Guido, G. A. – Vivaldi, A. (Gabetta, A.)
„Scherzi armonici sopra le Quattro Stagioni dell'anno“ – „Le quattro Stagioni“
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Info |
Musikrichtung:
Barock Konzert
VÖ: 02.07.2021
(CVS / Note 1 / 2 CD + DVD / DDD 2020 / Best. Nr. CVS042)
Gesamtspielzeit: 163:28
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DIE „VIER JAHRESZEITEN“ IM ZEICHEN DES KLIMAWANDELS
Was hätte dies für eine Aufnahme werden können! Antonio Vivaldis sattsam bekannte „Jahreszeiten“ erklingen gekoppelt mit ihrem französischen Gegenstück, das freilich auch von einem italienischen Landsmann stammt: Giovanni Antonio Guidos Zyklus „Scherzi armonici sopra le Quattro Stagioni dell'anno“ von 1717 besteht aus vier „konzertanten Suiten“ mit insgesamt 34 kurzen Einzelsätzen. Bislang ist das Werk ein „Repertoire-Geheimtipp“ gewesen. Dieses Multimedia-Pack inklusive DVD möchte das ändern.
Sowohl Guido wie auch Vivaldi haben sich von Gedichten über die Jahreszeiten anregen lassen und bieten barocke Programmmusik, einen bunten musikalischen Bilderbogen voller plastischer Szenen. Guido, Geiger in der königlichen Kapelle, wurde überdies durch vier Jahreszeiten-Gemälde von Antoine Watteau inspiriert, die der schwerreiche Finanzier Pierre Crozat 1716 für seinen Pariser Salon anfertigen ließ, wo sich die künstlerische Hautevolee traf.
Guido übersetzte in seinen Kompositionen die italienische Virtuosität ins Französische: Eine Synthese der stilisierten französischen Barockopernwelt mit ihren Tänzen, Sturmmusiken und pastoralen Idyllen mit italienischer Bravour und Unmittelbarkeit. Vieles bei Guido klingt wirklich nach Vivaldi, ohne dass man einfach von Zitaten sprechen könnte. Oder hat Vivaldi seine besten Einfälle möglicherweise dem Kollegen in Paris zu verdanken? Diente dessen Zyklus dem Venezianer als Vorlage?
Abgesehen von solchen musikhistorischen Rätseln: Die Musik Guidos kann es mit derjenigen Vivaldis durchaus aufnehmen, wie man hier grundsätzlich hören kann. Und sie ist wesentlich umfangreicher, dauert gut eine Stunde, während Vivaldi mit etwas über 35 Minuten auskommt.
Leider krankt die Interpretation daran, dass die Musiker:innen unter der Leitung von Geiger Andrés Gabetta die Musik derart überspannt und kurzatmig nehmen, dass von der barocken Fantastik oft nur inhaltsleere Formeln übrig bleiben. Nicht nur schnelle Partien wirken da grell, mechanisch. Durchaus plausible Einfälle des ersten Geigers geraten dann oft zu reinen Effekten. Die Hinzunahme u. a. von Flöten oder Hörnern als Farbverstärker bei Vivaldi ist an sich kein Problem – das unausgewogene Klangbild und die oft an einen Stechschritt erinnernde Phrasierung und Artikulation treiben der Musik aber schlicht Charme und Poesie aus. Als Hörer muss man praktisch zur Seite, am besten in einen Nebenraum treten, damit die Aufnahme einigermaßen ausgewogen und ohrenfreundlich rüberkommt. Man mag das sonst nicht lange anhören. Da fragt man sich wirklich, ob das denn niemandem bei der Produktion aufgefallen ist.
Oder sollten dies „Jahreszeiten“ im Zeichen des Klimawandels sein, der ja letztlich auch eine Folge menschlicher Überaktivität, von immer mehr, immer schneller, immer weiter ist? In diesem Sinne könnte man diese Aufnahme als unbewusste Reaktion auf die sich zuspitzende globale Situation hören: Sie reflektiert im Akustischen und Musikalischen lediglich das, was allenthalben im Gange ist: die immense Hast, den Überdruck, das große „Zuviel“. Bald wird man weder Vivaldis noch Guidos Musik noch verstehen, weil es Frühling, Sommer, Herbst und Winter in der Gestalt, wie die beiden sie schildern, nicht mehr geben wird.
Georg Henkel
Trackliste |
CD 1: A. Vivaldi "Le quattro Stagioni" 36:32
CD 2: G. A. Guido „Scherzi armonici sopra le Quattro Stagioni dell'anno“ 56:56
DVD 70:00 |
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Besetzung |
Orchestre de l'Opera Royal
Andres Gabetta, Violine & Leitung
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