Alcatrazz
Take No Prisoners
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Gefangene haben Alcatrazz außer 1986 bei ihrem entgegen seinem Titel völlig ungefährlichen, kontur- und mutlosen dritten Album Dangerous Games noch nie gemacht. Und selbst dieser Tiefpunkt war im Kern keine schlechte Platte, das konnte man unter all dem Kleister immer noch heraushören; sie plätscherte bloß viel zu seicht dahin und war zudem zu routiniert, ohne einen Funken Esprit eingespielt. Wie die Noten, die einem anderen Künstler eingefallen sind, die man vom Blatt spielt, ohne sich vorher damit beschäftigt zu haben, ja, ohne überhaupt daran interessiert zu sein. So bestand keine Chance, dem Material gerecht zu werden! Kein Wunder, dass danach nichts mehr kam!
Jedenfalls bis 2020 nicht. Seit ihrer Wiederbelebung nach 34 Jahren haben Alcatrazz drei Alben veröffentlicht – also nicht nur rechnerisch jedes Jahr eines, sondern in echt! So kurze Abstände sind heutzutage selten – und es sind genauso viele Longplayer wie zuvor in ihrer gesamten Historie. Aber die Musiker sind sehr kreativ und dadurch eben auch produktiv! Gitarrist Joe Stump wacht offenbar bereits mit fertigen Songs im Kopf auf! Der Mann spielt sich die Seele aus dem Leib und ist dabei im positiven Sinne unberechenbar. Kein Wunder, dass fast immer sein erster Take eines Solos verwendet wird! Ein schönes Beispiel für seine Extraklasse ist ausgerechnet der schwächste Titel auf Take No Prisoners, die erste Single „Don´t Get Mad... Get Even“. Der Mittelteil ist völlig anders als der Rest des mit einem coolen Cartoon-Video beworbenen Stückes, wirklich überraschend, und trotzdem passt er! Im Refrain sind zudem die Mädels von Girlschool zu hören, von Keyboarder Jimmy Waldo während einer gemeinsamen England-Tour in seinem Hotelzimmer aufgenommen.
Das lässt sich jedoch leicht verschmerzen, denn ansonsten sind die 47 Minuten randvoll mit Highlights: das von Saxon-Bassist Nibbs Carter mitverfasste, dezent orientalisch angehauchte „High Roller (Love´s Temple)“, der furiose Opener „Little Viper“ oder der Schlussfetzer „Bring On The Rawk“, wo alle Musiker noch mal ihre Instrumente glühen lassen, dass es eine Pracht ist. Da will man diese Hammerscheibe sofort noch mal hören! In das schwere, schleppende, von einem epischen Refrain gekrönte „Strangers“ wurden sogar Bibelanleihen eingeflochten! Und viel besser als von dem Quintett in „Salute The Colours“ vorexerziert kann eine Heavy Metal-Nummer nicht sein!
Wie gut sich Sänger Doogie White mittlerweile bei Alcatrazz eingelebt hat, zeigt sein entspannter Gesang bei „Power In Numbers“. Apropos: Es ist mir bisher nicht so aufgefallen, aber der Schotte hat noch nie so sehr wie Biff von Saxon geklungen!
Ein knalliger Sound und ein Cover im Stile eines Filmplakats runden den Musikgenuss in idealer Weise ab. Kaufen!
Michael Schübeler
Trackliste |
1 | Little Viper | 4:39 |
2 | Don´t Get Mad... Get Even | 3:50 |
3 | Battlelines | 3:57 |
4 | Strangers | 5:38 |
5 | Gates Of Destiny | 5:01 |
6 | Alcatrazz | 4:13 |
7 | Holy Roller (Love´s Temple) | 4:07 |
8 | Power In Numbers | 5:26 |
9 | Salute The Colours | 5:36 |
10 | Bring On The Rawk | 4:35 |
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Besetzung |
Doogie White (Vocals)
Joe Stump (Guitars)
Gary Shea (Bass)
Larry Paterson (Drums)
Jimmy Waldo (Keyboards)
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