CETI

Oczy Martwych Miast


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 21.02.2020

(Metal Mind)

Gesamtspielzeit: 37:02

Internet:

http://www.ceti-gk.com


Hoppla, das ist aber eine Überraschung! CETI legen mit Oczy Martwych Miast ein für ihre Verhältnisse ausgesprochen hartes Album vor und positionieren sich damit praktisch fast im Power-/Speed-Metal-Sektor, nachdem sie auf dem 2014er Brutus Syndrome-Album eher gediegenen Melodic Metal im Sinne einer leicht metallisierten Form von Deep Purple oder Rainbow intoniert hatten, den es auch auf den meisten Vorgängeralben gegeben hatte, mit Ausnahme einer etwas moderneren Phase in den Neunzigern und der Symphonic-Metal-Phase auf (...) Perfecto Mundo (...). Zwischen Brutus Syndrome und Oczy Martwych Miast erschien allerdings noch ein weiteres Album, nämlich Snakes In Eden, und das ist dem Rezensenten bisher akustisch unbekannt. So gibt es also zwei mögliche Szenarien:
1. Snakes In Eden klang noch so wie Brutus Syndrome, und erst die beiden fürs aktuelle Album neu hinzugekommenen Jungspunde Jeremiasz Baum (Schlagzeug) und Jakub Kaczmarek (zweite Gitarre – diese Planstelle wurde neu geschaffen, nachdem CETI vorher jahrzehntelang, also seit ihrer Gründung 1989, mit nur einem Gitarristen unterwegs waren) haben für den Extra-Energieschub gesorgt.
2. Auch Snakes In Eden klang trotz des Vorhandensein nur eines Gitarristen schon so wie Oczy Martwych Miast, und der Hauptverursacher des Stilwandels ist der nach Brutus Syndrome hinzugestoßene neue Bassist Tomasz Targosz, den der Polen-Metal-Experte von Crystal Viper kennt und der zumindest auf dem neuen Album alle neun Songs mit Bandchef Grzegorz Kupczyk co-komponiert hat.
Das theoretisch mögliche dritte Szenario, dass Snakes In Eden wie schon Razism in den Neunzigern komplett aus dem stilistischen Rahmen fiel, dürfte eher unwahrscheinlich sein – welches der beiden anderen zutrifft, können Menschen bewerten, die im Gegensatz zum Rezensenten Snakes In Eden besitzen. Auffällig an Oczy Martwych Miast ist allerdings, dass einerseits Maria Wietrzykowskas Keyboards noch ein Stück weiter in den klanglichen Hintergrund gerückt sind, wobei sie freilich immer noch für den Klangteppich eine enorme Bedeutung besitzen, andererseits aber „Linia Zycia“ in der ersten Hälfte des Solos die klangliche Bühnensituation mit nur einer Gitarre nachbildet und erst in der letzten Phrase dieses Solos die zweite Gitarre hinzutreten läßt, auch dort indes nicht als Riffunterbau, sondern im Form zweistimmiger Leadpassagen. Im folgenden „Cienie“ hingegen übernimmt gleichfalls das Keyboard, hier als Hammondorgel, die Funktion, das Gitarrensolo klanglich zu stützen, obwohl zumindest passagenweise auch eine Rhythmusgitarre zum Einsatz kommt, allerdings relativ weit in den Hintergrund gemischt wurde. Noch in einer weiteren Komponente zeigen sich CETI als Traditionalisten: Würde man Oczy Martwych Miast auf LP veröffentlichen, wäre eine klare Trennung in A- und B-Seite möglich, wobei die beiden Speedies die A-Seite eröffnen und die große Hymne die B-Seite beschließt – die einzige Abweichung vom klassischen Schema bestünde darin, dass der relativ gesehen schnellste Song der B-Seite, „Kamienne Pieklo“, nicht deren Eröffnungstitel darstellt, sondern erst an Position 2 kommt und zudem durch Baums ein wenig hektisches, bisweilen an Sandy Slavin von Riot gemahnendes Drumming an Durchschlagskraft einbüßt, während mit „Falszywy Bóg“ ein knackiger Midtemposong mit nur gelegentlichen Tempoverschärfungen an vorderster Front steht und damit die Linie der hinteren drei Songs der A-Seite fortsetzt. Der Titeltrack und „Machina Chaosu“ zu Beginn der A-Seite geben eine Schlagzahl vor, die CETI letztlich nicht halten wollen, so dass es verfehlt wäre, hier von reinrassigem melodischem Speed Metal zu sprechen – aber wer weiß, wohin die Reise der Band noch führt. Qualitativ gibt’s jedenfalls durchweg hochwertigen Stoff, siebenmal um die Vierminutengrenze herum, mit „Kamienne Pieklo“ markant kürzer und mit dem finalen „W Dolinie Swiatla“ über die Sechsminutenmarke reichend, was im Vergleich zu diversen früheren Songs allerdings immer noch relativ kurz anmutet – wer also die ausladenderen Arrangements zu (...) Perfecto Mundo (...)-Zeiten schätzte, wo kaum ein Song vor der Fünfminutenmarke zum Stehen kam, könnte mit Oczy Martwych Miast vielleicht nicht ganz so warm werden. In besagter abschließender Hymne hören wir Maria dann auch mal wieder in ihrer Zweitfunktion als Sopranistin, die sie schon auf Turbos Last Warrior-Album in den späten Achtzigern ausfüllte, zu einer Zeit, als außer Celtic Frost so etwas noch niemand tat, somit eine weitgehend übersehene Pionierrolle ausfüllend. Im schleppenden „W Dolinie Swiatla“ ist die Sängerin nur im Intro mit einigen Vokalisen im Einsatz, ansonsten singt Chefdenker Grzegorz Kupczyk, der in diesem Song seine geschätzte episch-breite Stimme einsetzt und im besten Sinne ein wenig an Bruce Dickinson erinnert, während er, wenn er in den härteren Songs in eine Art appellierendes Shouting verfällt, sein Alter (er hat die 60 hinter sich gelassen) mittlerweile nicht mehr verbergen kann und auch in den wenigen hohen Schreien bisweilen leicht angestrengt wirkt. Noch zieht sich der Pole gut aus der Affäre, schlägt die meisten gleichaltrigen Kollegen noch um Längen, aber für die Zukunft muß er sich da doch etwas einfallen lassen. In der Gegenwart ist ihm und seinen Mitstreitern allerdings ein blitzsauberes, zudem transparent und dennoch kraftvoll produziertes Metalalbum gelungen, das lediglich mit seiner Spielzeit von nur 37 Minuten negativ auffällt – aber auch das könnte man wieder als konsequente Old-School-Ausrichtung auffassen und bei Gefallen das Werk halt gleich nochmal durchlaufen lassen, was dem Nichtkenner der slawischen Sprachen dann auch bei der Erschließung hilft, denn die Lyrics sind komplett in Polnisch gehalten und das Mitsingen für den gemeinen Mitteleuropäer daher etwas erschwert. Die reinen Hörqualitäten mindert dieser Aspekt aber natürlich nicht, und wer mal eine originelle Herangehensweise an die Aufgabe, den Sound von Rainbow schrittweise, aber fortschreitend zu metallisieren, sucht, der ist mit CETI-Alben sowieso fast immer gut beraten gewesen, und Oczy Martwych Miast reiht sich trotz der gewissen Härtung problemlos in diese Argumentationskette ein und führt auch die gelegentlichen Iron-Maiden-Anklänge in der Gitarrenmelodik und wie bekundet auch im Gesang fort (wobei diese nie so stark sind wie etwa, um in Osteuropa zu bleiben, bei Arija), während die an einigen Stellen ganz leicht alternative Melodik von Brutus Syndrome nunmehr völlig verschwunden ist. Interessantes Detail am Rande: Das popart-kompatible Cover kommt ohne den Albumtitel aus ...



Roland Ludwig



Trackliste
1Oczy Martwych Miast3:47
2Machina Chaosu4:06
3Poza Czasem3:44
4Linia Zycia3:36
5Cienie3:54
6Falszywy Bóg4:05
7Kamienne Pieklo3:08
8Pietno4:25
9W Dolinie Swiatla6:11
Besetzung

Grzegorz Kupczyk (Voc)
Maria Wietrzykowska (Voc, Keys)
Bartosz Sadura (Git)
Jakub Kaczmarek (Git)
Tomasz Targosz (B)
Jeremiasz Baum (Dr)



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