Feldman, M. (Hamelin, M.-A.)
For Bunita Marcus
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Info |
Musikrichtung:
Neue Musik Klavier
VÖ: 03.08.2017
(Hyperion Records / Note 1 / CD / AD 2016 / DDD / Best. Nr. CDA68048)
Gesamtspielzeit: 72:38
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PIANISTISCHER AUFBRUCH IN DIE RAUM-KLANG-ZEIT
Der kanadische Komponist und Pianist Marc-André Hamelin ist bekannt als ein Meister insbesondere für das virtuose und hochvirtuose Repertoire. So hat er denn auch zahlreiche technisch höchst anspruchsvolle Gipfelwerke der Klavierliteratur von Frederic Chopin über Franz Lizst, Isaac Albeniz und Alexander Scriabin bis hin Charles Ives und Frederic Rzewski in seinem Repertoire.
Der amerikanische Komponist Morton Feldman (1926-1987) hatte ein geradezu erotisches Verhältnis zum Klavier, war aber ein Gegner jedweder äußerlicher instrumentaler Virtuosität, weil sie seiner primär am Klanglichen orientierten Musik nicht angemessen gewesen wäre. Statt brillanter Passagen und Akkordballungen, extremer Tempi und Dynamik gibt es bei Feldman meist extrem ausgedünnte, langesame und von Stille durchsetzte Texturen, und dies überwiegend in mehrfachem Pianissimo. Seine Werke ab 1980 zeichnen sich überdies durch immer ausgreifendere Proportionen aus. Das 2. Streichquartett von 1983 schließlich dauert bis zu sechs pausenlose Stunden, in denen alles und zugleich nichts passiert. "Virtuosität" ist hier allenfalls im Sinne einer immer größeren Reduktion und Subtilität des Klanglichen sowie physischer und mentaler Konzentration der Ausführenden zu verstehen.
Von daher ist es hochspannend, wenn ein Künstler wie Hamelin sich nun mit Feldmans Klavierwerk For Bunita Marcus beschäftigt. Das Stück ist Feldmans langjähriger Schülerin, Vertrauter, Freundin und Fast-Ehefrau Bunita Marcus gewidmet und mit einer Dauer von 70 bis 80 Minuten ein typisches Werk seiner, wenn man so will, transzendentalen Spätphase: ein monolithisches Fast-Nichts aus wenigen chromatisch benachbarten Tönen, die in endlosen, ebenso delikaten wie atmosphärischen Permutationen, Rhythmisierungen und "Orchestrierungen" ausgesponnen werden, einander umkreisen, sich zu filigranen Mustern und zarten Tonkomplexen verbinden, bevor sie in die Stille zurücksinken. Das ist, bei aller "Ohrengängigkeit", von großer Konsequenz und Strenge, hat nichts von jenem parfümierten New-Age-Sound, der allenthalben aus irgendwelchen Lautsprechern quillt.
Allein der Beginn, ein zweichfach, nacheinander mit erst dem linken und dann dem rechten Daumen angeschlagenes zweigestrichenes Cis, demonstriert Feldmans sinnlichen Reduktionismus aufs Schönste. Es ist eben (vielleicht?) doch ein Unterschied, ob man ein und denselben Ton mit der linken oder rechten Hand spielt ... Cis ist (klingt) nicht gleich Cis. In derlei Extreme der Nuancierungskunst begibt sich notwendigerweise der Interpret, der sich mit Feldmans letzten Kompositionen befasst.
Und Hamelin? Er hat diese Reise durch schwebende Klang-Stille nach eigenem Bekunden genossen: "Als ich mich zum ersten Mal ans Klavier setzte, um Feldmans Stück durchspielen, überkam mich gleich ein Gefühl von Befreiung. Es geht hier nicht mehr um den Künstler, die Aufführung, das Darstellen pianistischer Virtuosität, den gesellschaftlichen Anlass. Wir haben es nun ausschließlich mit Klang, Zeit und Raum zu tun.«
Dabei misst sich der Pianist Hamelin bei diesem speziellen Repertoire mit Kolleg*innen wie Hildegard Kleeb, die das Stück seinerzeit als erste eingespielt hat - und zwar bis heute in einer ungemein klaren, maßstabsetzenden Version (HatHut). Oder mit John Tilbury, der in seiner Einspielung die Abstraktion des Anschlags so weit getrieben hat, dass man zunächst gar nicht realisiert, dass man ja einem Klavier lauscht (LondonHall). Oder mit Marianne Schröder, die die bislang langsamste, weiträumigste und resonanzreichste Version vorgelegt hat (Oehms Classics).
Im Vergleich mit diesen ganz unterschiedlichen Einspielungen kann sich Hamelins Deutung ohne weiteres behaupten. Sein Spiel passt sich ganz der kargen Klarheit von Feldmans Musik an, er versucht nicht, es durch eine unangemessen pianistische Gestaltung "interessant" zu machen, sondern taucht tief ein in die Klang-Zeit-Räume der Musik, die er mit großer Ruhe ausmisst. Als entfaltetet sich ganz natürlich, schwebend, still. Der Klavierklang ist eher distanziert aufgenommen, was das durchgehende wenigstens dreifache Pianissimo noch feiner wirken lässt und die Abstraktion der Musik betont. Anders als die meisten anderen Pianisten, die die Pedalisierung am Ende des Stücks aufheben und damit den Nachklang der letzten Töne mehr oder weniger hart abschneiden, lässt Hamelin das Stück ungeämpft in die Stille hinein verklingen. Da wirkt das Motorengeräusch des zurückfahrenden Lasers dann wirklich wie ein kleiner Schock.
Georg Henkel
Trackliste |
01-36 For Bunita Marcus 72:38 |
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Besetzung |
Marc-André Hamelin, Klavier
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