Der vierte Beatle Ringo Starr im Rampenlicht
Musiker- und Band-Biographien leiden unter einem großen Problem. Ein Roman oder ein Konzert werden auf einen Höhepunkt, ein großes Finale, hin angelegt, das die aufgebaute Spannung auflöst und den Hörer bzw. Leser erfüllt entlässt. Das funktioniert bei Musiker- und Band-Biographien nicht. Dort ist der Höhepunkt, der Durchbruch, in aller Regel relativ früh erreicht. Denn wenn eine Band keinen Erfolg hat, löst sie sich auf. Nur erfolgreiche Bands haben eine Zukunft, aber die liegt eben in der Zeit nach dem Höhepunkt. Daher lesen sich viele Bandbiographien im letzten Drittel (das oft einen wesentlich größeren zeitlichen Anteil der Bandgeschichte umfasst) eher träge und schleppend. Das Solo-Werk von Ringo Starr - stärker noch als das von Paul McCartney, George Harrison und John Lennon – kann kaum mit den legendären Beatles mithalten. Eine Ringo Starr-Biographie droht so zu einem Beatles-Buch mit lähmendem Nachhall zu werden. Bardola ist das offenbar bewusst. Er löst das mit einem geradezu genialen Trick. Er gliedert seine Biographie in drei Teile. Teil Eins befasst sich mit Ringo Starrs Solowerk in den Jahren 1970 bis 2020. Erst danach, ab Seit 115, kommt die Zeit mit den Beatles in den Blick. Danach folgt noch ein Blick auf das Werk Starrs jenseits der Musik als Schauspieler, Filmemacher und Fotograf. Die ersten beiden Teile sind dann wiederum gedrittelt. Erst kommen die wesentlichen Wendepunkte im betrachteten Zeitraum, dann die Werke, sprich die Solo-Alben Starrs, bzw. die Beatles-Songs, an denen er wesentlichen Anteil gehabt hat. Erst als Abschluss der beiden Teile folgt dann ein biographischer Abriss. Auf den ersten Blick wirkt das etwas zerrissen, aber es macht – insbesondere für die Zeit der Solokarriere, die vielen Lesern weniger vertraut sein wird, als die Beatles-Jahre – Sinn, denn man hat bereits, wenn die Alben intensiv besprochen werden, einen gewissen Überblick über das Leben des Ex-Beatles und kann dieses dann im letzten Teil intensiver auf der Basis des Werkes betrachten. Die zwangsläufig entstehenden Doppelungen helfen sogar dabei das Leben Ringo Starrs sinnvoll zu erfassen. Auf Nachfrage würde wahrscheinlich auch Bardola zugestehen, dass Starrs Solo-Werk hinter das seiner Ex-Kollegen zurückfällt. In seiner Biographie macht er allerdings jeden Versuch, diesen Eindruck nicht entstehen zu lassen. Er beschreibt den Drummer als bildungsfernen Autodidakten. Starr hat unter anderem wegen Krankenhausaufenthalten nur fünf Jahre seines Lebens auf einer Schule zugebracht und nie irgendeine Art von Abschluss gemacht. Er ist nicht nur der Älteste der vier Beatles, sondern auch der einzige, der in einer wirklich problematischen Umgebung aufgewachsen ist. Das Schlagzeugspielen hat er sich selbst beigebracht. Bardola wertet das eher positiv. Die ungewöhnliche Handhaltung, die Starr sich bei seinem unbegleiteten Lernen angewöhnt hat, ist für ihn die Basis für sein eigenwilliges und charakteristisches Spiel, das wiederum vielen Beatles-Stücken das gewisse Etwas verpasst hat. Seine Zeit als Drogenkonsument wird nicht ausgespart. Im Zentrum steht an dieser Stelle aber der erfolgreiche Entzug, den er aus eigenem Antrieb – zusammen mit seiner Frau, die ihm auf dem Drogenweg gefolgt ist – erfolgreich durchgezogen hat. Ringo Starr gilt allgemein als das verrückte Huhn der Beatles. Das stellt Bardola auch nie in Abrede. Insbesondere in Starrs Rolle als Filmemacher und Schauspieler kommt das auch in seiner Biographie zum Tragen. Insgesamt erscheint der Drummer aber als der ruhende, verbindende Pol im Quartett der Fab Four, ein sympathischer, eher defensiver Charakter, dem es genügt dabei zu sein. Eine Rolle im Mittelpunkt ist ihm weniger wichtig, als das Team zusammenzuhalten. Das gelingt ihm auch nach dem Ende der Beatles. Neben seinen Solo-Alben ist seine All-Starr Band ein prägendes Element der Nach-Beatles-Zeit. Für sie – und sein Privatleben – kennzeichnend ist die Bereitschaft der Hautevolee des Rock an einem von beiden teilzunehmen. Starr ist offenkundig in der Lage die angesehensten Rock-Musiker um sich zu scharen, wenn er sie benötigt. Niemand erwartet von Bardola ein überkritisches Enthüllungswerk, aber bei aller positiven Grundeinstellung dem Schlagzeuger gegenüber wirkt seine Biographie nicht wie eine lobhudelnde Hagiographie, sondern wie die ehrliche Darstellung eines trotz allen Erfolges bodenständig gebliebenen Musikers. Norbert von Fransecky |
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