Extreme
Six
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Ich war überrascht, als ich von der Veröffentlichung des neuen Extreme-Albums erfahren habe. Wenn man bedenkt, dass die letzte Scheibe Saudades de Rock 15 Jahre zurückliegt, ist das schon ein verdammt langer Zeitraum, in dem man nichts von der Band gehört hat. 2014 habe ich Extreme einmal auf ihrer Pornograffiti-Jubiläumstour zusammen mit Mario Karl in der Nürnberger Rockfabrik gesehen, wo sie einen fulminanten Auftritt hingelegt haben. Doch wie klingt das neue Album?
„Rise“ ballert mächtig los und zeigt gleich von Beginn an, was Sache ist. Hier wird ordentlich gerockt, es geht nach vorne und das Gaspedal wird durchgedrückt. Das dazugehörige Video ist äußerst gelungen und zeigt eine spielfreudige, virtuose Band mit großen Rockstar-Posen. So muss das sein! Nuno Bettencourt soliert wie zu seinen besten Zeiten, Gary Cherone singt wie einst und seine Rhythmusabteilung mit Bassist Pad Badger und Schlagzeuger Kevin Figueiredo sorgen für die brettharte Unterlage. Auf ihrer Homepage gibt es darüber hinaus mit „Banshee“, „Other Side Of The Rainbow“ und „#Rebel“ drei weitere coole Videos zu sehen.
„Banshee“ klingt ein bisschen nach Glam und alter Rock’n‘Roll-Schule und erinnert gelegentlich sogar an Mötley Crüe. Die neue Single „Other Side Of The Rainbow“ überzeugt mich total. Die tolle Halbballade brilliert mit hervorragendem Gesang und einer traumhaften Akustikgitarre. Bettencourt widmet die CD „King Edward Van Halen“, einem seiner großen Idole. „Thicker Than Blood“ klingt angenehm nach Van Halens „Poundcake“, beim orientalisch klingenden „X-Out“ wurde ein Eddie-Gedächtnissolo eingebaut.
Bei „Hurricane“ klingt die Band am meisten nach der Truppe, die man von früher her kennt. Perfekte Harmoniegesänge bringen meine Ohren in Verzückung. Auf der Stereoanlage tönt Bettencourt von links, Cherone von rechts – genau solche Momente finde ich einfach nur genial. Überhaupt ist es ein Genuss, Bettencourts akustischem Gitarrenspiel zu lauschen. Was er bei „Small Town Beautiful“ anstellt, ist allererste Sahne.
Einzig „Beautiful Girls“ sorgt bei mir echt für Zahnschmerzen. Wenn ich meine Augen schließe, denke ich an Beach-Partys in den 90ern und den ZDF-Fernsehgarten mit Andrea Kiewel, bei der Zuschauer rhythmisch zum Playback klatschen. Ach ja - und an Manfred Durban von den Flippers mit seinem Elektro-Schlagzeug. Leute, was soll das denn? Auf „Bravo Sommer-Hits 2023“ wäre das Stück wohl eines der besseren Lieder, aber auf einem Extreme-Album hat das nichts verloren. „Here’s To The Losers“ sorgt für einen passenden Abschluss und lässt die „Sommerzeitmädels“ schnell wieder vergessen.
Die Band hat es geschafft, ohne Vorwarnung und aus dem Nichts heraus ein Album auf den Markt zu werfen, mit dem keiner mehr gerechnet hat. Und dafür, dass sie so lange nichts mehr gemacht haben, hat sich viel musikalisches Potential auf diesem Silberling versammelt. Die Scheibe rockt, groovt, enthält starke Balladen und ist zeitlos produziert. Hier sind vier Musiker am Werk, die ihr Handwerk verstehen. Warum sie sich dazu allerdings 15 Jahre Zeit gelassen haben, bleibt ein Rätsel.
Übrigens: Am 10.12.23 spielt die Band in Berlin, am 11.12.23 in Köln!
Stefan Graßl
Trackliste |
1 | Rise |
2 | #Rebel |
3 | Banshee |
4 | Other Side Of The Rainbow |
5 | Small Town Beautiful |
6 | The Mask |
7 | Thicker Than Blood |
8 | Save Me |
9 | Hurricane |
10 | X Out |
11 | Beautiful Girls |
12 | Here’s To The Losers |
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Besetzung |
Pat Badger: bass, vocals
Nuno Bettencourt: guitars, vocals, keyboard
Gary Cherone: lead vocals
Kevin Figueiredo: drums
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