Gaultier, E. – Mouton, Ch. – De Visée, R. u. a. (Bergmüller, D.)

Rhétorique du silence


Info
Musikrichtung: Barock / Laute & Theorbe

VÖ: 18.08.2023

(Berlin Classics / EDEL Kultur / CD / DDD / 2019 / 03030398BC)

Gesamtspielzeit: 44:40



SINNLICHE STILLE

Die barocke Laute und ihre große Schwester, die Theorbe, die David Bergmüller auf seinem Solo-Debutalbum „Rhétorique du silence“ spielt, tönen unter seinen Händen so sinnlich und voll wie eine Harfe. Dabei wahren sie aber stets eine einnehmende Intimität und Diskretion, die auch dem Leisen und Feinen in der Musik viel Raum zum Atmen lässt. Man hört ganz nahe am Klang und an der Stille. Denn Letztere, so der Interpret völlig treffend, sei für das ausgewählte französische Repertoire ganz wesentlich und sozusagen "mitkomponiert". Der durchbrochene, reich ornamentierte Stil, den die Meister des 17. und 18. Jahrhunderts bis zur Vollendung kultivierten, kommt dadurch besonders schön zur Geltung: Die Töne, Melodien und tänzerischen Rhythmen „leuchten“ gleichsam in der sie umgebenden Stille auf, bevor sie wieder in diese hinein verklingen.

Dabei kann der Booklettext so verstanden werden, dass die Produktion während der Coronapandemie und der Lockdowns im Nachgang von Streamingkonzerten entstanden ist – doch diese Ereignisse haben wohl nur das programmatische Narrativ bereitgestellt, unter dem die bereits 2019 aufgenommenen Stücke dann schließlich veröffentlicht wurden. Dabei wäre eine solche Aufladung gar nicht nötig gewesen, denn die Qualität der Musik und der Interpretation sprechen für sich.

Während die älteren Meister oft noch abstrakt und kleinteilig wirken, gewinnt das Repertoire in den jüngeren Werken, so etwa bei Robert de Visees Stück, zunehmend an Weite und Virtuosität hinzu. Bergmüller, der auch zwei selbstkomponierte Präludien beisteuert, trägt dem durch emphatisches, lebhaftes Spiel Rechnung – bei aller Beschwörung von Stille und Rückzug in die Einsamkeit hat sein Ansatz doch nichts von quietistischer Weltabgewandtheit oder gezwungener Reduktion.

Nebengeräusche, die zum Beispiel vom Ansatz der Finger herrühren könnten, gibt es kaum. Dafür klingt an einer Stelle etwas vom Aufnahmeort, der Kirche des österreichischen Stifts Seitenstetten, herein: Zwei zufällige Glockenschläge am Ende eines Stücks wurden bewusst belassen, wie ein fernes Echo, in dem der Klangraum sich noch einmal öffnet. John Cage wäre entzückt gewesen.

Bereits nach 45 Minuten ist das Programm vorbei, das Schweigen kehrt zurück – gerne hätte man noch länger dem betörenden Wechselspiel aus Klang und Stille gelauscht, das David Bergmüller hier realisiert hat.



Georg Henkel



Besetzung

David Bergmüller, Laute & Theorbe


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