohne dass sich der Interpret in den Details verliert. Alles wirkt selbstverständlich, wie aus einem Guss, dabei doch immer spontan und spielerisch. Gerne glaubt man ihm, dass er sich mit seinen nicht minder überragenden Begleiterinnen und Begleitern – zweite Gambe, Cembalo, Theorben, Gitarre – ohne viel Worte verstanden hat. Solistisch und unbegleitet kann man Joubert-Caillet einmal ganz zum Schluss hören, mit dem "Prélude en harpègement". Die sich fortspinnenden Akkordbrechungen suggerieren eine unendliche Perspektive, so als würde die Musik niemals enden ...
Vor allem in diesen krisengeschüttelten und schnelllebigen Zeiten muss man den Interpreten wie auch dem Labelgründer und Aufnahmetechniker Jérome Lejeune Lob und Dank dafür zollen, dass sie uns Marais' köstliche Gambenwelt über alle fünf „Kontinente“ hinweg erschlossen haben. Und dies durchweg auf einem maßstäblichen Niveau: musikalisch, aufnahmetechnisch, editorisch. Weitere Expeditionen in die (überschaubareren) Welten Couperins, Forquerays & Co. wären hochwillkommen!
Georg Henkel
Trackliste |
Suiten D-Dur, e-moll, F-Dur, G-Dur, g-moll, A-Dur, a-moll, Stücke d-moll |
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Besetzung |
François Joubert-Caillet, Andreas Linos & Marie-Suzanne de Loye, Viola da Gamba
Philippe Grisvard, Cembalo
Miguel Henry, Theorbe & Gitarre
André Heinrich, Theorbe
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