Beethoven, L. v. (Cuarteto Casals)
Streichquartette Vol. 3: Apotheosis
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Info |
Musikrichtung:
Klassik Streichquartett
VÖ: 29.05.2020
(Harmonia Mundi / harmonia mundi / 3 CD / AD 2019 / DDD / Best. Nr. HMM 902406.08)
Gesamtspielzeit: 165:03
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TANZ AUF DEM GIPFEL
Lauscht man den Quartetten Ludwig van Beethovens, in denen er die bis dahin vertrauten musikalischen Räume nach und nach ins Unerhörte erweitert hat, kann man praktisch alle Geistes- und Gemütsverfassungen durchleben, die uns heute so umtreiben. Beethovens Klangwelten vor allem in den mittleren und späten Quartetten sind ebenso fließend, rätselhaft und grenzüberschreitend wie das Leben. So anfechtend und tröstlich, so zugeneigt und schroff, so allumfassend und unkalkulierbar, so humorvoll und existenziell zugspitzt. Da kommt man mal wieder in Resonanz mit sich selbst. Bei aller Fasslichkeit ist diese Musik zugleich unerklärlich, außerhalb des Referenzrahmens, immer noch, immer wieder.
Freilich: Dafür bedarf es einer nicht minder resonanzgesättigten Interpretation. Und die bekommt man beim Cuarteto Casals, das just den dritten Teil seiner Gesamteinspielung vorlegt – der höchst erfreuliche Abschluss einer Aufnahmen-Serie, die zusammen mit den Vorgängerboxen einen der vorderen Plätze einnimmt und die 20jährige Zusammenarbeit der vier Musiker*innen krönt.
Statt wie üblich die Quartette mehr oder weniger in chronologischer Reihenfolge einzuspielen, hat das Cuarteo Casals aus den insgesamt 16 Werken drei Programme gebildet, die jeweils Kompositionen aus allen drei Schaffensperioden Beethovens umfassen. Während bei der ersten Serie „Inventions“ die frühesten Stücke aus den drei Werkphasen im Mittelpunkt standen, sind es bei der zweiten Folge „Relevations“ die mittleren und nun, bei der abschließenden Edition, die jeweils letzten Werke der jeweiligen Gruppe – deshalb auch der Titel „Apotheosis“.
Aus dem frühen op. 18 stammen die beiden letzten Quartette, das 5. und 6. Dann folgt als Einzelwerk aus der mittleren Zeit Quartett Nr. 11 (‚Serioso‘, op. 95) und als Vertreter der Spätphase die Nr. 14 (op. 131) sowie als krönender Abschluss Nr. 13 (op. 130), das in der Originalfassung mit einer jedwedes Maß sprengenden Fuge schließt. Da dieses Stück das Publikum (und wahrscheinlich auch die Interpreten) überforderte, wurde es auf Bitten von Beethovens Verleger durch ein neues Finale ersetzt und die „Große Fuge“ separat als op. 133 veröffentlicht.
Was bei der Interpretation wieder frappiert, ist ein von jeder Überspitzung und „titanischer“ Angestrengtheit freier Ansatz. Man erlebt einen Beethoven, der immer genug Luft zum Atmen hat, selbst wenn der Gipfel gestürmt wird - hier freilich wird auf der Spitze getanzt.
Dabei gelingt es dem Cuarteto Casals, jenseits eines eher romantisch-lyrischen und modern-sachlichen Zugriffs einen ganz eigenen Beethoven-Klang zu entwickeln: feintimbriert und klangschön, mit quecksilbrig schimmernden Violinstimmen und dunkelsonorem Cellobass, alles ist bestens ausbalanciert.
Der Angang ist angemessen spannungsvoll, dabei dynamisch weit skaliert, rhythmisch federnd und wo nötig auch angeschärft, wie der launige Beginn der Nr. 5 beweist. Da können sich gerade in den späten Quartetten die abstrakt-verinnerlichten langsamen Passagen in großer Ruhe entfalten. So erklingt anrührend zerbrechlich, mit zart aufblühenden Linien der Eröffnungssatz und vor allem das Andante von Nr. 14. Und ebenso gibt es einen Sinn für Pointen, für Beethovens Sprung aus dem Bekannten in sonore Grenzregionen wie im Presto des gleichen Quartetts, dessen im späteren Verlauf genüsslich aufgeraute Klangoberfläche einen glatt ins 20. Jahrhundert katapultiert.
Die „Große Fuge“, dieses Schlachtross der Quartettliteratur, kommt bei allen irrlichternden Wendungen und Avantgarde-Anmutungen ohne zusätzliche Saitenüberhitzung aus, wie überhaupt die modernen Klangmittel vom Cuarteto Casals mit viel Bewusstsein für historische Verhältnisse eingesetzt werden: Fast könnte man hier und anderswo meinen, sie spielten auf Darmsaiten. Dies ist vielleicht diejenige Einspielung, die am klassischsten disponiert ist und zugleich die vielen Ausdrucksschichten der "Großen Fuge" differenziert zum Klingen bringt: Wahnsinn, Ekstase, Schönheit, Witz, Gesang. Dabei kann sich jeder der vier Cuartetos frei entfalten, das Zusammenspiel kennzeichnet ein feinverwobenes, expressiv-sinnliches Changieren der Stimmen.
Das ungemein reichgefächerte Relief dieser Einspielungen wurde auch aufnahmetechnisch wieder bestens dokumentiert.
Georg Henkel
Besetzung |
Cuarteto Casals
Vera Martinez-Mehner & Abel Tomas Realp: Violinen
Jonathan Brown: Viola
Arnau Toas Realp: Cello
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