Korpus

Respekt


Info
Musikrichtung: Melodic Rock

VÖ: 15.09.2017

(Eigenproduktion)

Gesamtspielzeit: 39:16

Internet:

http://www.facebook.com/korpusheavymetal


Korpus aus Polen waren nahezu die ganzen Achtziger über aktiv, brachten es aber nur zu einer Handvoll allenfalls halboffizieller, zumeist live mitgeschnittener Releases, bevor sie die Bandarbeit 1990 zu den Akten legten und auf Initiative von Sänger Janusz Stasiak, einziges halbwegs konstantes Mitglied in den Achtzigern, erst 2013 wieder zusammenfanden, einige Singles und letztlich den Longplayer Respekt einspielten, der mit seinem Coverartwork irgendwie deutlich härtere Mucke erwarten läßt als das, was einem in den zehn Songs dann letztlich geboten wird und wofür schon der Opener „As“ prototypisch steht. Das Intro führt einen Keyboard-Gitarre-Dialog ein, und obwohl die Gitarre in der Gesamtbetrachtung die Führungsrolle übernimmt (das Instrument ist im Sextett auch doppelt besetzt), so macht Tastenmann Wlodzimierz Tyl immer wieder klar, dass er für den Bandsound durchaus wichtig ist, wenngleich es durchaus Songs gibt, in denen er zumindest in der Studiofassung recht weit in den Hintergrund tritt, etwa das schwer riffende und mit slideartigen Gitarreneffekten arbeitende „Nafta“, das wie eine modernisierte Version von Cinderella klingt, den Gesang natürlich ausgeklammert. Der wiederum hat dem Hörer schon im Opener eine Überraschung bereitet: Stasiak beginnt nach knapp 50 Sekunden zu singen – und man schaut erstaunt im Booklet nach, ob hier nicht Claus Lessmann als Gast dabei ist. Ergebnis: Nein, ist er nicht, und die weiteren Songs zeigen, dass der Pole durchaus noch in anderen Stimmlagen zu Werke gehen kann, die Übereinstimmung dieser einen Lage also als Zufall zu werten ist. Trotzdem führt die Spur durchaus weiter, denn Songs wie „Zadlo“, wieder mit einem interessanten Gitarre-Keyboard-Dual, könnten auch Anhängern der klassischen Bonfire-Zeiten gut reinlaufen, obwohl es im Detail natürlich reichlich Unterschiede gibt (auf das Orgelsolo in diesem Song, eingespielt mit einem klassischen Prinzipalregister, wären Lessmann/Ziller vermutlich nie gekommen) und man im Intro dieses Songs auch mal kurz an die Russen Tschornij Kofje zu Wolnomu Wolja-Zeiten zu denken geneigt ist. Als weiterer stilistischer Anknüpfungspunkt für Korpus bieten sich Turbo an – nicht die polnischen Landsleute, sondern die gleichnamigen Tschechen, die in ähnlichen Melodic-Rock-Gefilden siedelten. Neben knackigerem Rock beherrschen Korpus auch das Metier der Ballade, wie sie in „Tajemnice“ unter Beweis stellen. Aus dem stilistischen Rahmen fallen freilich zwei Songs, die in diesem Falle keine Bereicherung, sondern eine Verwässerung bilden: Der abschließende Titeltrack arbeitet weitreichend mit Halftimedrums, die in Verbindung mit dem seltsamen Sprechgesang dem Song offenbar einen modernen Anstrich geben sollen, aber auch beim x-ten Hördurchlauf noch einen Fremdkörper bilden, der vor allem mit dem hymnischen Refrain keine Symbiose einzugehen in der Lage ist (in „Poste Restante“ gab es schon mal Halftimedrums, aber dort deutlich unauffälliger und harmonischer eingemischt). Noch schwieriger ist die Lage bei „Bal Zebraków“. Hier handelt es sich um die erste Single nach der Reunion, aus dem Jahre 2014 stammend und offenbar auch in der damaligen Einspielung übernommen, wie einerseits die strukturellen Angaben im Booklet, andererseits die markant unterschiedlichen Soundgewänder nahelegen, und das sträubt nicht nur das Ohr des Hörers, sondern betont den Stilunterschied noch, der so schon groß genug ausgefallen ist: Hier spielen Korpus plötzlich eine Art punkigen Gepolters, zum Glück nicht mal zweieinhalb Minuten lang, aber auch so schon herausstechend genug, und das ist in diesem Fall nicht als Qualitätsmerkmal zu sehen, wenngleich zwei frenetische Gitarrensoli hier noch einiges herausreißen und auch die Energieleistung durchaus anzuerkennen ist. Keyboards gibt es in diesem Song übrigens keine – Tyl ist erst seit 2015 Bandmitglied. Der stilistische Bruch wird noch dadurch betont, dass die Nummer zwischen dem westcoastlastigen „Poste Restante“ und dem als Ballade anhebenden „Esemes“ steht, und auch wenn man sich nach etlichen Durchläufen an dieses seltsame Stück zu gewöhnen beginnt, so fällt es einem doch schwer, es in dieser Form als integralen Bestandteil von Respekt zu begreifen. Vielleicht hätte zumindest eine Neueinspielung mit der aktuellen Besetzung geholfen, den Fremdkörperstatus zumindest ein wenig zu mildern. Möglicherweise, so könnte man vermuten, blicken Korpus damit aber auch in die eigene Vergangenheit zurück – der Rezensent besitzt keine ihrer Achtziger-Veröffentlichungen und kann daher von dieser Warte her erstmal keine detaillierten Angaben machen, wie die Polen denn damals klangen. Festzuhalten wäre allerdings, dass unter den damaligen, mehrfach gewechselten Gitarristen auch zwei waren, die dem Polen-Szenekenner von einer der beiden dortigen Achtziger-Bands namens Fatum geläufig sein könnten, und die spielten beide eher traditionell orientierten Metal (die einen behielten den Namen nicht lange, sondern benannten sich in Lord Vader um), so dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Korpus der Achtziger und die aktuellen Korpus (vier der sechs Albummitglieder gehörten schon in den Achtzigern mal zur Band, die Ausnahmen sind der Keyboarder und der Drummer) zumindest ansatzweise ähnlich klingen, relativ hoch liegen dürfte. Weitere Recherchen fördern allerdings ein kurioses Bild zutage: Einige der Achtziger-Aufnahmen, nämlich solche aus den Mitt- und Spätachtzigern (die frühesten, von 1982 datierenden hat der Rezensent bisher nicht ausfindig machen können), kann man auf Youtube nachhören, und da stellt man fest, dass seinerzeit ein Quintett mit zwei Gitarristen, aber ohne Keyboarder aktiv war und dass der Gesamtsound daher naturgemäß ein wenig knackiger anmutete, aber trotzdem irgendwo im melodischen Hardrock an der Grenze zum Melodic Metal lagerte. Die Bonfire-Parallelen gibt es jedenfalls auch schon in den 1984er und 1985er Aufnahmen zu konstatieren – und zu jener Zeit existierten Bonfire noch gar nicht, arbeiteten Lessmann/Ziller noch bei der Vorläuferband Cacumen. Ob von denen mal was über den Eisernen Vorhang geschwappt ist, dürfte eher zu bezweifeln sein, was freilich auch in der Gegenrichtung zutreffen wird – also offensichtlich eine Parallelentwicklung, beruhend auf der partiell ähnlichen Stimmfärbung Lessmanns und Stasiaks. Aber es ist noch ein weiterer Vergleich möglich: Mindestens drei der Songs von Respekt stammen noch aus den Achtzigern und waren damals schon auf einem der halboffiziellen Releases enthalten, nämlich „As“, „Zadlo“ und „Imperator“. Wer also auf Youtube nach den alten Versionen gräbt, kann interessantes Chronologiehören betreiben.
Festzuhalten bleibt: Respekt verdienen Korpus für Respekt durchaus, wenngleich nicht jede Idee so funktioniert wie gewünscht und neben den beiden benannten Problemfällen auch die Neufassung von „Imperator“ mehr will, als gut für den Song ist, so dass wir hier einen Mix aus einer modernisierten Version von Rainbow im Hauptteil und einem klassischen Rainbow-Solo bekommen, der noch nicht wie konsequent zu Ende gedacht wirkt. In den Songs steckt trotz ihrer relativen Kürze (Schnitt unter vier Minuten) einiges an Ideen, nur die Ausarbeitung führt noch nicht in jedem Fall zum gewünschten Ziel, in einigen aber schon, so dass man als Melodic-Rock-Anhänger, der keine Berührungsängste mit gelegentlichen moderneren Anflügen hat, durchaus Ausschau nach dem Digipack halten und sich wie erwähnt nicht vom Cover abschrecken lassen sollte. Momentan steht die Zukunft der Band allerdings auf der Kippe, denn Stasiak hat Korpus verlassen, und falls Respekt einen Nachfolger bekommt, ist nicht vorhersagbar, wie der denn dann klingen wird, was auf den Höreindruck der vorliegenden Scheibe aber natürlich keinen Einfluß hat.



Roland Ludwig



Trackliste
1As4:53
2Nafta3:23
3Zadlo4:00
4Tajemnice4:16
5Poste Restante4:01
6Bal Zebraków2:23
7Esemes4:02
8Imperator4:29
9Nienasyceni4:22
10Respekt3:18
Besetzung

Janusz Stasiak (Voc)
Marek Balaszczuk (Git)
Wiktor Pietrzykowski (Git)
Wlodzimierz Tyl (Keys)
Cezary Lostowski (B)
Piotr Muszynski (Dr)



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>